Freyung. Kann Lernen auch mit Freude verbunden sein? Ja, soll es sogar! Davon sind Alexandra Mager (45) und Marion Claus (54) fest überzeugt. Mit der Aktionsgemeinschaft Lernlust wollen sie einen neuen Weg im oft dornigen Dickicht des Lernens aufzeigen. Der Schulalltag und auch schon die Kindergartenzeit sprechen Bände: Lernen wird hier allzuoft mit Müssen, Erwartungs- und Leistungsdruck in Verbindung gebracht. Individualität? Spielraum? Zeit? Fehlanzeige.
Noten, Standards, Lehrpläne vermiesen die Freude am Lernen und die angeborene kindliche Neugierde. Auf Neigungen wird keine Rücksicht genommen, Interessen werden ignoriert. Eltern, Kindergartenpersonal und Lehrer fordern und vergessen allzu oft zu fördern. Die Aktionsgemeinschaft Lernlust will dem nun entgegensteuern – und einen gleichnamigen Verein gründen. Die Initiatorinnen sprechen im Hog’n-Interview über ihre Ziele, Überzeugungen und eigenen Erfahrungen…
Claus: „Die alten Lernmethoden haben ausgedient“
Was hat Euch denn dazu gebracht, die Aktionsgemeinschaft Lernlust ins Leben zu rufen?
Marion Claus: Es ist ein Trend, der nun schon seit 20 Jahren zu beobachten ist. Die alten Lernmethoden haben ausgedient. Das Miteinander ist eigentlich der richtige Weg. Der Grundgedanke ist der, dass sich die Schüler nicht nur Wissen aneignen sollen, sondern können. Viele unserer Thesen stammen aus dem Buch ‚Lernlust‘ von Gerald Hüther – das ist unsere Arbeitsgrundlage.
Alexandra Mager: Ich habe vor ein paar Jahren ein Zweitstudium begonnen: Lehramt Hauptschule. Dabei habe ich bemerkt, dass es mit der Motivation der Schüler teils ziemlich schlecht ausschaut. Das hatte ich so nicht erwartet. Ich habe mich dann offen gestanden nicht getraut, ins Referendariat zu gehen und die Erwartungen zu erfüllen, die die Schule und das Ministerium an mich gestellt hätten.
Gleich nach dem Studium war mir klar: Ich möchte was am System ändern. Nur wusste ich noch nicht, wie. Ich fing mit kleinen Projekten im Kindergarten an, habe unter anderem ein Vorschulprojekt namens ‚Lautwahrnehmung‘ zusammengestellt, das auch schon mal vom Hog’n vorgestellt wurde. Und dann hab ich mir einen Überblick darüber verschafft, was man in dieser Richtung alles machen kann.
„Es geht um die Anwendung von Wissen, nicht die Vermittlung“
Marion Claus: Im Internet wird man schnell fündig – Bildung und lebenslanges Lernen sind die Themen der Zukunft. Weniger junge Menschen als früher gehen heute zur Schule. Da macht man sich Gedanken darüber, was diese jungen Menschen brauchen, um im späteren Berufsleben eine Befähigung zu haben. Dabei geht es nicht um Wissensvermittlung – Wissen kann man sich heute überall und jederzeit beschaffen. Es geht um die Anwendung des Wissens. Momentan ist der benötigte Paradigmenwechsel noch nicht erfolgt. In den Schulen wird noch viel Wissen vermittelt und entsprechend abgefragt – zwei Wochen später ist wieder alles vergessen.
Mittlerweile gibt es viele Ansätze, das zu ändern. Im September ist in Berlin der Vision Summit veranstaltet worden – weitere wichtige Themen sind auf der Seite www.bildungsstifter.de zu finden. Diese beschäftigen sich im Beonderen damit, junge Menschen bei ihren Fähigkeiten abzurufen. Es wird davon ausgegangen, dass jeder irgendetwas gut kann. Doch eine Gleichmacherei macht nicht viel Sinn. Es geht darum, die Edelsteine ans Licht zu bringen. Außerdem sollten wir weniger über den IQ und mehr über den WeQ reden. Im Wir, im Team, in der Bündelung von Kompetenzen verschiedener Menschen, soll das gesteckte Ziel erreicht werden. Das Miteinander ist wohl das Thema der Zukunft.
Warum tut sich denn nichts in unserem Bildungssystem?
Marion Claus: Es gibt an der ein oder anderen Stelle bereits ein Umdenken. Praktisch kann ich persönlich das jedoch nicht so gut beurteilen – unser jüngster Sohn ist mittlerweile auch 25. Der war im Internat, wo es sowieso ganz anders zuging. Er hat eine internationale Schule in Tschechien, in Hluboka besucht. Ich habe mittlerweile ein Enkelkind, weshalb mir das Thema so wichtig ist. Zumindest die zukünftigen Generationen sollen in der Schule nicht mehr diese Frustration erleben. Man will ja fürs Leben lernen – diese natürliche Neugierde gilt es zu erhalten. Ich selbst habe in der Schule die Erfahrung gemacht, dass die Neugierde beiseite geschoben wird. Der natürliche Impuls, wissen, erfahren, begreifen wollen – das ist der Urinstinkt zum Lernen. Wenn man das fließen lassen würde, ginge viel mehr.
„Lehrer haben durch Vorgaben des Ministeriums keinen Spielraum“
Marion Claus: Lehrer haben durch die Vorgaben des Kultusministeriums keine Spielräume mehr. Ich kenne Lehrer, die viel mehr Initiative zeigen möchten und viele gute Ideen haben. Gerade jüngere Lehrkräfte sind total motiviert. Durch das enge Korsett des Lehrplans ist diese Energie jedoch schwer in die Tat umzusetzen. Eine Direktorin hat’s aber doch vorgemacht, wie’s gehen könnte – Margret Rasfeld ist mit ihrer Schule in Berlin ganz neue Wege gegangen. Der Gedanke: Rausgehen und machen, selber begreifen. Die Schüler lernen nicht nur Theorie, sondern gehen in die Praxis über. Dieses Projekt ist absolut erfolgreich.
Alexandra Mager: Man könnte diese Schüler dafür gewinnen, auch zu uns zu kommen und zu erzählen, wie das bei ihnen abläuft. Auch in der bayerischen Gesetzgebung gibt es die Möglichkeit, jederzeit einen Schulversuch zu machen, bei dem das Berliner Modell erprobt werden könnte.
Marion Claus: Wir sind uns dessen bewusst, dass wir die Schulen nicht komplett umkrempeln können. Unser Verein Lernlust e.V. – der noch zu gründen ist – soll informieren, ein Bewusstsein dafür schaffen, dass in Zukunft ein anderes Lernen notwendig sein wird und viel mehr den menschlichen Bedürfnissen entsprechen muss. Auch als Lehrer muss ich mich ein Leben lang fortbilden. Ein Lehrer lehrt ja viel kreativer, wenn er das lehren darf, was ihn interessiert. Wir verstehen unser Angebot mehr additiv. Wir möchten die Schüler unterstützen, indem wir in den Pausen etwa Sing- oder Tanzeinheiten anbieten, was den Schulalltag etwas lockerer machen soll. Die Freude am Lernen ist ein großer Antriebsmotor. Das kommt auch den Lehrern zugute. Das ist unser Ziel – wenngleich es auch ein langer Weg sein wird. Wenn man über bereits funktionierende Dinge aufklärt, entsteht ein Bewusstsein. Wir hoffen, dass sich uns noch mehr Leute anschließen…
Der Film „Alphabet“ zeigt die Probleme des zeitgenössischen Bildungssystems auf:
„Schulen sollen vom reinen Leistungsdenken wegkommen“
Sie wollen also nicht direkt am Bildungssystem ansetzen, sondern von außen etwas bewirken?
Alexandra Mager: Unsere Angebote werden ohnehin nur dann angenommen, wenn bereits ein gewisses Umdenken stattgefunden hat. Wir wollen die Schulen dazu bewegen, vom reinen Leistungsdenken wegzukommen. Das Regionalmanagement will uns dabei unterstützen und Termine an die Schulen weiterleiten, wenn wir konkrete Projekte oder Vorträge anbieten. Unsere Vorschläge wurden jetzt auch vom Landkreis zum Thema Bildungsregion angenommen.
Marion Claus: Ebenfalls zu erwähnen ist der Film ‚Alphabet‚ von Erwin Wagenhofer. Der ist ein Meilenstein zur Thematik. Darin kommen viele Grundgedanken vor, in welche Richtung Bildung zukünftig gehen muss. Es ist erstaunlich, was durch wissenschaftliche Erkenntnisse ans Licht gebracht wird. Wir haben übrigens den im Film vorkommenden Neurologen Gerald Hüther gefragt, ob er einmal zu einem Vortrag kommen würde. Er hat sich positiv dazu geäußert. Wir brauchen mehr Öffentlichkeit und Menschen, die sich mit uns für die Sache einsetzen wollen.
Theoretisch und wissenschaftlich ist ja klar, dass es so nicht weitergehen kann – praktisch tut sich aber wenig. Warum?
Marion Claus: Weil bisher wenige praktisch ausprobiert haben, wie es anders sein könnte. Diejenigen, die den Mut hatten, sind allerdings sehr erfolgreich.
Glauben denn die Leute, dass man mit alternativen Bildungswegen in unserem sehr egozentrisch ausgerichteten Wirtschaftssystem erfolgreich bestehen kann?
Alexandra Mager: Da findet eine Weiterentwicklung statt. Es geht von einer Ich-schaft zu einer Wir-tschaft. Im Forum ‚Nachhaltiges Wirtschaften‘ lässt sich das gut beobachten. Das sind zunächst nur kleine Inseln in ganz Deutschland – aber es breitet sich aus.
„Wenn die Betriebe gescheite Leute wollen, müssen sie in Bildung investieren“
Im Landkreis Freyung-Grafenau gibt es kaum alternative Bildungseinrichtungen. Woran liegt das?
Marion Claus: Es ist vielmehr die Frage, ob die bestehenden Einrichtungen für neue Ideen offen sind. Man muss das Rad nicht neu erfinden. Es braucht Leute, die bereits erfolgreiche Projekte multiplizieren. Das ist unser Job. Am liebsten würden wir das Buch „Lernlust“ bei Informationsveranstaltungen verschenken. Es wäre wunderbar, wenn es einen Sponsor geben würde …
Alexandra Mager: Da sind die Betriebe angesprochen. Wenn die gescheite Leute haben wollen, müssen sie in Bildung investieren. Auch das wird übers Regionalmanagement laufen. Im nächsten Schritt wollen wir Leader-Mittel beantragen.
Marion Claus: Dann können wir konkret werden und zum Beispiel Waldtage organisieren, um die Kindergärten zu entlasten.
„Soft skills werden in der Schulzeit abtrainiert“
Alexandra Mager: Dazu brauchen wir zusätzliche Kräfte, damit die Gruppen kleiner werden können. Warum sich bisher noch niemand geöffnet hat, liegt an einem Informationsdefizit. Wir alle sind so beschäftigt – da neigt man dazu, einseitig zu werden. Ich hab auch schon mit Schulrat Werner Grabl gesprochen, der sich unsere Ideen eher an privaten Schulen vorstellen kann. Sogar ihm war nicht bewusst, dass unser Denken eine ganz aktuelle Entwicklung ist.
Marion Claus: Immer wieder hört man davon, dass die Unternehmen mit dem Bildungsstand der Schulabgänger nicht zufrieden sind. Es klafft eine Lücke zwischen dem, was die Betriebe fordern und dem, was die Schüler können. Dabei geht es nicht um die fachlichen, sondern um die menschlichen Komponenten, die soft skills. Interessanterweise werden die in der Schulzeit eher abtrainiert. Junge Leute können sich nicht mehr selbst organisieren – das ist aber nach der Schulzeit in Ausbildung und Studium erforderlich. Meine Schulzeit ist schon 40 Jahre her, aber damals hab ich mir schon Gedanken gemacht, warum die Schule so ist, wie sie ist. Unser Schulsystem ist an die 150 Jahre alt. Seit Beginn des Industriezeitalters wurden junge Menschen so ausgebildet, dass sie später als Erwachsene als Befehlsempfänger funktionieren. Allerdings ändert sich die Wirtschaft jetzt schon seit 50 Jahren… Es geht immer mehr weg von der Industrie hin zur Dienstleistung. Und da sind soft skills wichtig.
Warum hinkt denn das Bildungssystem so stark hinterher?
Alexandra Mager: Es geht um eine Bewegung, die von unten heraus kommen muss. Die kann man nicht von oben her verordnen. Das geht nicht.
„Die Zukunft ist die Bürgergesellschaft“
Marion Claus: Das Problem gibt es ja schon lange. Die Leute denken immer noch, dass die alten Machtstrukturen funktionieren. Einer sagt, wo es lang geht – alle anderen laufen wie die Herde hinterher. Das ist ja auch in der Politik noch so. Aber das ist nicht die Zukunft. Die Zukunft ist die Bürgergesellschaft, die breite Masse, die selbstständig denkt und handelt und sich in Interessensgruppen zusammenschließt. Solche Prozesse dauern Jahrhunderte. Dennoch tut es Not, jetzt die Möglichkeiten auszuloten. Das ist der erste Schritt. Ich glaube nicht, dass ich noch einen kompletten Bildungsumschwung erlebe – aber meine Kinder und Enkel vielleicht.
In den Familien herrscht noch das Denken vor: Wenn Du in der Schule nicht gut bist, keine guten Noten hast, wirst Du mal nichts…
Alexandra Mager: Ja, das ist noch in vielen Familien so. Und da muss man auch ansetzen: Schon im Kindergarten muss mit den Eltern gearbeitet werden.
Marion Claus: Die Kinder werden schon so früh entmündigt – nach dem Motto: Du tust das, was ich Dir sage. Und auch, wenn sich das Kind daheim frei entfalten darf – spätestens in der Schule ist das hinfällig.
Alexandra Mager: Ich glaube, dass es in den Elternhäusern schlimmer zugeht als in der Schule. Und: Die heutige Jugend lässt sich eh nichts mehr sagen.
Wer ist denn „die heutige Jugend“?
Alexandra Mager: Die 15-, 16-Jährigen.
Die wurden aber auch vom bestehenden System geprägt?
Alexandra Mager: Schon. Aber sie kompensieren das, was sie aushalten müssen, in der Freizeit.
„Viele junge Menschen wissen nicht, was sie nach der Schule machen wollen“
Durch Drogen und Alkohol…?
Alexandra Mager: Ja, genau. Damit teilen sie uns mit: Es stimmt was nicht. Leider hat den Zusammenhang noch kaum einer erkannt.
Marion Claus: Mir ist aufgefallen, dass junge Menschen nicht wissen, was sie nach der Schule machen wollen. Sie wissen aber doch schon Jahre vorher, wann ihre Schulzeit endet. Für mich ist das ein Indiz, dass sie charakterlich nicht reif sind. Sie hatten keine Chance, sich selbst zu entdecken. Das ist tragisch. Das ist auch volkswirtschaftlich unsinnig.
Und die Gesellschaft sagt: Selbst schuld?
Marion Claus: Es ist bequem, ihnen die Schuld zuzuschieben. Entweder die jungen Leute entscheiden sich, genauso Mitläufer zu werden, machen eine super geradlinige Karriere und sind mit 30 ausgebrannt und denken sich: Ist das jetzt der Sinn des Lebens? Oder sie gehen schon von Anfang an einen anderen Weg, wissen, wer sie sind, was sie können, was sie wollen. Das ist sinngebend.
Also soll man im Kindergarten die Jüngsten nicht schon mit der ersten Fremdsprache belasten, sondern eher weichere Kompetenzen vermitteln?
Marion Claus: Lernlust heißt ja nicht nur, zu lernen, worauf man Lust hat. Es gibt Grundkompetenzen, die jeder lernen muss. Aber mit Lust. Mit Lust lerne ich dann, wenn es mich interessiert.
Sind alternative Schulformen die bessere Wahl?
Marion Claus: Ich glaube, es kommt immer auf die Personen an – auf den Lehrer, auf die Integrationsfigur, die die Schüler mitnimmt und annimmt. Es gab ja schon immer gute Lehrer, die an ihre Schüler geglaubt haben – das ist nichts anderes als Ermutigung. Wenn man nur Stoff vermitteln will, ist das entmutigend.
„Die Lehrer sind selbst entmutigt“
Die Lehrer stehen immer zwischen den Stühlen…
Marion Claus: Die Lehrer möchten auch entspannter lehren. Sie haben wahrscheinlich auch nicht die „richtige“ Pädagogik gelernt.
Alexandra Mager: Jede Pädagogik ist richtig – aus jeder kann man etwas ziehen. Der Hauptfehler ist die Fixierung. Auch das ist ein Informationsdefizit.
Und die Aussicht auf Verbeamtung steht den eigentlich guten Lehrern auch im Wege…
Marion Claus: Es geht gar nicht um Revolution. Sondern um das Selbstverständnis „Ich bin Lehrer – was will ich, was möchte ich bei meinen Schülern erreichen?“ Als Lehrer muss man es verstehen, die Kinder aufs Leben vorzubereiten.
Und was genau hält die Lehrer davon ab?
Marion Claus: Sie sind selbst entmutigt. Wenn man frustriert ist, kann man es aber lernen, den Weg der Ermutigung zu gehen. Das hat fast ein bisschen was von Buddhismus. Es hat mit Sinngebung zu tun. Jeder Mensch lebt besser, wenn er in Frieden und in Freude lebt. Ist das nicht so, gebe ich meinen inneren Mist tagtäglich weiter.
Alexandra Mager: Oder ich mache viel zu viel und bekomme Burn-Out. Die Lehrer brauchen Erleichterung und Hilfen zur Hand. Wissensvermittlung kann auch anders stattfinden.
„Man sollte nach Neigung, nicht nach Eignung selektieren“
Dann sind Prüfungen und Noten hinfällig?
Marion Claus: Das ist das Problem. Noten sagen nichts darüber aus, ob jemand eine Kompetenz erworben hat. Ich sehe den Zwiespalt schon, in dem sich Lehrer befinden. Aber ich sehe auch den Weg, wo die Reise hingehen muss.
Alexandra Mager: Momentan wird noch nach Eignung selektiert – aber man sollte mehr nach Neigung selektieren. Nach der Grundschule sollte man die Schüler, die handwerklich interessiert sind, auf die Mittelschule schicken – und die, die lieber wissenschaftlich arbeiten, aufs Gymnasium – und die kaufmännisch interessierten Kinder auf die Realschule. Und jeder Weg kann trotzdem zum Abitur führen, wenn gewünscht.
Also lehnt Ihr das dreigliedrige Schulsystem nicht ab?
Alexandra Mager: Das ist schon brauchbar. Man braucht ja eine Spezialisierung.
Marion Claus: Wenn sich die Kinder von Anfang an ausprobieren dürfte – dann könnten sie ihre Befähigungen auch entdecken. Oft sind die Elternhäuser aber im Defizit. Keiner hat Zeit und Lust, aber Angst. Daraus resultieren Verbote und gut gemeinte Ratschläge. Auch da gilt es, ein Bewusstsein zu schaffen. Eltern müssen ihre Kinder alleine ihre Erfahrungen machen lassen. Ohne Benotung und Bewertung.
Wir kann demnach ein Schultag laut der „Lernlust-Methode“ ausschauen?
Alexandra Mager: Ungefähr so, wie es an der Montessori-Schule läuft. Jedes Kind darf selbst bestimmen, womit es sich beschäftigt. Und dann gibt es wieder Zeiten, in denen man gemeinsam was macht – auch in Form von Frontalunterricht. In diese Richtung geht unsere Vorstellung.
„Ewiggestrige werden und wollen wir nicht erreichen“
Toller Ansatz – aber ist das auch umsetzbar? Schwierig, das dem Schulsystem zuzutrauen…
Alexandra Mager: Vielleicht läuft es darauf hinaus, dass es mehr Privatschulen geben muss.
Marion Claus: Nochmal: Die Lehrer sind nicht unsere erste Zielgruppe. Uns geht es um offene Menschen, die sich über neue Bildungskonzepte informieren wollen. Ewiggestrige werden und wollen wir nicht erreichen. Auch der Druck der Wirtschaft kann wirksam sein – wenn andere Kompetenzen verlangt werden, wird sich da schon was tun. Es ist ja im eigenen Interesse, sich gezielt auf den Markt vorzubereiten.
Was nochmal wollt Ihr ganz konkret machen?
Alexandra Mager: Wir wollen in den Schulen Vorträge halten, Filme zeigen.
Marion Claus: Wir wollen Pionierarbeit leisten. Vor einigen Jahren habe ich dem Kaspar Sammer vorgeschlagen, den Langstadel für ein Experimentarium zu verwenden. Die Idee wurde positiv aufgenommen, hat sich dann aber verlaufen.
Viele Leute werden es so sehen, dass Ihr mit Euren Gedanken Arbeitsplätze gefährdet…
Alexandra Mager: Das glaube ich nicht. Gebraucht wird jeder.
Marion Claus: Und selbst, wenn man auf Lehrerseite nicht so viel ausrichten kann, können wir die Schüler erreichen, die wissen wollen, was zukünftig verbessert werden kann.
Das setzt aber die geistige Reife eines Erfahrenen voraus… Es geht um die Fähigkeit, zu erkennen. Schüler sind ja irgendwo konditionierte Tiere.
Marion Claus: Aber die Schüler sind unzufrieden – eine große Motivation, etwas zu ändern. Für mich wäre es schon ein Erfolg, wenn sich die Leute mit der Thematik auf bildungsstifter.de beschäftigen würden. Und: Die Idee des wertfreien Malens wäre doch auch mal was für Freyung…
Interview und Fotos: Eva und Stephan Hörhammer
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