Falkenbach/Herzogsreut/Freyung-Grafenau. „Wenn die Bienen aussterben, sterben vier Jahre später auch die Menschen aus,“ war sich einst Albert Einstein sicher. Sein Zitat ist Aufhänger des vielfach ausgezeichneten Dokumentarfilms „More than Honey“ von Markus Imhoof aus dem Jahr 2012. Eindrücklich macht der schweizer Regisseur auf die Problematik der Bienen aufmerksam: Nicht nur die Varroa-Milbe macht den Tieren zu schaffen. Pestizide und Insektizide sowie genmanipulierte Pflanzen rücken den Hautflüglern auf den Pelz. Und in China sind es Menschen, die im Frühjahr die Obstbäume mit Wattestäbchen bestäuben – weil es keine Bienen mehr gibt… Kommt es bei uns auch nochmal so weit? Wie geht es unseren Bienen? Und ist die Biene nun eigentlich ein Haus- oder Wildtier? Gute Gründe, sich die Welt der faszinierenden Insekten näher anzuschauen…
Achim Fuchs steht vor seinen Bienenkästen am Waldrand bei Falkenbach und hantiert mit dem Smoker – ein wichtiges Gerät für jeden Imker. Im Räucherwerkzeug glimmen bei ihm gepresste Olivenkerne. Jeder Imker hat da seine eigenen Vorlieben. „Die glühen lange“, sagt der großgewachsene Mann, der viel Ruhe ausstrahlt. Jetzt kommt Rauch aus dem Smoker, leicht würzig und gar nicht unangenehm riecht das. Er öffnet die Abdeckung des Bienenstocks, darunter sind senkrecht die Waben eingereiht.
Die ideale Honigbiene: ertragreich und sanftmütig
Achim Fuchs bläst Rauch auf die Bienen, sie bleiben ruhig. Keine Rede kann davon sein, dass es hier wie im Bienenstock zugeht. Warum rauchen Bienen eigentlich gerne? „Der Rauch simuliert einen Waldbrand. Wenn die Bienen das riechen, beginnen sie, ihr Futter einzusammeln, indem sie es fressen. Und man kennt das ja auch beim Menschen: Wenn wir den Bauch mit Schweinsbraten voll haben, werden wir auch friedlich“, sagt der Imkermeister.
Seit er 15 Jahre alt ist, interessiert sich der heute 41-Jährige für Bienen. Über den Großvater ist er auf die Imkerei gekommen, angefangen hat er mit fünf Völkern: „Eins ist keins.“ Viele Jahre später machte er sein Hobby zum Beruf. Nach einer Laufbahn bei der Bundeswehr ließ er sich zum so genannten Tierwirtschaftsmeister, Fachrichtung Imkerei, ausbilden. Seit 2010 arbeitet er im Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum Kringell, wo er Leistungsprüfungen abnimmt und sich mit Völkerzucht beschäftigt. Bei der idealen Honigbiene käme es auf Ertrag, Sanftmut und Verhalten an. Sanftmut? Achim Fuchs lächelt. „Sanftmut meint, wie stechfreudig eine Biene ist. Die Biene ist kein Haustier, aber auch kein Wildtier. Durch Selektion erreichen wir, dass sie weniger sticht.“ Seit den 1950er Jahren summt in unseren Landen hauptsächlich die Kärntner Biene herum. „Die heimische Wildbiene wurde weitgehend verdrängt.“
Im Video beantwortet Achim Fuchs drei Fragen zu den fließigen Insekten:
Er nimmt einen Waben-Rahmen aus dem Stock, dicht an dicht krabbeln die Tiere darauf herum und bleiben so ruhig wie ihr „Herrchen“. Vor dem Einflugloch geht es etwas hektischer zu. Hier herrscht reges Kommen und Gehen. „Wenn das Wetter umschlägt, sind sie kitzliger. Also bitte lieber hinter dem Bienenstock aufhalten“, rät der Imker und deutet auf den Rahmen. Goldbraun und gar nicht wachsgelb sind die Waben teils verschlossen. „Das ist Propolis, das Kittharz der Bienen. Darunter lagern sie ihr Futter.“ Also den Honig. Das Hauptprodukt und der wesentliche Grund dafür, warum der Mensch überhaupt imkert.
„Die Tiere haben einen eigenen Willen – ich lenke sie nur“
Die Imkerei ist an die 4.500 Jahre alt – organisierte Bienenhaltung war schon den alten Ägyptern und Mesopotamiern bekannt. Achim Fuchs bekennt ganz klar: „Sinn des Imkerns ist der Honigertrag.“ Er sieht sich aber nicht als „Bienen-Dompteur“, vielmehr als „Lenker“. Denn ihm ist bewusst: „Die Tiere haben einen eigenen Willen und tun, was ihnen günstig erscheint.“ Der Imkermeister fährt mit dem Finger über die Waben, hinterlässt dabei eine Rille, aus der Honig quillt. Oder doch nicht? „Das ist Zuckerwasser. Die Bienen fermentieren es, dicken es ein und machen es haltbar. Geschmacklich ist es dann so ähnlich wie Honig“, erklärt Achim Fuchs. Die Biene macht somit aus der Not eine Tugend – der Honig wird ihr vom Menschen genommen – das Ersatzfuttermittel Zuckerwasser veredelt sie auf ihre Weise. Ob er selbst überhaupt noch Honig mag? „Natürlich! Außer vielleicht bei der Erntezeit“, sagt der Imkermeister. Zu viel wird dabei genascht. Ein regelrechter Honig-Overkill. Seine liebste Sorte ist Waldhonig.
Zwischen den vielen Arbeiterinnen wuseln auch ein paar Exemplare mit dickeren, dunkleren Hinterleibern umher. „Das sind Drohnen„, sagt der Imkermeister. Männchen also. Lange werden sie wohl nicht mehr im Volk geduldet. „Die meisten Drohnen wurden von den Arbeiterinnen schon aus dem Stock geworfen. Entweder sie bleiben dann freiwillig draußen oder werden totgestochen.“ So brutal das auch klingen mag – unnütze Fresser kann sich ein Bienenvolk im Winter nicht leisten. Schließlich geht es ums Überleben: Während in der Hochzeit um die Sommersonnenwende rund 50.000 Tiere ein Volk bilden, verringert sich die Anzahl im Frühherbst schon um die Hälfte – und im Winter sind es noch weniger Bienen.
Varroa-Milbe: „Insgesamt wird die Volksvitalität schwächer“
Ein gefährlicher Feind ist dabei nicht nur die Kälte, der die Bienen durch enges Zusammenrücken und Bewegung Herr werden. Gut 35 Grad Temperatur herrschen im Kern eines Bienenstocks. An den Kragen geht es den Bienen vor allem durch die Varroa-Milbe, die sich seit 1989 auch im Bayerischen Wald ausbreitet. „Das konnte man nicht vermeiden“, bedauert Achim Fuchs. Die Parasiten saugen die Bienen aus, übertragen Viren und bedrohen die Völker ernsthaft. „Momentan lässt die Milbe die Völker in einem dreijährigen Rhythmus zusammenbrechen. Und insgesamt wird die Volksvitalität schwächer“, beobachtet der Imkermeister. „Heuer ist der Befall wegen des zeitigen Frühjahrs wieder stärker.“ Und: Seit 1998 hat er keinen so genannten Bienenbart mehr am Einflugloch beobachtet – eine dichte, traubenförmige Ansammlung der Tiere also. „Die Lebensdauer der einzelnen Biene wird geringer“, meint Achim Fuchs. Geschuldet sei dies der Varroa-Milbe.
Enorm: Bienen leisten 80 Prozent der Bestäubungsarbeit
Die Imker bekämpfen den bedrohlichen Parasiten mittels Ameisensäure. Anschließend werden die toten Milben gezählt. „Wir haben sie einigermaßen im Griff“, sagt Fuchs. In Kringell arbeitet er an der Züchtung einer varroa-resistenten Biene – dabei wird das Hygieneverhalten der Tiere ins Visier genommen. Die Bienen sollen die Milben erkennen und töten können. Bereits befallene Insekten sollen sich aufmerksam machen, um von den anderen Bienen von den Parasiten befreit zu werden. „Hier stecken wir noch in den Kinderschuhen. Es wird noch ein paar Imkergenerationen dauern, bis unser Zuchtziel erreicht ist“, gibt Achim Fuchs zu bedenken.
Und was sagt er zu Einsteins Zitat? „Es gibt ja auch noch andere Bestäuber wie Hummeln und Wildbienen. Man muss ihnen halt auch Lebensraum lassen…“ Ganz so bedrohlich wie der berühmte Physiker sieht er das Szenario nicht, obwohl er zugibt, dass das Aussterben der Honigbiene zweifelsohne Konsequenzen hätte. Immerhin leisten Bienen 80 Prozent der Bestäubungsarbeit. Der Verlust wäre für den Obst- und Gemüseetrag mehr als nur herb. Ein interessanter Gedanke dabei: Auch Vegetarier und Veganer sind von Tieren abhängig, auch wenn es sich nur um kleine Hautflügler handelt. Was Achim Fuchs optimistisch stimmt, ist die Tatsache, dass sich die Imkerei immer größerer Beliebtheit erfreut. Der Imkermeister leitet selbst den Lehrgang „Imker auf Probe“.
„Man ist schon enttäuscht, wenn der Ertrag fehlt“
Einer dieser Jungimker ist Helmut Weigerstorfer (übrigens der Vater unseres gleichnamigen Redakteurs) aus Herzogsreut. Er ist nun im zweiten Jahr, hat schon sein eigenes Bienenvolk und redet begeistert von seinem Hobby. Und das, obwohl ihn die Imkerei zuvor nie so recht interessiert hat, wie er offen zugbit. Schon sein Großvater war den Bienen zugetan – dann übernahm sein Vater die Bienenzucht. Helmut Weigerstorfers Interesse wurde schließlich doch noch geweckt, als in Freyung im vergangenen Jahr ein neuer Lehrgang startete. Der 58-Jährige ist seitdem mit elf weiteren Teilnehmern so genannter Imker auf Probe. Das heißt: Innerhalb von zwei Jahren erfährt er alles über die Imkerei – in Theorie und Praxis. „Nach dem ersten Bienenjahr habe ich mein Volk mit heimgenommen“, sagt Helmut Weigerstorfer. Jetzt lebt es in einem Waldstück bei „Gstöcket“ nahe Herzogsreut, wo auch die Bienen des Vaters ein- und ausfliegen. Wonach richtet sich nun Helmut Weigerstorfer – nach den Lehrinhalten oder nach der väterlichen Tradition? „Mei, jeder Imker hat sein eigenes System. Mein Vater handelt aus Erfahrung und hält sich nicht an das, was geschrieben steht“, sagt er. Er selbst orientiert sich am Gelernten und hat vor, „auf jeden Fall dranzubleiben“.
Im vergangenen Jahr konnte er 25 Kilo Waldhonig schleudern, heuer hingegen war so gut wie nichts los. „Die Tracht wurde im Mai verregnet und der Wald hat kaum geblüht“, erklärt der Hobbyimker den Ausfall. „Da ist man schon etwas enttäuscht, wenn der Erfolg fehlt.“ Die Varroa-Milbe hat er in diesem Jahr schon bekämpft, nachdem er eine Rundmail von Lehrgangsleiter Achim Fuchs erhalten hatte. Dieser betreut die Jungimker intensiv, hat sich im Januar alle Völker angeschaut. „Bei meinen Bienen hat er leichten Durchfall festgestellt“, sagt Helmut Weigerstorfer – erkennbar an den braunen Flecken am Einflugloch. Die Tiere haben die „Scheißerei“ aber gut überstanden. Jeden Tag fährt er zu den Bienen und schaut, wie es ihnen geht. Er verfolgt einen natürlichen Ansatz und ist sich sicher: „Je mehr ich eingreife, desto unnatürlicher wird’s.“ Weigerstorfer ist fasziniert von den Tieren und schwärmt: „Ein Genie, der die Biene erfunden hat… das Wissen der Tiere ist unerforschbar.“
Noch mehr Wissenswertes über die Honigbiene
- Apis heißt die Biene im Lateinischen. Eine weitere Bezeichnungen des fleißigen Insekts: Imme – übrigens auch ein Frauenname, der sich allerdings von Irmgard ableitet.
- Apis wird auch in der Homöopathie verwendet. In der Lehre nach Hahnemann hilft das Mittel gegen brennende Schmerzen – und übrigens auch gegen Bienenstiche. Die Regel lautet: Gleiches mit Gleichem.
- Wie viele Honigsorten es gibt, lässt sich so nicht sagen – je nachdem, wo die Bienenstöcke stehen, sammeln die Tiere die Pollen der umliegenden Blüten. Dementsprechend unterschiedlich ist der Geschmack: Rapshonig ist von der Konsistenz her eher schmalzig und schmeckt mild, Waldhonig ist goldgelb und hat eine würzige Note, der so genannte Akazienhonig, dessen Pollen tatsächlich von der Robinie stammt, ist hell und flüssig und schmeichelt dem Gaumen sehr blumig.
- Propolis ist das Kittharz der Bienen – damit verschließen sie ihre Waben. Die keimtötende Wirkung nutzt auch der Mensch für sich. Produkte aus Propolis, ob als Salbe oder Tinktur, lassen Entzündungen und kleine Kratzer schneller heilen. Ein weiteres spannendes Bienenprodukt: Mit Gelée Royale ziehen Bienen eine neue Königin heran. Der wertvolle Stoff ist zum Beispiel in Kosmetika enthalten.
- Bienenwachs spielt heute keine große Rolle mehr bei der Kerzenherstellung. Die meisten Kerzen sind aus Paraffin oder Stearin – eine echte Bienenwachskerze erkennt die feine Nase sofort am Duft. Bienenwachs findet sich hauptsächlich in Kosmetikprodukten wieder. Außerdem dient es als natürliches Trennmittel von Gummibärchen.
- Die Biene Maja ist die namentlich wohl bekannteste Biene – in den 1920er Jahren wurde sie als Bilderbuchheldin bekannt und seit 1975 fliegt das vorlaute Insekt über die Bildschirme. Unvergesslich: Der müde Willi, der aufreibende Grashüpfer Flip oder Thekla, die Kreuzspinne. Noch unvergesslicher: Karel Gotts Maja-Lied, neu interpretiert von Helene Fischer. Ohrwurm-Alarm…
- Die Griechen hatten eine eigene Bienengöttin: Melissa. Die Römer beteten Mellonia an, wenn sie in Sachen Bienenzucht und Honigbau ein Anliegen hatten.
Die Biene in Zahlen:
- In einem Stock leben mehr als 50.000 Bienen.
- 100 Millionen Jahre alt ist das erste Bienenfossil.
- 1,4 Kilogramm Honig schleckt jeder Deutsche jährlich.
- Über 70 der 100 Pflanzen, die neun Zehntel der Welternährung sichern, werden von Bienen bestäubt.
- Etwa 260 Mal schlagen die Flügel der Biene im Flug.
- Eine Bienenkönigin kann bis zu 2.000 Eier täglich legen.
Quelle: Greenpeace Magazin 4.11, Seite 48 bis 58.
Text: Eva Hörhammer / Fotos: Stephan Hörhammer