Viechtach. Ein Gedichtband ist was Feines – vorausgesetzt, der geneigte Leser kann mit Lyrik etwas anfangen. Denn ein bissl Zeit braucht es schon, sich mit einem Gedicht auseinanderzusetzen. Die Worte wollen nicht verschlungen werden wie bei einem Roman. Sie wollen verweilen, sich setzen, nachhallen und im Kopf ein wenig kreisen, bis sie im besten Fall ins Herz hinunter gesickert sind und die Gefühlswelt aktiviert wird. Das geht prinzipiell mit allen Gedichten. Man muss es nur zulassen. Der Lichtung Verlag gibt einem nun dazu Gelegenheit – mit „Vastehst me„, worin die Herausgeber Eva Bauernfeind, Hubert Ettl und Christina Pöschl gut 150 Gedichte von 50 Autoren aus 40 Jahren zusammengesammelt haben – auf Bairisch*.

Mundart-Gedichte sind nicht zwingend auf der Stelle verständlich

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Bayerischer Irrsinn auf dem Umschlag von „Vastehst me“.

„Vastehst me“ heißt das gut 200 Seiten starke Buch, das kartoniert daherkommt, mit Klappen, die man gut als Eimiagal (Lesezeichen) verwenden kann. „Vastehst me“ – das ist keine Frage, sonst wäre da ja noch ein Fragezeichen dabei. Ein „Host me“ wäre zu hart, es geht ja nicht auf Biegen und Brechen darum, verstanden zu werden. Es geht eher darum, sich die Mühe zu machen, verstehen zu wollen. Denn Gedichte in Mundart sind nicht zwingend auf der Stelle verständlich. Das Bairische ist ja vielfältig, das weiß ein jeder, der die ej/ou-Linie überschritten hat, die da in etwa entlang der Donau verläuft. Der Rottaler redet anders als der Landshuter, die Waidler-Dialekte sind im ganzen Woid unterschiedlich gefärbt, der Chamer bousslt mehr als der Weidener, der Regensburger hat’s mehr mit dem Niederbairischen als der übrige Oberpfälzer und der Franke, mei…

Dazu kommt, dass in der Dichtung eh alles erlaubt ist. Da kümmert man sich im Zweifelsfall nicht um Groß- und Kleinschreibung, da verschmelzen die Wörter miteinander, da steht mal ein einzelnes Wort ganz für sich, ohne Punkt und Komma, da schleicht sich mittenhinein ein selbsterfundenes Wort – dafür muss es keine Erklärung, keine Fußnote, kein gar Nichts geben. Weil die Dichtkunst ja frei ist. Und dann eben das Bairische. Das zwar unbedingt eine eigene Sprache ist, aber eben eine äußerst vielfältige. Und allgemeingültige Rechtschreibregeln kennt man da eben nicht.

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Ein Gedicht ist die Praline unter den schreiberischen Ergüssen

Aber seien wir mal ehrlich: Einem Gedicht gebührt es, dass man es nicht hinunterschlingt und verkonsumiert wie eine – verzeihen Sie – warme Leberkassemmel. Egal, ob es Bairisch oder Schriftsprachlich zu Papier gebracht wurde. Da braucht es eben Zeit, sich durchzubeißen. Ein Gedicht ist also sozusagen die Praline unter den schreiberischen Ergüssen. Die sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen. Da würgt man nicht 15 Gedichte hintereinander hinunter, sondern liest eins – und das vielleicht sogar mehrmals. Und am besten laut, wie die Herausgeber im Vorwort empfehlen. Weil man es dann besser versteht. Und geht einmal gar nix mehr, gibt’s hinten im „Vastehst me“ ein Glossar, das einem weiterhilft, wenn ein Wort mal komplett im Hals stecken geblieben ist.

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„Mei Sprouch is mei Haus“ Foto: Georg Knaus

„Vastehst me“ liegt gut in der Hand. Auf dem Umschlag wuselt dem Betrachter ein bayerischer Irrsinn an: Ein Zwiebelkirchturm, Gamsbärte, eine Lederhosn, ein Froschkönig mit blau-weißem Kummerbund, der Strauß – und hinten Knödl und Schweinshaxn, ein üppiges Dirndl-Dekolletée, ein Hecht und ein bayerischer Wappenlöwe. Johannes Haslsteiner hat’s illustriert. Innen drin geht’s schön übersichtlich zu. Jedes Gedicht hat sich eine eigene Seite verdient. Und interessant ist die Kapiteleinteilung.

Mit dem Bairischen automatisch näher dran am Gefühl

„D Berg duftn im Blau“ – da drehen sich die Gedichte um die Landschaften, um das Draußen, um die Jahreszeiten, um die heimatliche Verortung. „Du drauda fei“ – mei Liaba, da wird’s politisch, da wird kritisiert und aufgezeigt, gegrantelt und der Zeigefinger erhoben. „A Hoibe mitanand“ schlägt da weitaus versöhnlichere Töne an – es wird zwischenmenschlich, es geht um die Leute, ums Miteinandersein und Miteinanderauskommen. Noch ein Stückl intimer werden die Gedichte im Kapitel „Döi Aung hans gwen“ – was wäre ein Lyrikband ohne das Thema Liebe? Freilich gehört auch der Tod zum Leben, der kommt „Aaf d lezd“ zu Wort. Fast. Weil es ja ein Mundart-Buch ist, heißt das letzte Kapitel „Mei Sprouch is mei Haus“. Diese Gedichte beantworten die oft leidige Frage, was denn Heimat sei.

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Knaus der Woche_GeyersbergJa, so ein Gedicht ist schon was, wenn es auf Bairisch ist. Es konserviert die Sprache, mit der man aufgewachsen und die somit ein wichtiger Teil seiner Identität ist. Ist deshalb automatisch näher dran am Gefühl. Wissenschaftliche Prognosen verheißen den Mundarten nichts Gutes, obwohl man eigentlich den Eindruck hat, das Bairische werde gerade wieder besonders gehypet und erlebt geradezu ein Revival. Hoppala. Ja, genau. Und genau darum braucht es einen Gedichtband mit bairischer Lyrik. Punkt. Aus. Ende.

*Bairisch schreibt man hier mit ai, weil es sich auf die Sprache bezieht.

Eva Hörhammer

„Vastehst me“ – Bairische Gedichte aus vierzig Jahren, herausgegeben von Eva Bauernfeind, Hubert Ettl und Christina Pöschl, Illustrationen von Johannes Haslsteiner, 208 Seiten, 16,80 Euro; ISBN 978-3-941306-09-7

Mit Gedichten von: Anneliese Bachert, Gustl Bauer, Hans Baumgartner, Rudi Bayerl, Johanna Beringer, Joseph Berlinger, Friedrich Brandl, Elisabeth Dorner-Wenzlik, Helmut Eckl, Erika Eichenseer, Josef Fechner, Josef Fendl, Walter Flemmer, Franz Freisleder, Hans Gärtner, Norbert Göttler, Harald Grill, Geiss Haejm, Anton Halser, Margret Hölle, Felix Hoerburger, Ingrid Kellner, Eberhard Kreuzer, Karl Krieg, Anton G. Leitner, Joachim Linke, Fritz Maier, Gerd Maier, Albert Mühldorfer, Eugen Oker, Wolfgang Oppler, Grete Pickl, Maria Magdalena Rabl, Carl-Ludwig Reichert, Karl-Heinz Reimeier, Franz Ringseis, Marcus H. Rosenmüller, Herbert Schneider, Rupert Schützbach, Alfons Schweiggert, Angelika Seitz, Bernhard Setzwein, Albert Sigl, Johannes Sindl, Manfred Trautmann, Siegfried Völlger, Anna Wheill, Werner A. Widmann, Josef Wittmann, Helmut Zöpfl.


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