Freyung/Passau. Seit mittlerweile vier Jahren ist die Bahnstrecke von Passau nach Freyung wieder belebt. Derzeit fahren die Züge von Mai bis Ende Oktober an den Wochenenden und Feiertagen. Wir haben uns einen Sonntag ausgesucht und sind mit der historischen Bahn, einem „Schienenbus-Motorwagen“ der Passauer Eisenbahnfreunde aus dem Jahr 1960, mitgefahren. Über die Bahnstrecke wird ja viel geredet: Kritiker bezweifeln noch, dass sich der geplante Regelverkehr durchsetzen kann, Befürworter sehen das weniger skeptisch. Und die Freunde des Vereins setzen sich mit Herz und Seele für ihre Bahn ein. Grund genug, sich vom Reiseerlebnis selbst ein Bild zu machen…
Am Bahnhof Freyung wartet die historische Bahn schon
Am Bahnhof Freyung sind wir nicht allein – auch wenn es noch einigermaßen früh ist an diesem Sonntagmorgen, genauer gesagt halb zehn, haben wir es mit vielen anderen Reisewilligen aus den Federn geschafft. Die historische Bahn wartet schon. Bordeaux-rot steht sie da, wartet geduldig, bis alle Passagiere einen Platz in ihrem altehrwürdigen Inneren gefunden haben. Die Sitze sind mit blau geschecktem Stoff bezogen, die Lehnen nicht besonders hoch, es riecht charmant nach einer Mischung aus Maschinenöl, Linoleum-Boden – und den Düften, die von den Reisegästen ausgehen. Alle sind drin, das Zugpersonal schließt die Türen, pfeifend und ruckelnd setzt sich das Gefährt in Bewegung.
Dem fahrenden Auge bietet sich ein besonderer Blick. Und zwar nicht der altbekannte, den man von der B12 oder einer Nebenstrecke aus kennt, wenn man selbst hinter dem Steuer sitzt oder Beifahrer ist. Die Bahnstrecke schlängelt sich ganz anders in Richtung Dreiflüssestadt. Hindurch durch viel Grün, vorbei an Wiesen, durch Wälder, über kleinere Brücken, entlang steil abfallender Hänge, an deren Fuße der Osterbach rauscht. Einmal überqueren wir das Gewässer, bevor es heißt: Nächster Halt – Waldkirchen.
Wir fahren nicht mit dem Zug, weil’s pressiert – wir haben Zeit
Am altehrwürdigen Bahnhofsgebäude aus Stein angekommen, steigt sogleich nochmal ein Schwung Fahrgäste zu. Alle, die nicht einsteigen, sind zum Schauen gekommen. Die historische Bahn ist halt doch noch was Besonderes. Und sie lockt nicht nur die Leute an, die einen echten Bezug zur Schienen-Nostalgie haben. Auch junge Leute stehen mit Kameras da, um den Moment festzuhalten. Dasselbe Schauspiel beobachten wir noch mehrere Male auf dem Weg nach Passau. Hinter Böschungen und Kurven stehen manche Bahnliebhaber sogar auf kleinen Staffeleien, um eine bessere Perspektive für ihre Spiegelreflex zu bekommen. Wir schaukeln gemächlich an ihnen vorbei. Pfeiffend rollt der Zug auf den Gleisen dahin, mal schneller, mal langsamer. Und das ist es, was wir mögen. Wir fahren nicht mit dem Zug, weil es pressiert. Wir haben heute Zeit.
Noch vor der nächsten Station – Röhrnbach – beginnen die Gleise stetig neben dem Osterbach herzulaufen. Immer wieder blitzt das dunkle Wasser zwischen den Bäumen hervor, glitzert in der Sonne. Dazu das monotone Rattern der Bahn, das gleichmäßige Schaukeln. Unser Blick ist nach draußen gerichtet, wir sind entspannt. Zwischen Röhrnbach und der nächsten Station Fürsteneck hält der Zug. Warum? Es gibt Brot! Die reschen Laibe warten in der Neuhausmühle auf ihre Abnehmer. Gut die Hälfte der Fahrgäste deckt sich mit Broten ein, die übrigen flanieren ein wenig auf der sonnigen Wiese umher, schauen in die angrenzenden Ställe, wo Rinder ihr spätes Frühstück gemächlich malmen. Weiter geht es. Von nun an erfüllt würziger Brotduft das Wagoninnere und die Mägen vermelden: Langsam geht es auf Mittag zu…
Unserem Auge bieten sich immer wieder ganz neue Perspektiven
Bevor sich jedoch kulinarische Fantasien verwirklichen lassen, liegen noch einige Stationen vor uns – außer man war so klug und hat sich eine Brotzeit mitgenommen. Bei Fürsteneck begleitet uns ein kleines Stück die Wolfsteiner Ohe und wir schlüpfen durch zwei dunkle Tunnel, bevor von nun an die schwarze Perle und Namensgeberin der Bahn, an unserer Seite verweilen wird. Kurz vor Fischhaus rattern wir über die Ilzbrücke, um zwischen Fischhaus und der vorletzten Station Tiefenbach den Fluss zu verlassen.
Wir nähern uns der Dreiflüssestadt und sehen von weitem ein weiteres Mitglied des „fließenden Trios“: die Donau. Erneut bietet sich unserem Auge eine nie zuvor gebotene Perspektive, als wir über die Kachletbrücke fahren. Nur noch ein kurzes Stück entlang der Donau, dann laufen wir nach knapp eineinhalb Stunden Fahrt im Bahnhof ein. Das kennen wir – aber aus der Ilztalbahn sind wir noch nie ausgestiegen. Es stellt sich fast schon ein touristisches Gefühl ein. Oder zumindest ein Ausflugsgefühl, wie man es aus Kindheitstagen kennt. Die Fahrgäste zerstreuen sich und wir trudeln in die Innenstadt.
„Gott erschuf die Zeit – von Eile hat er nichts gesagt“
Fast ist es so, als wären wir nie zuvor in Passau gewesen. Dementsprechend benehmen wir uns. Wir lassen uns im Biergarten Radler und Schweinshaxn schmecken und flanieren im Anschluss mit einem Eis entlang der Innpromenade bis zur Ortspitze, wo wir das Ineinanderfließen von Donau, Inn und Ilz bestaunen. Freilich haben wir immer ein bisschen die Uhr im Kopf – die Bahn wartet nicht, wie ansonsten unser Auto brav unter der Schanzlbrücke. Ziemlich pünktlich um kurz nach drei ist Abfahrt.
Eine Fahrt nach Passau ist eigentlich nichts Besonderes. An einem Sonntag mit der Ilztalbahn, wie wie festgestellt haben, jedoch schon. Wir lassen uns fahren. Und darum genießen wir auch die Heimfahrt dementsprechend. Ein bisschen müde von der allgemeinen Gemächlichkeit lassen wir uns dahinschaukeln, erfreuen uns noch einmal eineinhalb Stunden lang am Blick aus dem Fenster und einem ganz besonderen Geschenk: Zeit. Es fällt einem dabei der Spruch ein, der am Inselbahnhof von Wangerooge geschrieben steht. Zur Ilztalbahn würde er genauso gut passen: „Gott erschuf die Zeit. Von Eile hat er nichts gesagt.“
Würden wir es wieder tun? Auf jeden Fall. Aber dann zu dritt und wir sind uns sicher: Für Kinder ist eine Bahnfahrt dieser Art ebenfalls ein ganz besonderes Erlebnis.
Text: Eva und Stephan Hörhammer, Fotos: Rolf Peine
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Infos:
- Wer noch 2014 mit der Ilztalbahn fahren möchte, hat noch bis zum 26. Oktober Gelegenheit dazu. Den genauen Fahrplan findet Ihr hier.
- Eine Fahrt von Freyung nach Passau und zurück kostet 19 Euro pro Person bzw. 35 Euro für Paare oder Familien. Das klang für unsere Ohren erstmal nicht ganz günstig, entspricht jedoch den regulären Preisen der Deutschen Bahn. Hier geht’s zur Übersicht.
- Wer sein Radl mitnehmen will, kann dies für zwei Euro gerne tun: Die Ilztalbahn GmbH bittet um Anmeldung unter 08581-9897136 oder unter auskunft@ilztalbahn.eu.
- Bahnfahren bei unseren tschechischen Nachbarn? Auch das ist möglich mit der Ilztalbahn GmbH: Von Waldkirchen aus geht der Schienenersatzverkehr (Bus) nach Nové Údolí – von dort aus führen die Gleise überallhin. Nach Winterberg, Prachatiz, Krumau, Budweis…
Schön geschrieben und vermittelt sehr gut das, was viele gar nicht mehr kennen: nicht jede Sekunde hinterm Steuer Verantwortung für das Leben seiner Mitfahrer, Strassenmitnutzer, sich selber haben. Entschleunigung und trotzdem günstig nach Passau ohne Parkplatzprobleme, mit Schiene besser zu bewerkstelligen, als viele vermuten! Danke für den Test!
Gut beschrieben Stephan
Da waren meine Bilder doch noch für was gut :-). Genau so habe ich es empfunden. Ein schöner tag ohne Hektik! So wird es mir in Erinnerung bleiben!