Waldkirchen. Die Baubranche boomt, das Handwerk hat wieder goldenen Boden. Dieser Eindruck ist nicht von der Hand zu weisen. Trotz dieser erfreulichen Nachrichten gibt es aber auch einige Dinge, die den Handwerksbetrieben in der Region bitter aufstoßen. Der demografische Wandel, verbunden mit einer rückläufigen Zahl an Schulabgängern zum Beispiel. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ spricht Rita Herzig, Chefin der gleichnamigen Waldkirchener Heizungsbaufirma Herzig GmbH, über die Probleme der Branche, über die Themen Ausbildung und Bewerbung sowie die Frage, an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, damit die Ausbildungschancen im Bayerischen Wald wieder steigen. I mog wos wean!
„Überwiegend Bewerber aus den Landkreisen FRG und Passau“
Frau Herzig: Bitte beschreiben Sie unseren Lesern kurz Ihren Betrieb.
Wir sind ein mittelständischer Handwerksbetrieb mit 40 qualifizierten Mitarbeitern. Die Bereiche Heizung, Solar, Lüftung, Klima, Sanitär und Bäder werden von uns komplett abgedeckt. Wir bieten für derzeit alle technisch ausgereiften Energiearten eine Lösung im Bereich Haustechnik. Anfang 2015 präsentieren wir unseren Firmensitz und unsere Bäderausstellung in Waldkirchen in modernem, neuen Design.
Welche Ausbildungsberufe bieten Sie an?
Wir bilden in unserem Betrieb zum Bürokaufmann bzw. zur Bürokauffrau, zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs-, und Klimatechnik sowie zum Technischen Zeichner für Sanitär-, Heizungs-, und Klimatechnik, der heute als Technischer Systemplaner bezeichnet wird.
Wie viele Azubis haben Sie derzeit in Ihrer Firma beschäftigt?
Wir haben derzeit sechs Auszubildende in unserem Betrieb.
Mit welchen Abschlüssen bewerben sich die Schulabgänger bei Ihnen?
Hauptsächlich mit dem Qualifizierenden Hauptschulabschluss und mit Mittlerer Reife.
Gibt es mehr männliche oder gibt es mehr weibliche Bewerber?
Es bewerben sich meist männliche Jugendliche, für den Bereich Technischer Zeichner haben wir aber auch schon weibliche Mitarbeiterinnen ausgebildet. Das kommt auch weiterhin für uns in Frage.
„Dass unser Beruf zu anstrengend wäre, hören wir selten“
Kommen die Bewerbungen ausschließlich aus der Region?
Ja, definitiv. Wir bekommen überwiegend Bewerbungen aus den Landkreisen Freyung-Grafenau und Passau.
Man hört immer, dass die Anzahl der Bewerbungen zurückgeht. Stimmt das?
Die Anzahl der Bewerbungen geht zurück, ja das ist richtig.
Woran liegt das? Sind Handwerksberufe vielleicht nicht mehr so gefragt?
Ich glaube nicht, dass Handwerksberufe nicht mehr gefragt sind. Die Anzahl der Schulabgänger an den Hauptschulen ist jedoch rückläufig – und im Bereich Anlagenmechaniker war das bisher unsere Hauptzielgruppe.
Was antworten Sie denjenigen Schulabgängern, die behaupten „Ein handwerklicher Beruf ist mir zu anstrengend“ oder „Damit kann ich kein Geld verdienen“?
Dass unser Beruf zu anstrengend wäre, hören wir selten. Ein Azubi, der bei uns gute Arbeit leistet, wird übertariflich bezahlt. Das hängt von seinen Leistungen in der Schule und im Betrieb ab.
Wenn Sie 20 Jahre in die Vergangenheit blicken: Was hat sich in Ihrer Branche in Sachen Ausbildung alles getan, was hat sich verändert?
Die Anforderungen, vor allem an den berufsbegleitenden Schulen, sind gestiegen. Die Azubis bekommen nicht nur umfangreiches Wissen zu den Themen Heizung, Sanitär und Klima vermittelt, sondern auch im Fachbereich Elektronik. In der Praxis ist das ähnlich, die Leistungen sind umfangreicher geworden. Das erfordert mehr Flexibilität. Die schnelle technische Entwicklung setzt ständige Weiterbildung voraus. Die Azubis erhalten mittlerweile im Betrieb Persönlichkeitsschulungen, die auf den ständig steigenden Anspruch des Kunden zurückzuführen sind. Hierbei geht es um Umgangsformen, Sauberkeit und Freundlichkeit.
„Es liegt immer am Einzelnen, was er aus sich macht“
Was könnte aktuell an der Ausbildungssituation in Ihrem Handwerkszweig verbessert werden?
Vielleicht sollte man eine Art duales System – ohne Studium – einführen. Eine Ausbildung, die für Schulabgänger mehr Wertigkeit darstellt, ähnlich dem Handelsfachwirt.
Hat es der Bayerische Wald in Bezug auf Ihr Handwerk schwerer als woanders in Deutschland?
Ich denke nicht, dass es der Bayerische Wald schwerer hat als andere Regionen. Wir sprechen viel mit Kollegen aus ganz Deutschland – überall gibt es die gleichen Probleme.
Werden die Schüler in unseren Breitengraden heutzutage eigentlich gut genug auf die Berufswelt vorbereitet?
Die Schüler werden in der Regel sehr gut durch die Schulen und das Elternhaus auf die Ausbildung vorbereitet. Es liegt jedoch immer am Einzelnen, was er aus sich macht. Man muss kein Einser-Schüler sein, um ein guter Handwerker zu werden.
Wie ist es um die soziale Kompetenz der heutigen Bewerber bestellt?
Das kann man pauschal nicht beantworten, ist vom jeweiligen Typ abhängig. Viele wirken aufgeschlossener als früher und haben es durch unsere umgänglichen Mitarbeiter einfacher, zum Beispiel ihre Teamfähigkeit zu entwickeln.
„Eine finanzielle Stütze für Ausbildungsbetriebe wäre traumhaft“
Was sollte ein Schüler mitbringen, der eine Ausbildung bei Ihnen beginnen möchte?
Wir erwarten von unseren Azubis Zuverlässigkeit, Leistungsbereitschaft, Teamfähigkeit, anständige Umgangsformen und gute Laune.
An welchen Stellschrauben muss gedreht werden, damit im Bayerwald die Ausbildungschancen wieder steigen?
Es könnte beispielsweise für den Azubi ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, der den Unterschied zu einer Ausbildung bei der Industrie ausgleicht. Wie schon erwähnt wäre ein duales Ausbildungssystem ähnlich dem Handelsfachwirt sinnvoll. Außerdem wäre eine finanzielle Unterstützung für Ausbildungsbetriebe traumhaft.
Frau Herzig, vielen Dank für das interessante Gespräch und weiterhin alles Gute für die Zukunft.
Interview: Stephan Hörhammer