Hauzenberg. In Ludwig Bauers Brust schlägt ein Herz aus Stein, genauer gesagt aus: Granit. Nein, das heißt nicht, dass er gefühlskalt wäre. Im Gegenteil. Der 62-Jährige ist ein gemütlicher und sympathischer Mann. „Das Gold des Bayerischen Waldes“, wie der Granit auch genannt wird, ist vielmehr der Lebensinhalt des Hauzenbergers, der ihn über die Jahre hinweg begleitet und geprägt hat – und über den er ein erstaunliches Fachwissen anhäufte. Als Steinmetz-Meister hat er eine Vergangenheit in den Granit-Steinbrüchen der Region, wie viele andere Waidler auch. Mittlerweile ist Ludwig Bauer Geschäftsführer des Granitzentrums „SteinWelten“ in Hauzenberg, dessen Besuchern er nahezu jeden Tag sein Wissen vermittelt. Das Onlinemagazin „da Hog’n“ war am Fuße des Staffelbergs zu Besuch und hat sich auf die Spurensuche nach dem „erhärteten Blut der Erde“ begeben.
Und die Ursprünge des Granits gehen weit zurück – soweit, dass sich selbst Ludwig Bauer nicht mehr daran erinnern kann, wie er mit einem Augenzwinkern erklärt. Vor rund 300 Millionen Jahren bildete sich zehn Kilometer unter der Erdoberfläche aus Magma das für den Bayerwald typische Gestein.“Feldspat, Quarz und Glimmer, die drei vergess‘ ich nimmer“ – schon in der Grundschule lernte man die vereinfachte Zusammensetzung von Granit. Durch Erosion gelang das Gestein im Laufe der Jahre an die Erdoberfläche – und wurde zum Alleinstellungsmerkmal des Bayerischen Waldes – nicht nur, weil unter anderem der Lusen und Rachel aus ebendiesen Materialien bestehen. „In mühsamer Knochenarbeit ist der Granit abgebaut worden“, erzählt Ludwig Bauer. Sein Blick geht zum Boden. Obwohl dies weit vor seiner Geburt geschehen ist, meint man, er war in den Steinbrüchen der Region von Anfang an mit dabei. Damals, als das Gestein noch mit Hammer und Meisel bearbeitet worden ist.
Unterwegs im Granitzentrum: Augen zu, Kopf-Kino an
Hauzenberg, Waldkirchen, Tittling, Fürstenstein, Rinchnach – in diesen Orten verdienten sich die Männer ihr Geld mit dem Abbau des Granits, dem „Gold des Bayerischen Waldes“. Zum echten Verkaufsschlager entwickelte sich dabei vor allem das Bayerwald-Granit-Pflaster. „Unter anderem die gepflasterten Plätze und Straßen der Städte Wien und Budapest bestehen aus Woid-Schdoa“, weiß Bauer zu berichten. Aber auch die Kirchen, die einzigen die sich das damals so wertvolle Material leisten konnten, fanden schnell gefallen an dieser Steinart: Auch viele Gotteshäuser in der Region wurden aus Granit gebaut – teilweise mit aufwendigen Verzierungen. „Und das alles ohne größere Gerätschaften“, erklärt der 62-Jährige. „Auch die verschnörkelten Fenster und Torbogen waren ohne CAD oder ähnliche Hilftsmittel eine architektonische Meisterleistung.“ Ludwig Bauer erzählt von der mühsamen Bearbeitung des Granits, von den riesigen Baustellen, von der damals majestätischen Wirkung der gigantischen Granit-Gemäuer. Augen zu, das Kopf-Kino hat längst begonnen. Und wieder stellt man sich die Frage: War er nun in dieser Zeit dabei, oder nicht?
Viele Granit-Firmen haben mittlerweile geschlossen
Irgendwie war er dabei, ja. Wenn auch etwas später. Ludwig Bauer lernte Steinmetz beim damals in der Branche führenden Unternehmen „Kusser“ in Hauzenberg. Sein Meisterstück ist heute Teil des Granitzentrums – nicht ohne Stolz präsentiert er es immer wieder gerne den Besuchern der „Steinwelten“. Der Hauzenberger jedoch erlebte die Steinbrüche nicht mehr so wie in den Zeiten des gestärkten Gemeinschaftsinns und des geerdeten Selbstbewusstseins unter den Steinmetzen. In seiner Zeit war die Technologisierung und Motorisierung schon weit vorangeschritten, Bagger und schweres Gerät bestimmten die Szenerie in den Steinbrüchen. Trotzdem ist es Ludwig Bauer anzumerken, dass er noch heute mit einer gewissen Erhabenheint auf diese Epoche zurückblickt. Doch die Zeiten ändern sich bekanntlich, viele Granit-Firmen haben mittlerweile geschlossen, das Pflaster kommt heute zumeist aus China anstatt aus dem Bayerwald…
Bauers Begeisterung für Granit ist dennoch nie abgerissen. Im Gegenteil. Am 2. Mai 2005 wurde das 3,6 Millionen Euro teure Granitzentrum „SteinWelten“ in Hauzenberg eröffnet – mit ihm als Geschäftsführer, wie könnte es auch anders sein. Seitdem führt er, der sich selber als „Hausl“ des Museums bezeichnet, jährlich rund 25.000 Besucher durch die imposante Einrichtung. Weitere 40.000 kommen per annum zu den außertourlichen Events auf dem Gelände des Granitzentrums: Der Christkindlmarkt beispielsweise ist bis über die Bayerwald-Grenzen hinaus bekannt. „Die Architektur dieses Gebäudes hat weltweit für Aufsehen gesorgt“, berichtet Bauer und lässt seinen Blick über die hohen Glasfassaden und die steinernen Wände schweifen. Beeindruckende Zahlen, viele Lorbeeren, viel Anerkennung. Eh alles Friede, Freude, Eierkuchen in Bauers „Steinwelten“, möchte man meinen. Doch wer ihn etwas besser kennt, weiß, dass er sich damit nicht zufrieden gibt – dass er stets das große Ganze im Blick hat: Den Tourismus des Bayerischen Waldes in seiner Gesamtheit.
„Das Motto muss sein: Ich helfe Dir, Du hilfst mir“
Und der ist seiner Meinung nach weiter ausbaufähg. „Da kocht immer noch jeder sein eigenes Süppchen“, kritisiert er. Vielmehr sei ein konstruktives Miteinander gefragt. „Das Motto muss sein: Ich helfe Dir, Du hilfst mir.“ So hat Ludwig Bauer im Granitzentrum nicht nur Flyer einiger anderer Attraktionen im Bayerischen Wald ausgelegt. Er geht auch immer wieder von sich aus auf Besucher zu und erklärt ihnen, wo sie wann und bei welcher Witterung am besten in der Region aufgehoben sind.
Generell wünscht sich Bauer, dass im Bereich Tourismus mehr passiert im Woid, die Kräfte besser gebündelt werden. Die neugegründete Tourismus-GmbH könnte dabei ein erster Schritt. „Wir müssen nach außen hin den Eindruck vermitteln, dass wir ein Vollsortimenter sind. Ein Granitzentrum allein wird kein Besuchermagnet werden, da muss auch das drumherum stimmen.“
Vor allem die Desination „Passauer Steinreich“ sieht er hier ebenfalls als potenzielles Zupferd. „Passau kennt jeder – und ‚Steinreich‘ ist positiv behaftet.“ Ludwig Bauer macht sich Gedanken, er schaut über den berühmt-berüchtigten Tellerrand immer wieder hinaus. Zum einen möchte er die eigene Einrichtung voranbringen. Zum anderen hat er die Entwicklung des Bayerischen Waldes im Auge. Die Vergangenheit, also den Granit, im Herzen – die Zukunft, sprich: die Entwicklung des Tourismus im Bayerischen Wald, im Sinn.
Helmut Weigerstorfer