Niederbayern. Wie groß ist die Gefahr von Rechts in Niederbayern? Wie geht die Polizei mit rechtsgesinnten Facebook-Seiten um, die Ihre Hasstiraden und dumpfen Parolen über die sozialen Medien verbreiten? Welche Strafen haben diese Volksverhetzer zu erwarten? Diese und viele weitere Fragen hat das Onlinemagazin da Hog’n Polizeihauptkommissar Jürgen Wallmaier und Polizeihauptkommissar Alexander Schraml vom Polizeipräsidium Niederbayern gestellt – und dabei so einige interessante Antworten erhalten.
„Mehrzahl der Straftaten sind sogenannte Propagandadelikte“
Wie ernst ist die Bedrohung von Rechts aus der Sicht der niederbayerischen Polizei?
Bei der niederbayerischen Polizei werden alle extremistischen Aktivitäten, insbesondere alle Erscheinungsformen des Rechtsextremismus und das damit verbundene Gefahrenpotenzial sehr ernst genommen. Neben den von Rechtsextremisten ständig ausgehenden Anstrengungen gegen unsere verfassungsmäßige Ordnung müssen wir aufgrund der vorliegenden Erfahrungswerte auch immer mit begleitenden Verstößen gegen unsere Rechtsordnung – bis hin zur Begehung von schweren Straftaten, das heißt vor allem Gewaltdelikte gegen Personen, durch einzelne Rechtsextremisten rechnen.
Haben die Straftaten, die in einem von Rechtsradikalismus motivierten Kontext stehen, in den vergangen fünf Jahren ab- oder eher zugenommen?
Statistisch gesehen sind in Niederbayern in den letzten fünf Jahren nur leichte Schwankungen in den Fallzahlen der politisch motivierten Kriminalität aus dem rechten Lager zu verzeichnen. Im Quartalsvergleich der letzten Jahre ist derzeit für 2014 ein Rückgang der Fallzahlen zu erwarten.
Die Fallzahlen für die zurückliegenden Jahre stellen sich wie folgt dar:
- Jahr 2013: 156 Straftaten
- Jahr 2012: 159 Straftaten
- Jahr 2011: 178 Straftaten
- Jahr 2010: 145 Straftaten
- Jahr 2009: 174 Straftaten
Bei der Mehrzahl der festgestellten und registrierten Straftaten handelt es sich um sogenannte Propagandadelikte, also Straftaten nach den §§ 86 und 86 a StGB, wie zum Beispiel das Verbreiten von Propagandamaterial oder Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Hierunter fallen unter anderem auch Hakenkreuzschmierereien im öffentlichen Bereich.
Der III. Weg: „Fallzahlen können nicht automatisch generiert werden“
Freies Netz Süd, der Dritte Weg – wie viele Straftaten bzw. Rechtsbrüche gehen nachweislich auf das Konto dieser beiden „Organisationen“? Was kann die Polizei präventiv gegen diese Zusammenschlüsse unternehmen?
Fallzahlen mit einer konkreten Zuordnung zu den Organisationen ‚Freies Netz Süd‘ und ‚Der Dritte Weg‘ können aus der polizeilichen Kriminalstatistik nicht automatisch generiert werden. Diesbezüglich wäre eine sehr personal- und zeitaufwändige Fallrecherche mit Organisationsbezug erforderlich, welche wir leider im Rahmen einer Presseanfrage nicht leisten können. Nach umfangreichen Durchsuchungsmaßnahmen im Juli 2013, darunter auch mehrere betroffene Personen und Objekte in Niederbayern, wurde das Freie Netz Süd im Juli 2014 verboten.
Polizeiliche Kriminalprävention ist Vorbeugung und dient dem Schutz vor rechtswidrigen Taten. Sie ist damit klassische Kernaufgabe der Polizei – aber eben nicht nur. Prävention ist auch eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, insbesondere im Bereich der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Die Bayerische Polizei hat flächendeckend kriminalpolizeiliche Beratungsstellen eingerichtet, die allen hilfesuchenden Bürgerinnen und Bürgern kostenlos zur Verfügung stehen. Das Angebot umfasst Informationen, Vorträge und Beratung zum Schutz vor Verbrechen und zur Vorbeugung von Straftaten aller Art.
Reichen Ihrer Meinung nach Beratungsstellen, Infos und Vorträge gegen die Bedrohung von Rechts aus? Vielleicht etwas provoakant nachgefragt: Ist des nicht a bisserl wenig?
Grundsätzlich ist Prävention eine zentrale Aufgabe aller demokratischen Kräfte, um die Entstehung und Ausbreitung von Rechtsextremismus zu verhindern. Auf Ihre vorangegangene Frage hin haben wir Ihnen ausschließlich die Maßnahmen der polizeilichen Präventions- bzw. Beratungsarbeit vorgestellt. Darüber hinaus versucht die Polizei natürlich bereits im Vorfeld alle Arten von rechtsextremistischen Aktivitäten, insbesondere öffentliche Auftritte und Zusammenschlüsse von bekannten Rechtsextremisten, durch präventivpolizeiliche Ermittlungs- und Einsatzmaßnahmen zu verhindern. Wir bitten um Verständnis, dass wir darüber hinaus keine Auskünfte über unsere diesbezüglichen umfangreichen einsatztaktischen Maßnahmen, welche natürlich ebenfalls Teil präventivpolizeilicher Arbeit sind, machen können.
„Handelt sich um eine deutschlandweit strittige Rechtsangelegenheit“
Die Facebook-Seite „BSA – Freyung Grafenau„, die ja inzwischen aus dem sozialen Netzwerk entfernt wurde, hat in jüngster Vergangenheit mit hetzerischen Parolen auf sich aufmerksam gemacht. Wie wird diese Seite aus polizeilicher Sicht bewertet?
Diese Seite ist der Polizei in Niederbayern bekannt. Bei einer polizeilichen Überprüfung der Seite haben wir bei mehreren Nutzern Einträge mit strafbarem Inhalt festgestellt – und aus diesem Grund Ermittlungen wegen Verstößen gemäß § 130 StGB – Stichwort: Volksverhetzung – gegen diese Personen aufgenommen (da Hog’n berichtete).
Welche Strafe droht den Nutzern, die derartige Inhalte auf dieser Seite veröffentlicht haben?
In den festgestellten Fällen eines Verstoßes gegen § 130 StGB droht den Beschuldigten eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis hin zu drei Jahren.
Wie schon erwähnt, existiert die Seite mittlerweile nicht mehr im sozialen Netzwerk Facebook – werden somit auch die Ermittlungen eingestellt? Oder wird weiter gegen die betreffenden Leute ermittelt?
Durch die Herausnahme einer ‚Veröffentlichung‘ im Internet werden die polizeilichen Ermittlungen nicht eingestellt. Laufende strafrechtliche Ermittlungen können sowieso nur durch die zuständige Staatsanwaltschaft eingestellt werden.
Inwiefern ist auch der Betreiber einer solchen Seite, auf der die hetzerischen Kommentare veröffentlicht wurden, strafrechtlich belangbar?
Hierbei handelt es sich um eine deutschlandweit strittige Rechtsangelegenheit, welche in jedem Fall eine Einzelfallprüfung voraussetzt.
„Polizei schreibt den Betreiber der Internetplattform, also FB, an“
Facebook bietet Usern die Möglichkeit, derlei mit fremdenfeindlichen und rassistischen Hass-Botschaften gespickte Seiten zu melden und prüfen zu lassen – mit einem frustrierenden Ergebnis: Facebook sieht keine Verstöße – und löscht die Seiten nicht. Was kann die Polizei in so einem Fall für die Bürger machen bzw. was empfiehlt die Polizei in solchen Fällen zu tun? Irgendeine Form der Abwehr solcher (Facebook-)Inhalte muss es doch geben, oder?
Zur Hintergrundinformation muss man voranstellen, dass es sich bei Facebook um ein soziales Netzwerk handelt, welches durch ein US-amerikanisches Unternehmen betrieben wird. Das heißt also: Das Unternehmen Facebook ist keine Firma mit Sitz in Deutschland und unterliegt somit grundsätzlich nicht deutschem Recht. Über die damit verbundenen Problemstellungen können Sie gerne selbst im Impressum der Facebookseite nachlesen. Dort gibt es auch einen Artikel über die Zusammenarbeit von Facebook mit den Strafverfolgungsbehörden der Länder.
Sobald der Polizei Seiten mit hetzerischen Parolen bzw. strafrechtlichen Inhalten mitgeteilt werden, muss sich auch die Polizei damit begnügen, ein offizielles Ersuchen an die Facebook-Seite zu stellen. Wir haben hierbei die Erfahrung gemacht, dass derartige Einträge im Regelfall zeitnah entfernt werden.
Eine lückenlose präventive Abwehr solcher Einträge scheint nach unserer Einschätzung nicht möglich zu sein, da bei der Vielzahl der Nutzer von sozialen Netzwerken durch den Betreiber eine ausreichende Kontrolle nicht gewährleistet werden kann. Auch die Polizei hat leider nicht die Möglichkeiten das ‚weltweite Netz‘ in diesem Sinne gänzlich zu überwachen bzw. solche Einträge abzuwehren. Somit kann dem Bürger bei entsprechenden Feststellungen nur empfohlen werden, diese sofort der Polizei zu melden und ggf. Strafanzeige zu stellen.
Was heißt das bitte konkret? In welcher Form ergeht dieses „offizielle Ersuchen an die Facebook-Seite zu stellen“? Muss man sich das so vorstellen, dass die Polizei eine Nachricht an die Seite, dessen Urheber ja meistens nicht bekannt ist, sendet – mit der Bitte (?), die hetzerischen Parolen zu entfernen?
Die Polizei schreibt in diesem Fall nicht den unbekannten Urheber der Seite an, sondern den Betreiber der Internetplattform, also die Firma Facebook. Auch im Falle der BSA-Seite bzw. der dortigen Einträge mit strafrechtlich relevantem Inhalt war es so, dass vom Polizeipräsidium Niederbayern über das Bayerische Landeskriminalamt München sofort um eine Sperrung der Seite bei der Firma Facebook gebeten wurde.
„Betreiber der BSA-Seite konnte bislang nicht ermittelt werden“
In der Praxis war es dann so, dass die beiden strafrechtlich relevanten Einträge innerhalb weniger Stunden nach Bekanntwerden bei der Polizei, vermutlich durch den BSA-Seitenbetreiber selbst, gelöscht wurden. Die beiden strafrechtlich relevanten Einträge konnten allerdings noch vorher durch die Polizei für das weitere Strafverfahren gesichert werden.
Der Betreiber der BSA-Seite konnte bislang noch nicht ermittelt werden; dieser löste allerdings innerhalb weniger Tage die BSA-Facebook-Seite wieder auf. Wir nehmen derzeit an, dass der Betreiber aufgrund des öffentlichen bzw. polizeilichen Ermittlungsdrucks die Löschung seiner Seite selbst durchgeführt hat.
Letzte Frage: Der Neonazi Walter Strohmeier hat sich Recherchen von regensburg-digital.de zufolge in jüngster Vergangenheit als freier Journalist ausgegeben und bei verschiedenen niederbayerischen Ämtern versucht, Informationen über Asylunterkünfte und Asylbewerberzahlen ausfindig zu machen. Ist Ihnen dieser Fall bekannt?
Ja, die uns bekannt gewordenen Fälle ereigneten sich im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberpfalz und Niederbayern. Durch die Polizei wurden auch in diesem Fall zwei Wege bestritten: Zum einen wurde sofort nach Bekanntwerden der ersten Anfragen eine Warnmeldung an die Behörden und Polizeidienststellen versandt, um vor weiteren Anfragen des als Rechtsextremisten bekannten Herrn Strohmeier zu warnen. Stichwort: Prävention. Desweiteren wurden bei der Polizei in der Oberpfalz und auch in Niederbayern Ermittlungen aufgenommen und geprüft, ob bei den bekannt gewordenen Anfragen möglicherweise ordnungswidriges Handeln oder strafrechtliche Verstöße vorliegen. Bislang konnten in diesen Fällen keine ordnungswidrigen bzw. strafrechtlichen Verstöße festgestellt werden. Über die bekannt gewordenen Fälle wurde durch die Polizei auch das Landesamt für Verfassungsschutz informiert.
Herr Wallmeier, Herr Schraml: Vielen Dank für Ihre Auskünfte.
Interview: Stephan Hörhammer
Weitere Infos zum Thema, empfohlen von der niederbayerischen Polizei:
–> Infos allgemein: https://www.bayern-gegen-rechtsextremismus.bayern.de
–>Infos über die rechtsextremistische Szene in Niederbayern: https://www.bayern-gegen-rechtsextremismus.bayern.de/wissen/rechtsextremismus-in-bayern/niederbayern
–>Infos über die Nutzung des Internets durch Rechtsextremisten: https://www.bayern-gegen-rechtsextremismus.bayern.de/wissen/internet