Passau/Zwiesel. Rund zwei Wochen wird das europäische Musikfest Europamusicale dauern – von 1. bis 14. November zeigen Künstler aus den verschiedensten Ländern Europas ihr Können. Unter anderem in Passau, Rinchnach und Zwiesel wird während dieser Tage geistliche Musik zu hören sein. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ spricht Organisations-Chef Helmut Pauli über die langwierigen Vorbereitungen für dieses Festival, über die Bedeutung der geistlichen Musik und über das deutsch-tschechische Miteinander.
Herr Pauli, wie liefen die Vorbereitungen für das europäische Musikfest Europamusicale?
Wie bei allen bisherigen Festivals waren die letzten Tage vor der Festivaleröffnung für alle festangestellten und ehrenamtlichen Mitarbeiter eine aufreibende Angelegenheit. Wir haben es jedoch rechtzeitig geschafft. Das bedeutet aber auch, dass niemand von unserem kleinen Team vor 23 Uhr das Büro verlassen konnte. Es kostet Kraft, wenn man dann am Morgen des nächsten Tages fit für Neues sein muss. Die Kulturarbeit macht großen Spaß und allen Freude, was die wichtigste Entlohnung ist.
Was wird beim Europamusicale geboten?
Das Europäische Musikfest ist eine besondere Kulturinitiative jenseits von wirtschaftlichen Interessen. Europamusicale wurde mit Unterstützung des Europäischen Parlaments und mit Förderung der Europäischen Kommission aus der Taufe gehoben. Unsere Aufgabe ist es, klassische Musik vorzustellen, die im alltäglichen Musikleben wenig oder gar nicht gespielt wird. Um heute wirtschaftlichen Erfolg zu haben, müssen Sie den Massengeschmack kennen und diesen auch erreichen. Übersetzt: Der Supermarkt bietet nur das an, was verkauft werden kann. Was nicht verkauft wird, wird aus dem Regal entfernt. Europamusicale hingegen ist kein Supermarkt, auch schielt Europamusicale nicht nach wirtschaftlichem Erfolg. Europamusicale stellt Musik der Europäischen Länder vor, die wir in unseren Breiten noch nicht kennen, aber von höchster Qualität ist.
„Die geistliche Musik ist von unserer Tradition nicht zu trennen“
Gefeiert wird auch das Konzil von Konstanz, das vor 600 Jahren abgehalten wurde. Warum?
Am 7. November jährt sich dieser Termin zum 600. Mal. Das Konzil war die erste Großveranstaltung von europäischer Dimension. Auch wenn es damals um die Auflösung des Chisma ging und die Papswahl vier Jahre dauerte, war Konstanz ein Versammlungsort von Gelehrten, Schriftstellern, Musiker, Geistlichen und Politikern. Die Stadt platzte damals aus allen Nähten. Delegationen aus ganz Europa waren zu Pferde angereist um ihre Petitionen beim König Sigismund einzureichen. Die gesellschaftliche und geistige Entwicklung erhielt viele Impulse. Damals war die Kirche der wichtigste Mäzen aller Künste. Deren Spaltung wurde jedoch durch die Verbrennung von Jan Hus in Konstanz, der als Wegbereiter des Luthertums gilt, forciert.
Hauptsächlich wird beim Musikfest geistliche Musik zu hören sein. Welche Alleinstellungmerkmal hat diese Musikrichtung Ihrer Meinung nach?
Diese Art der Musik ist von unserer Tradition und unserer Herkunft nicht zu trennen. Die Kirche war es, die den Komponisten ihr wirtschaftliches Auskommen sicherte, lange bevor der Adel und später die Gesellschaft die kulturelle Verantwortung übernommen haben. Die geistliche Musik hat einen immens sinnstiftenden Charakter. Dies ist alleine darin begründet, dass Musik und gesungener Text zu einer Überhöhung der Sprache führen. Botschaften werden plastisch und leicht verständlich. Voraussetzung ist natürlich eine gewisse Grundbildung, um die Botschaft erfassen und an sich heranlassen zu können. Auch wenn wir heute in einem aufgeklärten Zeitalter leben, besteht im Innersten der meisten Menschen eine Sehnsucht nach Halt und Trost. Wer sich darauf einlässt, geistliche Musik ohne Vorbehalte zu hören, wird etwas Wunderbares erleben.
„Musik ist eine unveriselle Sprache über Grenzen hinweg“
Wie es der Name schon sagt, soll der europäische Gedanke im Mittelpunkt stehen – vor allem das deutsch-tschechische Miteinander. Ihre Einschätzung: Inwieweit sind frühere Vorurteile mittlerweile abgebaut?
Musik ist eine universelle Sprache über Grenzen hinweg. Auch die Beschäftigung mit der Vorbereitung eines europäischen Musikfestes lässt alle mentalen Grenzen überwinden. Im Umgang mit geistlicher Musik gibt es in beiden Ländern noch messbare Unterschiede, obwohl Tschechien und Bayern unmittelbare Nachbar sind.
Wie kann das Miteinander weiter gestärkt werden?
Persönlich bin ich davon überzeugt, dass Europa nicht über Wirtschaftswachstum, starkem Euro oder Währungsunion zusammenwachsen kann. Wir müssen die Menschen Europas beim Bau des Europäischen Hauses einbinden. Wirtschaftswachstum kann zur Ausgrenzung führen. Hingegen hat jedes europäische Land großartige Kulturschaffende. In der Kultur können auch wirtschaftlich schwache Länder Europas zeigen, dass Sie kulturell reichen Ländern ebenbürtig sind. Dies darzustellen und aufzuzeigen, darin sehe ich die Aufgabe von Europamusicale. Letzlich geht es um gegenseitigen Respekt und das Kennenlernen von kulturellen Errungenschaften unserer Nachbarn.
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg beim Festival
Interview: Helmut Weigerstorfer