Freyung-Grafenau. Erst die jeweilige Kultur macht einen Landstrich wie den Bayerischen Wald, insbesondere den Landkreis Freyung-Grafenau, zu dem, was er ist. Die Bewahrung und Förderung der hiesigen Kultur sowie die Durchführung kultureller Veranstaltungen hat sich der Kulturkreis Freyung-Grafenau e.V. auf seine Fahnen geschrieben. Diese Einrichtung darf heuer ihr 30-jähriges Bestehen feiern. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ blicken erster Vorsitzender Dr. Claus Kappl und Geschäftsführer sowie Gründungsmitglied Alois Seidl auf ebendiese drei Jahrzehnte zurück. Sie erzählen von der kulturellen Entwicklung im Bayerischen Wald und thematisieren das Problem mit dem lieben Geld. Ausm Woid, fian Woid …
Herr Dr. Kappl, Herr Seidl: Das 30-jährige Jubiläum des Kulturkreises Freyung-Grafenau steht am 28. September an. Wie wird gefeiert?
Claus Kappl: Wir feiern das Jubiläum mit einer einzigen Veranstaltung – mit dem Konzert der Niederbayerischen Philharmonie. Ein Konzert als Dankeschön für all unsere Mitglieder. Deshalb ist auch der Eintritt frei. Es wird keine großartigen Grußworte geben, nur eine kleine Begrüßungsrede. Es soll einfach nur die Kultur im Vordergrund stehen.
Mit welcher Absicht ist der Kulturkreis am 9. Juli 1984 gegründet worden?
Alois Seidl: Seit September 1972 war ich hauptamtlicher Geschäftsführer des Katholischen Kreisbildungswerks, heute Katholische Erwachsenenbildung genannt. Wir hatten immer wieder kulturelle Veranstaltungen im Programm. Viele Leute haben das positiv verfolgt – und wollten uns auch unterstützen. Unser Satzung hat das aber nicht zugelassen, nur Vertreter kirchlicher Gruppierungen dürfen dort Mitglied sein. Durch die Gründung des Kulturkreises Freyung-Grafenau haben wir dieses Interesse aber dann auffangen können, Gott sei Dank.
„Wir sind aus der Kulturszene nicht mehr wegzudenken“
Sind die Ziele, die man sich bei der Gründung gesetzt hat, auch erreicht worden?
Kappl: Schon allein, wenn man bedenkt, wie viele Mitglieder wir haben (mehr als 1100; Anmerk. d. Red), kann man mit der Entwicklung zufrieden sein. Uns ist es gelungen, als Kulturkreis Freyung-Grafenau den kompletten Landkreis im Blick zu haben – nicht nur das Wolfsteiner Land. Davon zeugen die Kooperationen u.a. mit dem Kulturforum Schönberg, dem Kulturverein Thurmansbang, dem Kulturverein Röhrnbach und dem Kunstverein Wolfstein. Wir haben einiges erreicht – und uns wird immer wieder bestätigt, dass wir im kulturellen Bereich eine wichtige Klammer zwischen dem Wolfsteiner und dem Grafenauer Land darstellen. Wir sind aus der Kulturszene im Landkreis nicht mehr wegzudenken.
Was hat man weniger gut umsetzen können?
Seidl: Wünschenswert wäre noch mehr Rücksicht der einzelnen kulturellen Veranstalter im Landkreis aufeinander. Bei den Terminabsprachen gibt es manchmal noch Probleme. Da fehlt eine Stelle, an der die Termine zusammenlaufen.
Kappl: Probiert wird es, keine Frage. Auf Ortsebene funktioniert das auch einigermaßen. Unsere Veranstaltungen laufen in erster Linie in den Herbst- und Wintermonaten. Angesichts der zahlreichen Feste im Frühjahr und besonders im Sommer halten wir uns etwas zurück. Außerdem sind ja nicht nur wir Kulturträger.
Was hat sich seit der Gründung verändert in Sachen Kultur?
Seidl: Es gibt mehr Angebote. Zum Beispiel gibt es zahlreiche Theateraufführungen in allen möglichen Orten im Landkreis, das wäre 1984 noch undenkbar gewesen. Irgendwie Konkurrenz zu uns, irgendwie aber auch gut, weil sich was rührt. Mittlerweile gibt es viele Menschen, die Kultur interessiert auch aus der Ferne wahrnehmen, ohne die Veranstaltungen zu besuchen. Es gäbe aber so manches zu verbessern.
Was entgegnen sie denjenigen, die sagen, der Kulturkreis sei was für ältere Menschen?
Kappl: Die haben zum Teil recht (lacht).
Wolfsteiner Herbst: Bisher sind rund 125.000 Besucher gekommen
Wie versucht man, mehr Jugendliche für die Kultur begeistern zu können?
Seidl: Bei uns können Familien zu günstigen Konditionen Mitglied werden. Dadurch hoffen wir, dass die Kinder schon früh herangeführt werden. Früher hatten wir im Programm auch einige Rockkonzerte, die aber nicht so gut besucht worden sind und schließlich nicht mehr durchgeführt wurden. Für sowas sind wir einfach der falsche Absender. Nun versuchen wir, über Vorstellungen für Kindergärten und Schulen auf uns aufmerksam zu machen.
Kappl: Dadurch, dass wir mit verschiedensten Einrichtungen in den Gemeinden vernetzt sind, glaube ich schon, dass wir wieder jüngeres Publikum erreichen. Konkret heißt das, dass unsere Zielgrupp ’35 plus‘ ist.
Eines der Aushängeschilder des Kulturkreises ist der „Wolfsteiner Herbst“, richtig?
Kappl: Absolut. Das ist einer unser Höhepunkte. Was da an Arbeit dranhängt ist schon gewaltig. Bisher sind zu den 18 Kulturwochen rund 125.000 Besucher gekommen. Wir versuchen, die Bevölkerung mit Kultur zu konfrontieren, die man sonst in dieser Region nicht hätte – und für die man bis München oder Berlin fahren müsste. Man muss ganz klar feststellen: Wir organisieren für die beiden Städte Freyung und Waldkirchen ein weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekanntes Kultur-Event.
Seidl: Zweifelsohne ein Höhepunkt – sowohl organisatorisch als auch finanziell.
Welche Highlights gibt’s im Kalender neben dem „Wolfsteiner Herbst“ noch?
Zum Beispiel haben wir am 1. Januar 2015 das 40. Neujahreskonzert in Bischofsreut. Auch unsere Literarischen Runden, die seit Anfang der 90er Jahre bestehen und es gemeinsam bald auf 500 Veranstaltungen bringen, sowie die diversen Kulturfahrten, vor allem unter der Leitung von Heinrich Vierlinger, kann man hier aufzählen.
„Fördergelder konzentrieren sich auf die Ballungszentren“
Bekannt ist der Kulturkreis auch für seinen Kultur- und Förderpreis. Warum wird dieser verliehen?
Wir wollten zum einen unsere jungen, zum anderen unsere ‚arrivierten‘ Künstler im Landkreis würdigen. Deshalb hat man diese beiden Preise geschaffen. Und die Liste der Preisträger wie Heinz Theuerjahr oder Florian Kopp ist sehr prominent. Gerade mit dem Förderpreis wollen wir junge Künstler motivieren, ihren nicht immer einfachen Weg weiter zu gehen.
Erster Vorsitzender und Geschäftsführer: Wie teilen Sie sich die Arbeit innerhalb des Kulturkreises auf?
Kappl: Ganz einfach: Alois arbeitet – und ich stehe für die Fotos zur Verfügung (lacht).
Seidl: Seitdem ich im Ruhestand bin, habe ich mehr Zeit. Ich muss aber auch sagen, dass die Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Vorstand immer super funktioniert hat. Zu beachten ist auch, dass wir alle ehrenamtlich aktiv sind.
Was wünschen sie sich abschließend zum 30. Geburtstag des Kulturkreis?
Seidl: Eine große Erbschaft (lacht). Nein, aber das Geld ist freilich immer ein Thema. Es kann nicht sein, dass die Fördermittel immer auf die Ballungszentren konzentriert werden und der ländliche Raum leer ausgeht. Die Kultur in den Metropolen lebt auch von den Entdeckungen im ländlichen Raum. Wir sind die Basis – da brauche ich nur Namen wie Bruno Jonas oder Sigi Zimmerschied aufzählen, die aus unserer Region kommen.
Kappl: Generell möchten wir zum einen das Bewährte weiter beibehalten, zum anderen möchten wir uns auch für neue Ideen öffnen. Zudem wünschen wir uns freilich Gesundheit – und weiterhin Kreativität und Spaß an der Kulturarbeit. Wir hoffen zudem, auch das 60-Jährige noch feiern zu können (lacht).
Vielen Dank für das Interview – und alles Gute für die kommenden 30 Jahre.
Interview: Helmut Weigerstorfer