Freyung/Grafenau. Stefan Pradl ist Geschäftsmann. Wie viele andere Unternehmer auch, sitzt er den Großteil seiner Arbeitszeit hinter dem Schreibtisch, tippt eifrig auf seiner Tastatur, nimmt Anrufe entgegen, koordiniert seine Mitarbeiter. Sein Geschäft läuft gut, die Kunden bleiben nicht aus. „Er hat einen todsicheren Job“, würde es der Volksmund beschreiben. Denn er ist Bestatter.
Seine Arbeit beschränkt sich mittlerweile nicht mehr nur auf die Beerdigung von Verstorbenen. Er kümmert sich auch um das Drumherum nach einem Todesfall: Kündigung von Versicherungen, Terminabsprachen mit der jeweiligen Pfarrei, Todesanzeige in der Zeitung – aus der früheren Tätigkeit des Totengräbers ist inzwischen ein vielfältiger Dienstleister-Beruf geworden. Ein Porträt.
„Särge und Urnen waren schnell Normalität“
„Stefan kommt mit Druck gut zurecht“, beschreibt ihn sein älterer Bruder Michael. „Große Belastungen meistert er erstaunlich gut.“ Davon hat Stefan Pradl in den vergangenen Jahren einige hinter sich gebracht. Der Tod begleitet ihn seit jeher. Als kleiner Bub lernte er schnell, dass das Leben vergänglich ist. Oft begleitete er seinen Vater Josef, der 1983 von der Stadt Freyung die Aufgabe des Totengräbers übernommen hatte. Es war zwar nicht so, dass der kleine Stefan mit Legosteinen und Spielzeug-Bulldogs zwischen den Leichen spielte – dennoch gehörten Urnen, Särge und tote Menschen früh zu seinem Alltag. „Diese Dinge waren schnell Normalität“, bestätigt der 31-Jährige heute.
Alles nachvollziehbar, denn: Stefan hilft – wie in vielen anderen Familienunternehmen der Fall – früh im elterlichen Betrieb mit. Schon als Jugendlicher muss er sich mit dem Ende des menschlichen Lebens beschäftigen. Ein Schlüsselerlebnis ist dabei der Tod einer älteren Dame. Stefan Pradl ist zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt. „Da kann ich mich noch genau erinnern“, erzählt er. „Mein Papa hat mich mitgenommen, ich sollte mir das Ganze mal anschauen.“ Nach und nach lernt er so die Arbeit eines Bestatters kennen, sein Vater ist sein Lehrmeister, von ihm wird er auch zur Bestattungsfachkraft ausgebildet.
„Bei uns in der Familie gab es eigentlich nie einen Zweifel, dass Stefan einmal das Geschäft übernehmen wird“, erklärt Michael Pradl, Geschäftsleiter der Stadt Grafenau. Sein Bruder ist Bestatter mit Leib und Seele. Das ändert sich auch nicht, als er seine eigene, bei einem Unfall verunglückte Mutter beisetzen muss. Eine schwierige Situation für den damals jungen Mann. Bestattungen von Bekannten und Verwandten zählen zu seinen schwierigsten Aufgaben, wie er offen zugibt. Plötzlich wird aus der beruflichen Routine ein schwieriger Schritt. Er selbst hat keine Angst vor dem Tod, sagt er, „eher vor dem Verlust weiterer lieber Menschen“. Obwohl ihm dieser Verlust sicher sehr nahe gegangen ist, wirkt Stefan Pradl, während er die Geschichte vom Tod seiner Mutter erzählt, souverän und gefasst. So beschreibt er sich übrigens auch selbst: „Ich bin immer schon ein eher ruhigerer Typ gewesen, mache aber auch ab und zu gerne Spaß – wie jeder andere auch.“
„Ein Job wie jeder andere“
Spaß und Tod? – Das passt irgendwie nicht so ganz zusammen. Man möchte ihm die Worte trotzdem glauben – was angesichts seines Berufs, dem täglichen Umgang mit dem Tod, für Außenstehende jedoch schwerfällt.
Alpträume, Geister und Tränen verbindet man schon eher damit. Doch Stefan Pradl erklärt: „Der Beruf des Bestatters ist für mich ein Job wie jeder andere.“ Wichtig sei insbesondere, mit jedem Hinterbliebenen seiner „Kunden“ mitzufühlen.
„Ab und zu geht es mir sehr nah, wenn Angehörige tränenüberströmmt zu mir kommen.“ Vor allem tödliche Unfälle oder der Tod kleiner Kinder treffen ihn. Dann ist Einfühlungsvermögen gefragt, man muss gut zuhören können – und er gibt offen zu: „Manchmal muss freilich auch ich dann die ein oder andere Träne verdrücken.“ Stefan Pradl ist in diesen Situationen nicht nur Geschäftsmann, sondern auch Seelsorger. Und man nimmt es ihm ab, dass er diese Aufgabe ohne größere Probleme meistert.
Oft wird die Frage nach dem „Danach“ gestellt
Eng verbunden mit Bestattungen ist der christliche Glaube. Rosenkranz, Trauerfeier, Beisetzung – zu keiner anderen Gelegenheit stellen sich Hinterbliebene so oft die Frage nach dem „Danach“. Gibt es einen Gott? Gibt es einen Himmel? Lebt man nach dem Tod weiter? Auch Stefan Pradl hat sich schon mehrmals mit diesen Fragen beschäftigt. „Ich glaube an irgendetwas, ja – aber ob es der Gott ist, der in der Kirche angebetet wird, kann ich nicht sagen.“ Mittlerweile hat er schon mehrere Bestattungen ohne kirchliche Begleitung durchgeführt. Was früher undenkbar gewesen wäre, gehört mittlerweile zum Alltag. Die Zeiten ändern sich…
Auch die Art des Übertritts ins Jenseits hat sich gewandelt. Jahrzehntelang war es Usus, dass Verstorbene in einem Sarg gebettet werden. „Inzwischen gibt es nichts, was es nicht gibt“, wie Stefan Pradl berichtet. Kostengünstigere Urnen-Beisetzungen gehören heute zum Alltag, während See-Beisetzungen und die Verarbeitungen der sterblichen Überreste zu einem Amulett wohl eher seltene Extravaganzen sind. „Man kann eine einfache, aber pietätvolle Bestattung in unserer Region für einen angemessenen Preis durchführen.“
Der Kunde ist König – diese Geschäftsregel gilt auch fürs Bestatterwesen. Wenn auch dessen Aufgaben etwas anders geartet sind. Ist jemand verstorben, übernimmt Stefan Pradl die „Rundum-Betreuung“: Vom Waschen und Einkleiden des Leichnams über das Erstellen von Todesanzeigen und Sterbebildchen bis hin zur Gottesdienst-Planung. „Es ist nicht mehr so, dass ich den Sarg verkaufe, ein Loch grabe – und dann ist die Sache vergessen.“
Vertrauen in Mitarbeiter: „Das ist ein sensibles Geschäft“
Vergessen sind die Erlebnisse des Arbeitstags, sobald Stefan Pradl nach Hause zu seiner Frau Michaela kommt. Betritt er die heimischen vier Wände, ist das Berufliche passé. „Ich hab‘ noch nie schlecht geträumt wegen meines Berufs.“ Mit dazu bei trägt auch seine Frau, die im familieneigenen Betrieb für die Büroarbeiten zuständig ist: „Sie ist ein Traum und unterstützt mich, wo es nur geht.“ Denn Feierabend heißt für Stefan Pradl manchmal nicht unbedingt gleich Feierabend. Gibt es einen Notfall, ist er freilich immer per Handy erreichbar. Gestorben wird bekanntlich immer. Deshalb ist es umso wichtiger, dass sich der Chef auf seine Mitarbeiter verlassen kann. „Das ist ein sehr sensibles Geschäft. Das Wichtigste ist der Respekt vor den Toten.“
Und den hat der 31-Jährige noch nie auch nur eine Sekunde aus den Augen verloren. Im Gegenteil. Ein würdevoller Abschied von einem geliebten Menschen ist für ihn selbst genauso wichtig wie für seine Kunden. Er kann sich hineinversetzen in das Schicksal der Menschen. „Auch wenn es sich blöd anhört, aber: Ich hoffe, die Freude an meinem Beruf nie zu verlieren.“
Helmut Weigerstorfer
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Schwer beeindruckend!
Ich hoffe, Herr Pradl bleibt noch lange und zufrieden in seinem Job.
Und ich hoffe, wenn ich mal einen Bestatter brauche, finde ich einen ähnlich Zuverlässigen …