Regen. „Früher“, sagt Roland Pongratz und lacht herzlich, „früher war man als Volksmusikant ein Außenseiter.“ Mit „früher“ meint der heute 43-Jährige seine Schulzeit in den 80er-Jahren. Hat er damals auf seiner Steirischen ein paar Stücke „runtergerissen“, erntete er statt Applaus eher schiefe Blicke – man stempelte diese traditionelle Musikrichtung als „uncool“ ab. Früher war eben doch nicht alles besser. Aber die Zeiten haben sich gewandelt: Volksmusik ist wieder in, Lederhose und Trachtenhemd werden mit Stolz getragen – „Mia san Mia“ ist nicht mehr nur das Motto des FC Bayern München, sondern ein inzwischen zurückgekehrtes Lebensgefühl. Und Roland Pongratz selbst hat zu diesem Umdenken einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet.
Als Initiator und Organisator des Volksmusik-Spektakels „drumherum“ in Regen hat er Steirische, Harfe und Hackbrett im Bayerischen Wald wieder salonfähig gemacht. Ein Porträt über den Volksmusik-Pionier ausm Woid!
Öde Reden – „darauf hatte ich keinen Bock“
Der Name Roland Pongratz und das „drumherum“ gehören zusammen, keine Frage. Dass das Volksmusik-Festival aber mittlerweile mit 400 Gruppen und 50.000 Besuchern zu den größten Veranstaltungen im Bayerischen Wald gehört, ist selbst für den Initiator eine Überraschung. Ein Glücksgriff, ein Zuschauermagnet – anfangs gar nicht absehbar. Denn eigentlich sollte Pongratz im Jahr 1998 für die KEB Regen ein Fest zum 20-jährigen Jubiläum eines Volksmusikseminars organisieren. Eine typische Jubliäums-Veranstaltung eben.
„Und dann kommen noch irgendwelche Leute, die Reden halten zu Themen, von denen sie keine Ahnung haben – darauf hatte ich keinen Bock.“ Seine Vision: Eine Art Wacken für Volksmusik-Fans. Zugegeben: Im ersten Jahr, also 1998, erinnerte am Veranstaltung-Ort, in der Stadt Regen, nur wenig an das Metal-Festival im Norden Deutschlands. Roland Pongratz: „Dennoch war es gewaltig. 100 Gruppen und 10.000 Besucher waren dabei.“ Für den Woid auch damals schon ein Event der Megalative, auch wenn das der Initiator nicht gerne hört. „Waidlerunderstatement“, sagt er im Hog’n-Gespräch und lacht. Übrigens: Der Name „drumherum“ kommt daher: „Das Festival ist um Regen, um Pfingsten, um Volksmusik – also: drumherum.“
Im Rausch der Volksmusik – Das Festival drumherum
Roland Pongratz jedoch nur auf dieses Spektakel, das alle zwei Jahre stattfindet, zu beschränken, wäre fast schon eine Beleidigung gegenüber dem sympathischen Regener. Zwar ist das „drumherum“ sein Baby, sein Aushängeschild, doch auch in anderen kulturellen Bereichen ist der studierte Volkskundler und Musikpädagoge ein Experte. Als Kulturbeauftrager des Landkreises Regen ist er ein wichtiger Ansprechpartner für die Vereine im Arberland. „Landrat Wölfl wollte einen Helfer für die Kulturschiene im Landkreis“, erklärt er die Anfänge dieses Postens.
Seit 2002 unterstützt Pongratz beispielsweise die Vereine bei der Organisation von Veranstaltungen und Projekten, vermittelt bei Anfragen oder hilft bei anderweitigen Problemen. „Ich bin dafür da, Ideen in die richtigen Bahnen zu lenken“, fasst er es kurz und knapp zusammen. Mit seiner ruhigen, besonnen Art scheint er die Idealbesetzung für diese Stelle zu sein. Auch, weil man schon im Gespräch mit dem Kulturbeauftragten merkt, dass dieser Mann Ideen hat, und auch bereit ist, diese um- und durchzusetzen – selbst, wenn er damit im ersten Moment nicht immer auf offene Ohren stößt und es mit viel Arbeit verbunden ist.
„Roland ist ein wahrer Allrounder – in jeder Hinsicht“
Ordentlich Herzblut, Schweiß und Hirnschmalz kostete dem 43-Jährigen auch die Konzeption einiger Ausstellungen in der Region – als Beispiele lässt sich hier das Skimuseum im Grenzbahnhof in Bayerisch Eisenstein anführen. Fast fünf Jahre war er damit beschäftigt, Material dafür zusammenzutragen. Weil man Roland Pongratz im ersten Moment nur mit Volksmusik verbindet, wissen viele gar nicht, dass er auch als Freiberufler ein Kulturbüro betreibt.
Und dort zählen eben die KEB Regen als Veranstalter des „drumherum“ und der Landkreis Regen zu seinen Kunden. „Ich bin gut eingedeckt mit Arbeit“, erzählt er. Und genau hier liegt eine seiner größten Schwächen. „Er kann einfach nicht Nein sagen“, weiß sein bester Freund und langjähriger Weggefährte Josef Schmidt. „Das Problem ist: Roland ist ein wahrer Allrounder – in jeder Hinsicht. Er weiß sehr viel und kennt viele Leute. Und deshalb wird er auch immer um Rat gebeten.“
Gymnasial-Lehrer Schmidt ist nicht irgendein Mensch, sondern derjenige, der Roland Pongratz schon in jungen Jahren unterstützt und gefördert hat. In seiner musikalischen und kulturellen Entwicklung zählt er neben seinem Vater Hans, der ihm schon früh das Hackbrett näher brachte, eben dieser „Bepp“ zu seinen wichtigsten Weggefährten. „Damals, in der Schulzeit, war es ihm immer wichtig, dass ich als Volksmusikant nicht zu kurz komme. Egal, ob Geige, Chor, Rock oder Landler – bei ihm war jeder Musiker gleich wichtig.“
In den bereits vorher angesprochenen 80er Jahren, in denen Volksmusik eher am äußersten Rand der Musikszene angesiedelt war, war das ein wichtiges Zeichen für den jungen Roland Pongratz. Wo Musik ist, da ist Pongratz – dieses Motto setzte sich im Regener Raum immer mehr durch. Mit 17 Jahren spielte er erstmals in einer Band, mit Harfe, Hackbrett und der Steirischen, versteht sich. Mittlerweile weiß er nicht mehr so wirklich, in wie vielen Gruppen er aktiv ist.
Jeder um Regen weiß: Wo Musik ist, da ist Pongratz
(Volks-)Musik hat Roland Pongratz Zeit seines Lebens begleitet. Nein, das stimmt eigentlich so nicht ganz. „Zwei Jahre – in meiner Trotzphase mit 16 Jahren – hat mich das alles null interessiert.“ Dass das aber wirklich nur eine kurzzeitige Ausnahmesituation war, dürfte mittlerweile bekannt sein. So war es irgendwie selbstverständlich, dass er nach seinem erfolgreichem Abitur Musik studieren wollte. „Ich war schon eingeschrieben. Dann habe ich aber erfahren, dass ich das nicht mit der Steirischen machen kann.“
Die Folge: Der junge Mann entschied sich gegen das Konservatorium, er belegte hingegen den Studiengang Volkskunde. Im Nachhinein die richtige Entscheidung, wie Pongratz heute sagt. Dennoch blieb die Musik freilich immer sein größtes Hobby, seine Leidenschaft.
Die fast schon logische Konsequenz: Mit Sonja Petersammer heiratete er eine studierte Musikerin. Und auch die beiden gemeinsamen Kinder, Simon (6) und Sophia (8), halten sich am liebsten mit den Instrumenten auf. „Bei uns im Haus gilt die Vorgabe: Jeder darf mit allem spielen, solange nichts absichtlich kaputt gemacht wird.“ Genau so stellt man sich die Familie Pongratz vor. Gitarre, Klavier und Flöte – rund um die Uhr. Doch ganz so ist es nicht. „Bei uns zu Hause wird relativ wenig Musik gemacht. Meine Frau und ich spielen hauptsächlich bei den vielen Proben.“ Nur die eigenen Kinder und die Musikschüler spielen im Hause Pongratz auf – viele Grüße an die Vorurteile.
„Handgemacht Musik ist wieder was Wert“
Diese gab es auch lange Zeit gegen die Volksmusik. Polka, Walzer und Marsch wurden in eine Ecke mit der volkstümlichen Musikantenstadl-Schunkelmusik gestellt. „Gott sei Dank hat sich das mittlerweile verändert. Handgemachte Musik ist wieder was wert“, weiß er. „Es zählt aber nicht nur der richtige Ton, sondern auch das Miteinander und die Geselligkeit.“ Große Worte. Aber man nimmt sie Roland Pongratz ab, ohne den geringsten Zweifel an dem, was er gesagt hat. Einfach so. Trotz dieser erfreulichen Entwicklung bleibt er auf dem Boden, typisch Waidler eben: „Ich hoffe, das Ganze wird nicht übertrieben. Denn dann verkommt es zu einer Faschings-Veranstaltung.“ Und dann wäre Volksmusik wieder uncool und die Pionierarbeit von Roland Pongratz umsonst…
Helmut Weigerstorfer