Mauth. „Da Max, dea mochds eh ewig“. In der Gemeinde Mauth-Finsterau war man mit Bürgermeister Max Gibis zufrieden. Er leistete gute Arbeit, war in der Bevölkerung beliebt – eine Wiederwahl reine Formsache. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Überraschend zog Gibis in den Landtag ein, der Mauther Rathaussessel war plötzlich leer. Schnell wurden dann die Rufe nach Tourismusmanager Ernst Kandlbinder laut. Eigentlich die logische Konsequenz, der perfekte Nachfolger, möchte man meinen. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ erklärt der 43-Jährige aus Zwölfhäuser, einem Ortsteil von Mauth, dass er lange überlegt hat, ob er zur Wahl antritt. Dass er der richtige Mann am richtigen Ort ist, bestätigt übrigens sein Vorgänger MdL Max Gibis: „Er geht sehr engagiert an diese Aufgabe heran und versucht die Leute mitzunehmen.“ Ernst Kandlbinder blickt im weiteren Gespräch zudem auf die Querelen in der Nachbargemeinde Philippsreut – und befürwortet die neugegründete Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald GmbH.
(Ernst Kandlbinder erzählt, dass der zuletzt ordentlich Stress hatte. Eigentlich wollte er unsere Fragen schriftlich beantworten, doch letztlich hat es mit einem „Live“-Termin doch noch geklappt)
Herr Kandlbinder, von Ihnen hört man ja gar nichts mehr.
Ich habe mich zuletzt bewusst aus überregionalen Diskussionen rausgehalten. Zuerst einmal muss ich meine Hausaufgaben innerhalb der Gemeinde machen, erst dann kann ich meine Energie für andere Themen verwenden.
„In dieser Zeit war ich wohl ein bisschen zu selbstkritisch“
Knapp sechs Monate nach den Kommunalwahlen: Wie fühlt man sich als Bürgermeister?
Ich habe mir im Vorfeld viele Gedanken gemacht: Kandidiere ich überhaupt? Was erwartet mich? Welche Aufgaben stehen an? Deshalb war es auch sehr lange offen, ob ich zur Wahl antrete. In dieser Zeit war ich wohl vielleicht ein bisschen zu selbstkritisch. Um es kurz zu machen: Diese Aufgabe gefällt mir sehr! Durch meine Vergangenheit in der Gemeinde und im Landratsamt habe ich ja ungefähr gewusst, was arbeitstechnisch auf mich zukommen wird.
Vergangenheit in der Gemeinde?
Ja, 1990 habe ich im Mauther Rathaus als Schreibkraft anfangen können, später wurde ich Tourist-Chef, bevor ich mich 2003 verabschiedet habe. Nach meiner Ausbildung zum Tourismusfachwirt an der F+U Akadmie in Heidelberg war ich unter anderem für die Jugendherbergen in Passau und Mauth verantwortlich. Bis zuletzt war ich dann Tourismusmanager des Landkreises Freyung-Grafenau, und nun bin ich wieder im Mauther Rathaus gelandet bin.
Mit welchen Zielen sind Sie in Ihre Zeit als Bürgermeister gestartet?
Ich habe große Freude daran, Menschen zu helfen. Gleichzeitig lege ich großen Wert darauf, eine transparente Arbeit abzuliefern. Immer wieder kommt es vor, dass mich Leute direkt auf der Straße ansprechen. Es ist mein Anspruch, als Dienstleister für die Bürger und die Gemeinde Mauth da zu sein. Genauso wollte ich es, genau das ist meine Mentalität.
Hört sich nach viel Arbeit an, oder?
Teils, teils. Vorher, als ich noch auf Landkreisebene tätig war, hatte ich, sobald ich zu Hause war, Feierabend. Zuerst hatte ich mir gedacht, das könnte nun als Bürgermeister etwas hektisch werden. Aber wider Erwarten hält sich das alles im Rahmen. Bisher ist es für mich positiver Stress, mit dem ich entspannt umgehen kann.
Sie selbst haben es ziemlich spät entschieden, Bürgermeister werden zu wollen. Im Gegensatz zur Mauther Bevölkerung …
Ja, das stimmt schon. „Ernst, du mochst des scha“, habe ich oft gehört. Ich habe mich allerdings nicht in der ersten Reihe gesehen. Doch ich habe mich zuerst mal hintenangestellt. Es gab ja eine stellvertretende Bürgermeisterin und einen Ortsvorsitzenden, die in meinen Augen Augen auch für das Bürgermeister-Amt geeignet gewesen wären. Außerdem war mal kurzzeitig angedacht, dass MdL Max Gibis zugleich ehrenamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Mauth wird.
„Wir können weiterhin von seiner Erfahrung profitieren“
War es ein Vor- oder Nachteil, dass Max Gibis vor seinem Abschied in den Landtag fest im (Rathaus-)Sattel gesessen hat und zweifelsohne gute Arbeit geleistet hat?
Da Max relativ jung Bürgermeister geworden ist, hat sich die Orts-CSU nicht mit seiner Nachfolge beschäftigt. Man ging davon aus, dass er noch länger Rathaus-Chef bleibt. Es ist natürlich schwierig, wenn ein Vorgänger gute Arbeit abgeliefert hat. Da ist die Erwartungshaltung natürlich groß.
Wie kann die Gemeinde Mauth von Neu-MdL Max Gibis profitieren?
Max Gibis ist ja weiterhin Gemeinderat. Wir können dort von seiner Erfahrung profitieren Er hat ja in seiner Zeit als Bürgermeister viele Projekte in Angriff genommen, deshalb ist da sein Fachwissen Gold wert, er hat mir seine Unterstützung jederzeit zugesagt. Und ja, freilich ist er ein hervorragender Vertreter in München – zum Beispiel können wir bei unserem Antrag auf die Stabilisierungshilfe des Freistaates auf seine politische Unterstützung in München bauen.
Sie sind im März ohne Herausforderer Bürgermeister geworden. Schmälert das nicht den Wahlerfolg?
Eins vorweg: Mich hat es sehr gefreut, dass ich ein Wahlergebnis mit über 90 Prozent erreicht habe – eine doch deutliche Zustimmung. Um auf die Frage zurück zu kommen: Dass es keinen knallharten Wahlkampf gegeben hat, ist für die Gemeinde sogar von Vorteil. Es gibt keine Streitereien im Gemeinderat, und keine parteipolitischen Konflikte – Parteipolitik hat in einer kleinen Gemeinde sowieso nichts zu suchen. Bei einem Sieg gegen einen Kontrahenten wäre zwar mein persönliches Empfinden vielleicht besser gewesen, der Gemeinde hätte es aber rein gar nichts gebracht.
Früher galt die Gemeinde Mauth als SPD-Hochburg. Warum ist das jetzt nicht mehr der Fall?
Da bin ich zu wenig involviert, um darauf eine Antwort parat zu haben. Faktum ist: Diejenigen SPDler, die im Gemeinderat sitzen, sind sehr kollegial und produktiv. Generell ist es ja sowieso so, dass eine Kommunalwahl eine reine Persönlichkeits-Wahl ist – das ist es egal, welcher Partei angehört. Und: Zu welch großen Problemen es durch ein ewiges Nachtarocken nach den Wahlen kommen kann, sehen wir in einer unserer Nachbargemeinden …
„Man kann es nie allen recht machen, das geht gar nicht“
Sie sprechen die Vorkommnisse in der Gemeinde Philippsreut an. Ihre Meinung dazu?
Streitigkeiten – auch welchem Niveau auch immer – bremsen die Entwicklung einer Kommune immer aus, keine Frage. Auf Dauer schaden sie sich dadurch nur selbst. Es geht nicht nur viel Zeit verloren, sondern auch enorm viel Kraft. Als Außenstehender hier Ratschläge zu geben ist schwierig. Ich hoffe nur, dass die Sachpolitik in den Vordergrund gestellt wird. Wenn dabei die politischen Lager aufeinander zugehen, ist es sicherlich einfacher: Sitzt Euch an einen Tisch und reden über diese Dinge. Irgendwie kommt es mir so vor, wie wenn die Lager immer mehr voneinander abschotten, dass die Fronten immer härter werden. Doch genau das ist der falsche Weg.
(überlegt)
Dass die Meinungen innerhalb einer Gemeinde auseinandergehen, ist völlig klar und selbstverständlich. Man kann es nie allen recht machen, das geht gar nicht. Darüber habe ich mir im Vorfeld meiner Kandidatur auch Gedanken gemacht. Wichtig ist: Man muss alle Entscheidungen mit sich selbst vereinbaren können – man muss mit bestem Wissen und Gewissen arbeiten.
Themawechsel: Sie sind Touristiker vom Fach. Was versuchen Sie in der Gemeinde Mauth mit Ihrem Vorwissen in dieser Sparte zu bewirken?
Momentan bin ich sehr gebunden, im wahrsten Sinne des Wortes an unseren Baustellen. Haus der Generationen, Dorferneuerung Finsterau, Rathaus Mauth, Dorferneuerung Mauth – diese Themen beschäftigen mich schon sehr. Dennoch bin ich in engen Kontakt mit unserer Tourist-Info. Das betrifft aber eher die touristische Neustrukturierung innerhalb den Nationalpark-Gemeinden, sprich die neugegründete Tourismus GmbH. In diese Entwicklungs-Phase wollte ich schon als Tourismusmanager immer kommen.
Und zwar?
Eine kleine Gemeinde kann sich einfach nicht ausreichend präsentieren, um für verschiedenste Urlaubsgäste attraktiv zu sein. Ein starkes Miteinanander, das ja die Tourismus GmbH bekräftigt, ist unabkömmlich. Wir als Gemeinde können nur für die passende touristische Infrastruktur vor Ort sorgen, die Vermarktung muss dann gemeinsam erfolgen. Ein einzelner Vermieter kommt nicht weit, ganz anders schaut’s da mit der Region um den Nationalpark Bayerischer Wald aus.
„Das Coaching der Vermieter muss die Gemeinde übernehmen“
Sie bauen deshalb verstärkt auf die neue Tourismus GmbH?
Ja, unbedingt. Tritt man als Region vernünftig auf uns verkauft ein positives Image nach außen, dann steigen auch wieder die Urlauberzahlen in der Region. Die Aufgabe einer Gemeinde wird es, neben der schon vorher angesprochenen Infrastruktur, das Coaching der Vermieter vor Ort sein – ob jemand für Familien prädestiniert ist, für Outdoor-Spezialisten, für ältere Urlaubsgäste. Eine langwierige und sehr mühsame Arbeit, aber da müssen wir durch (lacht). Erst dann kann nämlich ein Konstrukt wie die Tourismus GmbH funktionieren.
Im Gegensatz zur Gemeinde Mauth ist ein Zugferd wie die Stadt Grafenau nicht dabei. Ihre Meinung dazu?
Erstmal muss sich jede Kommune selber überlegen, ob Sie bei der GmbH dabei ist – oder nicht. Es ist absolut schade, dass eine Stadt wie Grafenau, die als Nationalpark-Zentrale gilt, entschlossen hat, nicht mitzumachen. Touristisch gesehen wäre es umso besser, desto mehr Kommunen man unter einem Dach zusammenbringt.
Was glauben Sie: Warum will Grafenau vorerst nicht Teil dieser GmbH sein?
Grafenau macht eine sehr gute touristische Arbeit, definitiv. Ich könnte mir vorstellen, dass sie gerade deshalb das Ganze erst mal aus der Ferne betrachten.
Neu-Landrat Sebastian Gruber hat ja in Frage gestellt, ob es nach Ihrem Abschied noch einen Tourismusmanager im Landkreis Freyung-Grafenau geben soll. Hat er recht? Braucht der Landkreis diesen Posten?
Wenn die Strukturierung so vonstatten geht, dass sich unsere Gebietsgemeinschaften – Ilzer Land, Natonalparkregion, Sonnenwald und Dreiländereck- eigenständig für den Tourismus einsetzen, dann ist eine Koordinationsstelle im Landratsamt hinfällig. Das ist aber bisher leider noch nicht bei allen der Fall. Mir steht es nicht zu, mich in die Personalpolitik des Landrates einzumischen, aber das ist meine Sicht als früherer Tourismusmanager.
„Das Ganze führt uns an die Leistungsgrenze“
Zurück an den Lusen: Die Dorferneuerung Finsterau. Die finanzielle Lage der Gemeinde Mauth-Finsterau ist angespannt, aber nicht hoffnungslos. Kann man da das Projekt überhaupt noch stemmen?
Wir werden diejenigen Maßnahmen, die von meinem Vorgänger Max initiiert worden sind, durchziehen. Die Dorferneuerung war absolut notwendig, keine Frage. Es ist aber auch so, dass uns das Ganze an die Leistungsgrenze der Gemeinde hinführt. Deshalb muss es nach dem Abschluss einen Investitionsstopp geben. Dann müssen wir sparen.
Ist dann Stillstand nicht gleichzeitig Rückschritt?
Nicht unbedingt. Man kann auch mit geringeren Mitteln doch relativ viel bewirken, es ist eben produktives Sparen angesagt. Und dann kommt die interessante Arbeit als Bürgermeister, dann muss man erkennen, wo der Schuh drückt und wo mit wenig Mitteln viel erreicht werden kann.
Vielen Dank für das Interview – und alles Gute, sowohl privat als auch als Bürgermeister der Gemeinde Mauth
Interview: Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer
Gute Ansätze.