Freyung/Ebersberg. Charlotte Liepelt? Kennen Sie nicht? Aber das ist doch die, die Leute gerne zum Lachen bringt. Nein? Aber vielleicht sagt Ihnen ja der Name „Brunhilde Würschtl“ oder „Adelgunde Hupfauer“ etwas. Unter diesen Pseudonymen ist die gebürtige Freyungerin nämlich seit vielen Jahren in Krankenhäusern und Seniorenheimen zwischen Regensburg, Straubing und Deggendorf als Klinik-Clown unterwegs.
Nach dem Abi am Gymnasium Freyung hat sie nach einer Ausbildung zur Buchhändlerin Theaterwissenschaften in Erlangen sowie Kostümdesign in Hamburg studiert. Heute wohnt sie mit ihrer Familie in Ebersberg. Seit 15 fast Jahren ist sie nun als selbstständige Künstlerin im darstellenden Bereich tätig, tritt mit selbst entwickelten und oft individuell zugeschnittenen Stücken auf Hochzeiten, Geburtstagen, aber auch in Schulen und bei Firmenfeiern auf. Im Gespräch mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ berichtet die 47-Jährige über ihre Arbeit als Klinik-Clown, ihre schönsten und bewegendsten Momente in dieser Rolle, sowie ihre Auftritte mit den „Clowns ohne Grenzen“ in Sri Lanka.
„Manchmal ernten wir schallendes Gelächter, manchmal ein Lächeln“
Charlotte: Erzähl uns bitte kurz, wie ist es dazu gekommen ist, dass Du als Clown in Kliniken und Krankenhäusern auftrittst?
Ich habe lange Jahre im Regensburger Raum mit mehreren Künstlern zusammengelebt und gearbeitet, von denen einer bereits als Klinik-Clown unterwegs war. Was er von dieser Arbeit erzählte, hat mich so sehr fasziniert, dass ich die nächste Gelegenheit wahrgenommen habe, um mich bei einem Casting vorzustellen … eine sehr gute Entscheidung für mich! Ich wurde gleich ‚genommen‘ – und bin seither glücklich, diese Arbeit in einem so professionellen Umfeld, dem Klinik-Clowns Verein Bayern e.V., machen zu können.
In welchen Orten und Einrichtungen bist Du hauptsächlich unterwegs?
Meine regelmäßigen Auftritte finden in Regensburg in der Kinder-Uniklinik ‚Kuno“, im Altenheim in Landau, im Altenheim St. Nikola in Straubing und im Klinikum in Deggendorf statt.
Wie kann man sich Deinen Besuch in einer Klinik oder einem Seniorenheim vorstellen? Was machst Du dort genau?
Meine Auftritte finden immer im Duo mit einem zweiten Clown statt. Wir besuchen Kinder und Senioren genau da, wo sie gerade sind. Das heißt: In ihren Krankenzimmern oder Wohnräumen im Altenheim, aber auch in Aufenthalts- oder Spielbereichen. Wir versuchen mit großer Aufmerksamkeit und Empathie auf die augenblickliche Situation einzugehen, immer mit dem Augenmerk darauf, was für diesen Menschen grade notwendig ist. Nie wissen wir im Vorhinein, wenn wir vor einer Zimmertür stehen, welche Geschichte sich dahinter verbergen wird. Das Improvisationsthema für unsere Szenen findet sich immer im Augenblick der Begegnung mit den Menschen.
Das ist natürlich nur dadurch möglich, dass in unserem Verein ausschließlich professionelle Künstler agieren, die genau dazu in der Lage sind. Manchmal ‚ernten‘ wir in einer Clownsszene schallendes Gelächter, manchmal ist es aber auch ein kleines Lächeln. Je nachdem, in welchem Zustand sich die kleinen Patienten und Senioren gerade befinden. In jedem Fall ist es unser Ziel, das Zimmer dann zu verlassen, wenn sich das Energieniveau in eine positive Richtung verändert hat.
„… weil jedem Menschen in belasteter Situation ein Lachen gut tut“
Versuchst Du ausschließlich Kindern und Senioren ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern – oder auch „normalen“ Erwachsenen?
Wir besuchen seit vielen Jahren nicht nur Senioren in ihren Wohnheimen, sondern auch Erwachsene in unterschiedlichen Lebensaltern – weil jedem Menschen in belasteter Situation ein Lachen gut tut. Viele der alten Leute warten Woche für Woche schon im Eingangsbereich ihrer Häuser, um uns nur ja nicht zu verpassen. Sie berichten von der Freude, die sie an und mit uns empfinden, von der Sehnsucht, die sie manchmal nach uns und unseren Besuchen haben – und sie sind immer gespannt auf unsere Geschichten. Inzwischen fragen immer mehr Kliniken bei uns an, ob wir auch auf Erwachsenenstationen agieren können, weil sich die Erkenntnis einfach durchsetzt, dass die Entspannung, die man durch Lachen erfährt, Heilungsprozesse beschleunigen kann.
Ist es nicht manchmal anstrengend für Dich als Clown immer gut drauf zu sein bzw. gut drauf sein zu müssen? Oder gehörst Du zu den Frohnaturen, die eh stets mit einem Lachen durchs Leben gehen?
Selbstverständlich muss man eine gewisse Veranlagung mitbringen, um als Clown arbeiten zu können. Der viel größere Anteil aber ist tatsächlich Technik und Knowhow. Ich habe bei den unterschiedlichsten Clownslehrern gelernt, mit künstlerischen Mitteln so zu agieren, dass ich in dem Augenblick, in dem ich ‚auf Sendung‘ bin, meinen privaten Alltag komplett ausblenden kann … so wie es schließlich jeder Schauspieler auch tun muss. Und ganz ehrlich: Es ist mir auch schon passiert, dass ich an ’schlechten Tagen‘ nach einem Clownsauftritt selbst die Dinge wieder viel leichter nehmen konnte, als vorher…
„Tränenüberströmt vor Rührung lag der alte Mann in seinem Bett“
Charlotte: Was waren Deine schönsten, was Deine traurigsten Momente als Klinik-Clown?
Einer meiner schönsten Momente war die Begegnung mit einem Jungen, der nach einem halben Jahr Klinikaufenthalt und etlichen schweren Operationen endlich nach Hause gehen durfte. Er zeigte uns noch einmal ganz stolz seine verheilte Narbenlandschaft auf dem Bauch. Wir feierten eine clowneske Freudenparty und schließlich liefen ihm die Tränen über das kleine Gesicht, als er sagte: ‚Aber eins ist ganz furchtbar blöd daran, dass ich jetzt heim darf… nämlich, dass ich Euch dann nicht mehr sehen werde.‘ Er hat uns dann tatsächlich noch ein- zweimal an unserem regelmäßigen Spielnachmittag in der Klinik besucht, um uns nicht ganz zu verlieren…
Der ergreifendste Moment war sicherlich der Abschied von einem alten Herrn im Altenheim. Er hatte unsere Besuche oft dazu benutzt, uns von seinen Konzertbesuchen als Mozartexperte zu berichten – und nicht selten betont, was für schlechte Sängerinnen er im Laufe der Zeit erlebt hätte. Als er langsam schwächer wurde, erwähnte er, dass es sein größter Wunsch wäre, noch einmal die ‚Abendempfindung‘ von Mozart zu hören. Im Überschwang ließ ich mich in meiner Rolle als Adelgunde dazu hinreißen, ihm genau dies zu versprechen. Die folgenden vierzehn Tage verbrachte ich damit, mir das anspruchsvolle Abschiedslied eines Menschen aus dem Leben für Akkordeon umzuschreiben – und zu üben.
So aufgeregt wie selten war ich, als ich ihm bei unserem nächsten Besuch das gewünschte Lied vortrug. Tränenüberströmt vor Rührung lag der alte Mann in seinem Bett und konnte es kaum fassen, was er zu hören bekam. Bei unserem nächsten Besuch war er gestorben – und seither benutze ich das Lied, wenn wieder einmal einer ‚meiner Senioren‘ gegangen ist, um zu Hause für mich ganz persönlich Abschied zu nehmen…
Du warst auch schon für „Clowns ohne Grenzen“ in Sri Lanka unterwegs – erzähl uns bitte kurz darüber. Was hast Du dort erlebt?
Ich war zweimal in Sri Lanka im ehemaligen Kriegsgebiet, in Gegenden, die vom Tsunami völlig zerstört wurden, in Flüchtlingslagern und Weisenhäusern, zusammen mit drei Clownskollegen auf der Reise. Bei dieser Arbeit bereiten wir eine fertige, rund einstündige Show vor, die wir dann an bestimmten Auftrittsorten spielen. Bis zu dreimal täglich treten wir auf – und es ist jedes Mal unfassbar, welche Reaktionen wir dabei auslösen. Kinder, die nach Aussagen der betreuenden Personen teilweise Jahre lang nicht mehr fröhlich waren, weil sie ihre Eltern oder eigene Körperteile verloren haben, kringeln sich plötzlich vor Lachen. Ich habe aber auch in Gesichter von nicht wenigen Erwachsenen geblickt, die so wirkten, als würden sie sich gerade während unserer Auftrittsstunde daran erinnern, wie Lachen einmal ging.
Slapstickhafte Körpersprache, Musik, Jonglage und Clownstechnik
Gab es mit den dortigen Kindern Verständigungsprobleme? In welcher Sprache hast Du in Sir Lanka als Clown agiert? Haben die Mädchen und Jungs dort einen anderen Humor, allein schon aus kulturellen Gründen? Oder kennt Humor keine Grenzen?
Unsere Shows werden grundsätzlich mit nur wenigen Worten entwickelt. Slapstickhafte Körpersprache, Musik, Jonglage, Akrobatik und Clownstechnik sind die Elemente mit denen wir arbeiten. Wir durften die Erfahrung machen, dass Kinder überall auf der Welt über ganz ähnliche Sachen lachen. Bei der Verständigung mit unseren Organisationspartnern vor Ort waren unsere einheimischen Minibusfahrer, ohne die die Reisen ohnehin unmöglich wären, immer sehr hilfsbereite Dolmetscher.
Was bedeutet Humor für Dich? Wann findest Du etwas witzig, wann kannst Du selbst über etwas lachen?
Ich liebe tragikomische Momente! Wenn jemand über sich selbst lachen kann, wenn er grade mit beiden Beinen mitten im größten Fettnapf steckt, das finde ich extrem ansteckend. Im übertragenen Sinn sind auf der Bühne für mich diejenigen die größten Komiker, die mir als Publikum die Erlaubnis geben, über sie zu lachen. Wenn sie also keinen Dritten brauchen, über den sie sich lustig machen. Dementsprechend lautet auch mein wichtigster Grundsatz, dass ich selbst niemanden benutze, um einen Witz zu landen, sondern dass ich diejenige bin, die sich zum Ei macht.
Letzte Frage: Wie kann man denn selbst ein Klinik-Clown bzw. Clown ohne Grenzen werden?
Man sollte auf jeden Fall über Bühnenerfahrung, am besten als Clown, verfügen. Bühnenpräsenz, Duofähigkeit und Clownsechnik sind Stichworte, die einem nicht fremd sein dürfen. Über die eigene Personage sollte man sich keine Gedanken mehr machen müssen, um frei und aufmerksam für den Menschen gegenüber agieren zu können. Ein gewisses Maß an Sozialkompetenz ist sicherlich auch eine Bedingung. Eine wirkliche Ausbildung gibt es aber nicht.
Vielen Dank für das interessante Gespräch und alles Gute weiterhin.
Interview: Stephan Hörhammer
Wer für die Klinik-Clowns bzw. Clowns ohne Grenzen Spenden möchte, kann dies über folgende zwei Spendenkonten tun:
- Klinikclowns e.V., Freisinger Bank e.G.Kto 45900, BLZ 70169614, IBAN DE94701696140000045900
- Clowns ohne Grenzen Deutschland e.V., IBAN DE73214636030001847511
(Steuerlich absetzbare Spendenquittungens sind kein Problem)
Ich bin total begeistert.
Ja! Das ist Dr. Würschtl, die wir in Regensburg in der Kinderklinik kennen lernen durften.
Es wäre mal Klasse, wenn Ihr mal mit Frau Susanne Zuda ( Spiegelau ) einen Termin machen könntet. Sie mal Hinterglasbilder ( aber märchenhaft!!! ) illustriert Märchenbücher, z. Beispiel : Die Zauberbäume.
Es geht um Wichtl, einen deutschen Jakob und einen tschechischen Jiri.
Die getrennt waren und wieder zusammen kommen ( Eiserner Vorhang fällt)
Ich habe dieses Märchenbuch schon einigen Kindern, auch den Klinikclowns, Dr. Würschtl und Dr. Mumm geschenkt.
Für mich war es ein sehr, sehr netter Nachmittag, lieber Helmut 2
DANKE DAFÜR: Ihre Dora