Spiegelau. Beruf, aber auch Berufung – so beschreibt Karlheinz Roth (CSU) das Bürgermeisteramt der Gemeinde Spiegelau, das er seit März dieses Jahres inne hat. Mit Herz und Verstand möchte der 33-Jährige seine Heimat voranbringen. Ortsgebundene Themen wie die Schließung der Glasfabrik, das Technologie Anwender Zentrum im Ortskern und die neugegründete Tourismus GmbH beschäftigen den gelernten Rechtspfleger genauso wie die Alltags-Wehwehchen einer Gemeinde wie zum Beispiel die Wasser- und Abwasserversorgung oder Windkraft. Bei ihrem Besuch im Spiegelauer Rathaus lernen die Hog’n-Redakteure Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer einen sehr engagierten jungen Bürgermeister kennen, der ein erstaunliches Fachwissen angehäuft hat. Bei seinen Antworten wirkt der frühere stellvertretende JU-Landesvorsitzende allerdings ausgesprochen diplomatisch, etwas ausweichend.
„Nachtreten oder ähnliches ist nicht mein Fall“
(Karlheinz Roth erzählt von seiner Zeit als Rechtspfleger, von der Umstrukturierung der Staatsanwaltschaft München 1, an der er beteiligt war. Außerdem beschreibt er seinen Weg in die Politik, seine Verbundenheit zum Bayerischen Wald. Bei allen Dingen begleitete ihn seinen Aussagen zufolge dieselbe Einstellung)
Es ist wichtig, sich an den Ergebnissen messen zu lassen – und nicht schon vorher darüber zu sprechen und zu loben.
Dann sprechen wir von Tatsachen: Warum haben Sie Ihren zweifelsohne super Job als Rechtspfleger aufgegeben – und entschieden sich, Bürgermeister zu werden?
Gute Frage (lacht). Mir liegt meine Heimat einfach am Herzen. Schon vor meiner Zeit als Bürgermeister habe ich mich aus sozialen Gründen an das Amtsgericht Freyung versetzen lassen – meine Eltern haben meine Unterstützung gebraucht. Die Überzeugung, gemeinsam mit den Leuten in der Region etwas zu bewegen, hat mich schließlich dazu gebracht, als Bürgermeister zu kandidieren.
Ein Amtsinhaber, der nicht alles falsch macht und wieder zur Wahl antritt, gewinnt diese auch – warum haben Sie dann den bisherigen Bürgermeister Josef Luksch vom Thron gestoßen?
Das müssen sie die Wähler fragen, nicht mich (lacht). Ich habe den Wahlkampf immer so verstanden, dass man auf sich selber schauen – und nicht die Mitbewerber irgendwie ausstechen muss. Deshalb haben wir im Vorfeld ein konkretes Programm ausgearbeitet, das jetzt auch nach und nach umgesetzt wird. Wir haben einen engagierten Wahlkampf geführt, der meiner Meinung nach auch gut angekommen ist. Das belegt das hervorragende Wahlergebnis. Nachtreten oder ähnliches ist nicht mein Fall.
Josef Luksch hat dann auch nicht sein Mandat als Gemeinderat wahrgenommen. Enttäuscht?
Das ist eine persönliche Entscheidung, die ich respektiere.
„Wir müssen die Mentalität entwickeln, Überzeugungstäter zu sein“
Seit März sind Sie nun Bürgermeister der Gemeinde Spiegelau. Welche Projekte wurden angestoßen oder sogar schon abgeschlossen?
Wie üblich gibt es Themen, die schneller abgearbeitet werden können – und andere, die etwas länger brauchen. Das liegt in der Natur der Sache. Vor allem im organisatorischen Bereich haben wir schon einige Dinge umsetzen können. Wir haben einen Fokus auf die Gestaltung der Liegenschaften im Ortskern gelegt. So haben wir zum Beispiel den alten Friedhof, das Naturbad und den Mockparkplatz auf Vordermann gebracht sowie die internen Zuständigkeiten für die Pflege der Liegenschaften festgelegt.
Also erst mal Hausaufgaben machen?
Genau. Generell liegt es mir am Herzen, Dinge selber anzupacken anstatt auf einen Heilsbringer von außen zu warten. Wir müssen gemeinsam die Mentalität entwickeln, Überzeugungstäter zu sein.
Das heißt konkret?
Hier fällt mir das neugerichtete Schlaffass-Dorf ein. Hiesige Leute haben sich dort entschlossen, die Region voranzubringen – freilich auch mit unternehmerischen Hintergedanken. Die Marschroute ist die richtige: Wir schaffen Zukunft und Arbeitsplätze mit einer taffen Idee.
Erklären Sie dieses Projekt bitte genauer.
Das Schlaffass-Dorf ist auf dem Gelände des früheren Campingplatzes in Klingenbrunn gebaut worden. Die Familie Heidner hat in dieses Projekt rund 825.000 Euro investiert. Eine sehr interessante Sache mit Vorbildcharakter. Meine Aufgabe hat darin bestanden, die Investoren zu unterstützen – sei des hinsichtlich der Wirtschaftsförderung oder sogar mit eigenen Ideen. Dieses Projekt ist ein touristisches Highlight, ein Alleinstellungsmerkmal.
Interessante Sache.
… und nicht das einzige touristische Groß-Projekt in unserer Gemeinde. Das Hotel Grobauer in Oberkreuzberg investiert über 3 Millionen Euro, es soll eine vier Sterne Anlage entstehen – noch im Oktober soll nach dem Wunsch des Bauherren Baustart sein.
Apropos Investition: Wie ist denn der aktuelle Stand der Dinge in Sachen Windkraftenergie in Klingenbrunn/Wagensonnriegel?
Es haben mehrere Betreiber ihr grundsätzliches Interesse an diesem Windkraftstandort bekundet. Auch haben von Seiten der Bürgerenergiegenossenschaft Freyung-Grafenau bereits eine Informationsfahrt zu einem Windanlagenstandort in Österreich und eine Informationsveranstaltung in Klingenbrunn stattgefunden. In Sachen Wagensonnriegel ist klarstellend auszuführen, dass sich das im Windkraftatlas ausgewiesene Potenzialgebiet über mehrere Gemeinden erstreckt. Im Bereich der Gemeinde Spiegelau sind insoweit ausschließlich Flächen der Staatsforsten betroffen.
Windkraftanlage: „Das ist nicht von heute auf morgen möglich“
Wird die Windkraftanlage kommen?
Unabhängig vom konkreten Standort: Die Realisierung einer Windkraftanlage ist nicht von heute auf morgen möglich. Vielmehr müssen zahlreiche Untersuchungen und ein relativ kompliziertes Verfahren durchlaufen werden. Allein hierfür ist durchaus mit Zeiten von 2 bis 3 Jahren zu rechnen. Aufgrund der Komplexität und noch nicht ausreichend vorhandener valider Daten, das heißt beispielsweise Windmessungen über einen längeren Zeitraum, ist eine seriöse Antwort auf die Frage, ob die Windkraftanlage am Wagensonnriegel kommt oder nicht, zum momentanen Zeitpunkt nicht möglich.
Es rührt sich was in der Gemeinde, keine Frage. Das waren jetzt die positiven Dinge. Wo zwickt’s hingegen, wo drückt der Schuh?
Es gibt da viele Dinge, die mich beschäftigen. Das wichtigste vorweg: Wir wissen von unseren Problemen und nehmen sie in Angriff. Wir warten nicht, bis sie uns überrollen. In den kommenden Jahren haben wir einige Pflichtaufgaben zu erfüllen. Insbesondere im Bereich Wasser- und Abwasserversorgung. Die Infrastruktur und das Leitungsnetz sind marode, muss also unbedingt erneuert werden. Das führt dazu, dass wir derzeit einen sehr hohen Aufwand betreiben müssen, um diese Grundversorgung aufrecht zu erhalten. Kurz und knapp: Altes Rohrnetz, viele Rohrbrüche – neues Rohrnetz, wenig Rohrbrüche.
Ein sichtbares und auch noch in den Köpfen verwurzeltes Problem ist und bleibt die frühere Glasfabrik. Wie ist die Stimmung hinsichtlich dieser Materie?
Der Niedergang der Glashütte hat den Ort schwer erschüttert, keine Frage. Eine entscheidende Frage ist, wie die Politik mit dieser Schließung umgeht. Die traditionelle Glasherstellung an dieser Stelle ist Geschichte, da gibt es wohl keinen Weg zurück – so schwer das vielen fällt. Glücklicherweise läuft das Thema Glas in Spiegelau weiter. Das Technologie Anwender Zentrum, kurz TAZ, ist zwar keine konventionelle Glasproduktion, aber dennoch eine große Chance für die Gemeinde.
Ist der Verlust der Glashütte überwunden?
Das hängt von der individuellen Einstellung der Menschen ab. Es gilt nun, trotz dieser Hiobsbotschaft neue Perspektiven zu entwickeln. Der Glas-Verkauf bleibt erhalten, die früheren Produktionsflächen stehen möglichen Interessenten für Neuansiedlungen zur Verfügung.
Kann zum Beispiel das TAZ ein gleichwertiger Ersatz für die Glasfabrik werden?
Das Anwender Zentrum war die richtige Antwort auf die Schließung – ein 1:1-Ersatz ist es hingegen nicht. Die Forschungsarbeit des TAZ, eine Einrichtung der HDU Deggendorf und der Universität Bayreuth, hat viel Potenzial, ist jedoch etwas vollkommen anderes als die herkömmliche Glasproduktion. Da kann der Informationsfluss durchaus noch besser werden. Deshalb werden wir das TAZ künftig noch besser in die Gemeinderatssitzungen miteinbinden.
Altes Sägewerk: „Dort sehe ich hauptsächlich Existenzgründer“
Ein weiterer Lehrstand in Spiegelau, nämlich das Alte Sägewerk, hat einen Hog’n-Leser beschäftigt. Was kann man aus dieser Handwerks-Ruine machen?
Das Areal, rund 38.000 Quadratmeter, ist offiziell als „Sondergebiet Forschung“ im Flächennutzungsplan ausgeschrieben. Deshalb sehe ich auf diesem Gelände hauptsächlich Existenzgründer sowie technologie- und forschungsorientierte Firmen – eventuell in Zusammenarbeit mit dem TAZ. Momentan ist dort noch eine Industrie-Brache zu sehen, demnächst wird es aber so hergerichtet, dass erkennbar wid, dass sich dort Firmen ansiedeln können.
Die Kultur, die dort früher heimisch war, hat also keine Chance mehr?
Speziell an diesem Ort nicht, nein. Die Fläche ist zu wertvoll dafür, ein solches Sondergebiet in Zentrumslage hat man nicht oft. Hinzu kommt die unmittelbare Nähe zum TAZ. Für die Kultur finden wir andere Standorte, davon bin ich überzeugt. Kultur bedeutet für mich Heimat – neben dem Arbeitsplatz ein wichtiges Argument, um Leute in der Region zu halten.
Was entgegen Sie Jugendlichen, die dann sagen: Für die Wirtschaft ist Platz da, für Kultur und unsere Bedürfnisse nicht?
Gerade die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region kommt den jungen Menschen zu Gute. Was das Jugend-Thema betrifft ist diese Altersgruppe in Zusammenarbeit mit unserem Jugendbeauftragtem auch ein Stück weit selber gefordert. Sie müssen sich einbringen, und dann auch Verantwortung übernehmen. Das betrifft aber nicht nur die Jugendlichen. Generell muss man sich in einer Gemeinde Gedanken machen, wer man überhaupt ist. Nur gemeinsam erreicht man ein positives Bild nach außen.
In anderen Gemeinden ist immer wieder von Grabenkämpfen der einzelnen Ortsteilen zu hören. Wie ist das Miteinander von Klingenbrunn, Oberkreuzberg und Spiegelau?
Zur Vorgeschichte: Klingenbrunn war früher eine eigenen Gemeinde – und Oberkreuzberg. Erst nach dem Zusammenschluss wurde Spiegelau zum Mittelpunkt der Kommune. Natürlich gibt es in den einzelnen Ortsteilen ein hohes Traditionsbewusstsein. Ich sehe das aber durchaus positiv: Aufgrund des Heimatbewusstseins hat sich eine starke Bindung zum jeweiligen Ort und zu unserer Region entwickelt.
„Der Nationalpark Bayerischer Wald ist eine Dachmarke“
Themawechsel: Auch in der Gemeinde Spiegelau spielt das Thema Tourismus eine große Rolle. Was erhoffen Sie sich von der neugegründeten Tourismus GmbH?
Es ist wichtig, sich als Region zu verstehen. Und das kann nur in einer gemeinsamen Struktur stattfinden. Fakt ist, dass viele Touristen nicht wegen eines einzelnen Ortes zu uns kommen, sondern eher wegen dem Gesamtpaket rund um den Nationalpark. Deshalb muss man sich als Region gemeinsam nach außen vermarkten. Mit ein paar Euro, die eine Tourist-Info zu Verfügung hat, kommt man im großen Wettbewerb einfach nicht mehr weiter.
Warum ist eine Stadt wie Grafenau, die „Hauptstadt“ des Nationalparks, nicht bei diesem Konstrukt dabei?
Das müssen sie die dortigen Verantwortlichen fragen. Ich respektiere jede Entscheidung einer anderen Kommunen. Ich schließe es nicht aus, dass sich die Grafenauer irgendwann doch noch anschließen. Als Kämpfer für die Region würde es mich freilich freuen, wenn sie irgendwann mit dabei sind.
Neureichnaus Bürgermeister Walter Bermann erklärte kürzlich im Hog’n-Interview, seine Gemeinde sei zu weit weg vom Nationalpark, die Tourismus GmbH deshalb uninteressant. Hat er Recht?
Ich persönlich würde das Ganze nicht so eng eingrenzen. Der Nationalpark Bayerischer Wald ist eine Dachmarke, die für ein sehr großes Gebiet steht. Es gibt zum Beispiel Wanderwege, die führen vom Nationalpark raus in andere Gemeinden. Für mich ist das alles eine Region – auch historisch, wir gehören alle zum früheren Böhmerwald. Wird die GmbH ein Erfolgsmodell, werden sich noch einige Anträge kommen.
Abschließende Frage: Wo steht die Gemeinde Spiegelau in zehn Jahren?
Ich hoffe natürlich, dass wir uns in allen Bereichen weiterentwickeln. Wie sich das konkret abzeichnet, werden wir sehen.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die Zukunft
Interview: Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer