Freyung-Grafenau. Die Diskussionen reißen nicht ab. Die Einführung der Pkw-Maut, sowohl auf Landstraßen als auch auf Autobahnen, ist nach wie vor Gesprächsthema Nummer eins – in der Bevölkerung, in der Politik. Offen ist weiterhin, wann die Gebühr eingeführt wird – und in welchem Umfang. Das Thema droht eine Hängepartie zu werden, Verkehrsminister Alexander Dobrindt rückt immer weiter in den Fokus der Öffentlichkeit. Obwohl die Entscheidung in der Bundeshauptstadt Berlin getroffen wird, betrifft die Regelung freilich auch den Bayerischen Wald. Das Onlinemagazin „da Hog’n“ hat sich in der Region umgehört, welche Meinungen es zum Thema Maut gibt.
50 Millionen? Der Handelsverband hält das für überzogen
Leidtragender einer eventuellen Straßengebühr soll vor allem der Einzelhandel sein. Durch die Mehrkosten wird befürchtet, dass potenzielle Käufer aus den unmittelbaren Nachbarländern Österreich und Tschechien wegbrechen. Diese Befürchtung bestätigt auch Josef Kellermann, Bezirksvorsitzender für die Oberpfalz und Niederbayern des Handelsverbandes Bayern: „Wir sehen die Einführung negativ.“ Laut einer Studie, die Kellermann aufführt, kämen Besucher aus Tschechien zu etwa der Großteil wegen des Einkaufs, einige wegen der Freizeit und nur wenige wegen Sport, Privatbesuchen, Kultur und Gastronomie. Wie wichtig Käufer aus den Nachbarländern für den grenznahen Einzelhandel sind, bestätigen diese Zahlen. Einer Studie der IHK Regensburg zufolge muss mit einem Umsatzminus von über 50 Millionen Euro gerechnet werden – diese Zahl relativiert Kellermann jedoch – sie sei deutlich überzogen. „Die meisten Tschechen kommen mehrmals im Jahr nach Bayern, der Erwerb einer Vignette ist deshalb durchaus sinnvoll und akzeptabel. Außerdem gibt es meist eine Koppelung aus Einkauf, Freizeit, Gastronomie, Privatbesuche und so weiter – auch hier ist die Bereitschaft, eine Vignette zu kaufen, deutlich höher.“
„Jeder vierte Kunde aus Tschechien gibt weit über 100 Euro aus“
Von Seiten des Handelsverbandes wird prognostiziert, dass jedoch mehrere Millionen Umsatz verloren gehen werden. „Jeder zweite Kunde aus Tschechien gibt zwischen 50 Euro und 100 Euro aus, jeder vierte Kunde sogar weit über 100 Euro. Das Fernbleiben dieser Kunden hat dementsprechend doch deutliche Auswirkungen.“ Interessant ist auch, welche Warengruppen laut Handelsverband vom Umsatzrückgang besonders betroffen sein sollen: Lebensmittel, Kleidung, Schuhe, Lederwaren, Drogerie und Parfümerie. Keine Einbußen soll es bei Medikamenten, Büchern, Spielen, Uhren, Schmuck, Baumarktartikeln sowie Autozubehör und Möbeln geben.
Während die IHK Regensburg mit einem Umsatzminus von 50 Millionen Euro rechnet, liegen von der IHK Niederbayern bisher keine Zahlen vor, wie Peter Sonnleitner, Bereichsleiter International und Verkehr, auf Hog’n-Nachfrage erklärt. Generell sei es mit konkreten Auswertungen schwierig, einzig eine sogenannte Kaufkraftstromanalyse sei möglich – und ist bereits in Arbeit. Sie soll Mitte Oktober fertig- und Anfang November vorgestellt werden. „Welche genauen Volumina durch die Mauth verloren gehen würden, sind reine Spekulationen. Dass es zu Einschränkungen kommen könnte, ist durchaus möglich. Jedoch sind solch hohe Zahlen das falsche Signal.“ Sonnleitner selbst sieht vor allem die Einführung der Maut auf Landstraßen kritisch, auf Autobahnen hingegen als „bekanntes und übliches Instrument“.
„Ein Irrläufer, der dem bayerischen Ansehen massiv schadet“
Klare Worte in Sachen Pkw-Maut findet Grünen-MdL Rosi Steinberger. „Ich bin gegen die Einführung, so wie sie Dobrindt plant. Eine Maut nur für Ausländer bringt viel zu wenig ein, ist ein Bürokratiemonster und errichtet an den Grenzen quasi die alten Schlagbäume wieder.“ Generell sei die Straßengebühr für Ausländer Steinbergers Aussagen zufolge ohnehin nur ein Wahlkampfschlager gewesen, „der nun zum Irrläufer wird und dem bayerischen Ansehen durch die Protagonisten Seehofer und Dobrindt massiv schadet“. Sinnlose Ideen, sinnlose Gedanken. Es solle besser ein Konzept entwickelt werden, wie die bundesdeutsche Infrastruktur effektiv vor dem schleichenden Verfall geschützt werden könne. „Und dazu müssen alle Neubaupläne auf den Prüfstand. Dafür wäre eigentlich der Verkehrsminister da, aber er lenkt nur ab durch unsinnige Aktionen.“ Die 54-Jährige betont, dass nach dem Verursacherprinzip die Brummis Schuld an den Straßenschäden sind – „also sollen sie auch einen größeren Beitrag leisten“. Deshalb soll die Maut für Lkws auf allen Autobahnen und Bundesstraßen erhoben und auf mindestens 7,5 Tonnen erweitert werden. Abschließend macht Rosi Steinberger klar, dass sie Befürchtungen teile, dass gerade im bayerisch-böhmischen Grenzraum mit Umsatzeinbußen zu rechnen sei.
„Die Frage muss lauten: Wie wird die Maut ausgestaltet?“
Wie wichtig eine gut ausgebaute Infrastrukur für die wirtschaftliche Entwicklung ist, macht CSU-MdL Max Gibis klar. Berechnungen zufolge sind in den kommenden 15 Jahren pro Jahr 7,2 Milliarden Euro nötig, um die straßenbaulichen Rückstande aufzuholen (Studie der Daehre-Kommission). Und ohne zusätzliche Einnahmequelle könne diese Summe nicht aufgebracht werden. „Von daher kann die Frage nicht lauten: Soll die Maut eingeführt werden? – sondern: Wie wird sie ausgestaltet?“ Die CSU-Fraktion setze sich daher dafür ein, dass keine inländischen Auto-Fahrer zusätzlich belastet werden. Es ist eher eine „Frage der Gerechtigkeit“ – schließlich beteiligen sich deutsche Pkw-Lenker auch in Italien, Österreich, Schweiz oder Frankreich an der Finanzierung der Infrastruktur. „Um die Pkw-Maut auch EU-konform zu gestalten, muss eine Pkw-Maut für alle Kraftfahrzeuge in Deutschland gelten, die das öffentliche Straßennetz nutzen. Deshalb sollen Halter von in Deutschland Kfz-steuerpflichtigen Kraftfahrzeugen über einen Freibetrag in der Kfz-Steuer entlastet werden, der die Ausgaben für die Infrastrukturabgabe vollständig kompensiert.“
„Ich werde mich im Bedarfsfall für Ausnahmeregelungen einsetzen“
Gibis stimmt zu, dass kritisch darüber diskutiert werden kann, ob die Maut für alle Kommunal-, Landes- und Bundesstraßen gelten soll. Der ehemalige Bürgermeister von Mauth, selbst eine Grenzgemeinde, bringt hier auch den Tagestourismus und die dadurch generierten Einnahmen im deutsch-tschechisch-österreichischen Grenzraum ins Spiel. „Fairerweise sollte man bezüglich dieser Frage aber berücksichtigen, dass sich bereits bei der Einführung des Pickerls in Österreich solche Befürchtungen nicht bewahrheitet haben.“ Abgesehen davon müsse man sich auch fragen, ob man als Alternative den gesamten Maut-Ausweichverkehr auf den Bundesfern-, Land- und Kommunalstraßen der Region haben wolle. Hinsichtlich der möglichen Einbußen bei den Umsätzen des Einzelhandels hofft Gibis auf einen Kompromiss: „Ich persönlich glaube, dass hier durchaus auch Ausnahmeregelungen getroffen werden können, sollten sich etwaige Befürchtungen bestätigen. Dafür werde ich mich im Bedarfsfall auch einsetzen.“
„Befürchte, dass die Maut sich zum Draufzahlgeschäft entwickelt“
„Ich war schon von Beginn an gegen die Pkw-Maut und von Anfang an für eine tragbare und vor allem auch EU-rechtskonforme Lösung“, erklärt SPD-MdL Bernhard Roos auf Hog’n-Nachfrage. „In der bisher geplanten Form mit Mautbelastung auch auf Bundes-, Staats- und Kreisstraßen ist die Maut definitiv unsäglich und gleicht Wegelagerei.“ Der Politiker ist sich sicher, dass der „kleine“ Grenzverkehr unter ein Einführung der Gebühren leiden würde. Der Nutzen sei definitiv zu gering: Die anvisierten jährlichen Einnahmen in Höhe von zirka 600 Millionen Euro sind im Verhältnis zum Aufwand nicht zielführend. „Im Gegenteil, es steht zu befürchten, dass die Maut sich in der Gesamtheit sogar zum Draufzahlgeschäft entwickelt, Umsatzeinbußen der grenznahen Wirtschafts- und Handelsunternehmen durch Fernbleiben der Kunden – gerade im kaufkraftschwächeren ostbayerisch-böhmischen Grenzgebiet – wären unausweichlich.“
Der Landtagsabgeordnete Alexander Muthmann (FW) ließ uns urlaubsbedingt keine Stellungnahme zukommen, auch von der DEHOGA, Bezirk Niederbayern, wurden unsere Fragen nicht beantwortet
Helmut Weigerstorfer