Kirchberg im Wald. Wenn ein Dorf Hintberg heißt und „hinten“ in der Bayerwald-Gemeinde Kirchberg im Wald liegt, dann denkt man an duftende Wiesen, vielleicht an ein paar weidende Kühe und den alten Bauern, der mit der Pfeife vor seinem Bauernhof sitzt und still seine kleine Welt betrachtet. Vielleicht war es sogar so, in Hintberg. Bis zum 27. März 2014. Bis zu dem Tag, als bekannt wurde, dass zwei Windräder an den Rand des Dorfes gebaut werden sollen.
„Ich lasse mich doch nicht als Verbrecher beschimpfen“
Die Kommunalwahl war gerade vorbei, alles schien seinen normalen Lauf zu gehen. Genau das ist es, worüber sich Martin Abel aufregt: Der Hintberger fühlt sich hintergangen, „weil wir vor der Wahl bewusst nicht informiert wurden“, sagt er. Das richtet sich nicht gegen den Bürgermeister (Alois Wenig, CSU), sondern gegen den ein oder anderen Gemeinderat – und vor allem gegen den Betreiber der künftigen Windräder: „Er hat alle Beteiligten zum Stillschweigen angehalten, damit vor der Wahl keine Diskussion entstehen kann. Und jetzt ist es vielleicht schon zu spät.“
Derweilen treibt die Auseinandersetzung im Dorf Hintberg schon erste Blüten: Der Bauer, der eines der Windräder auf sein Grundstück stellen lässt, fand eines Morgens das Wort „Arsch“ auf seiner Hauswand wieder. Es steht immer noch am Haus geschrieben, ist aber zurzeit von einem Blumenkübel verdeckt.
Der Ärger ging damit in die nächste Runde: „Bei einer Bürgerversammlung hat mir dann der Betreiber der Windanlagen eine Studie in die Hand gedrückt und gesagt: ‚So wird es mit euerer Bürgerinitiative weitergehen, ich weiß das alles schon‘.“ Stefan Kopf, einer von denen, die gegen die Windräder protestieren, fühlt sich dadurch mehr als beleidigt: „Da drin ist von illegalen Machenschaften die Rede, die von Bürgerinitiativen gestartet werden. Das halte ich für eine absolute Frechheit, ich lasse mich doch nicht als Verbrecher beschimpfen.“
So schaukelte sich der Ärger immer mehr hoch – und das Dorf Hintberg fing langsam an, sich zu spalten. Denn, es ist wie überall: Einigen ist es egal, manche sind dafür, andere sind dagegen, wieder andere hoffen, von den Windrädern direkt finanziell zu profitieren. „Wir sitzen schon noch alle am Wirtshaustisch und reden miteinander“, sagt Kopf. Aber: Erste Freundschaften stehen bereits auf der Kippe und ein paar sind darunter, die eben schon nicht mehr miteinander reden wollen.
Abel und Kopf fühlen sich in diesem Zwist in die Ecke der Sünder gestellt: „Wir müssen zuschauen, wie das Dorf entzweit wird und unsere gesunde Struktur kaputt geht“, sagt Abel. Der Betreiber der Windanlagen kann sich als Vorreiter feiern lassen, die Politik ebnet den Weg in die Zukunft: „Alle können sich rühmen und wir stehen zum Schluss da, als seien wir die Hausbeschmierer“, so Kopf. „Natürlich waren wir es nicht, weil wir das für absolut abscheulich halten“, sagt Martin Abel noch dazu. Und, auch das ist Fakt: Obwohl die Polizei eingeschaltet wurde und ermittelte – ein Täter ist noch nicht gefunden.
„Wenn wir Pech haben, ist das alles nichts mehr wert“
„Wenn ich ehrlich bin, fällt es mir von meiner inneren Überzeugung her nicht leicht, mich gegen diese Windräder zu engagieren“, sagt Stefan Kopf, der selbst auf alternative Energien setzt. „Ich bin ja für die Windkraft, aber bitteschön gehören die Bürger bei der Auswahl der Standorte beteiligt. Uns hat man einfach übergangen.“ Vor allem für Hintberg würden die Windräder zu viele Nachteile mit sich bringen – angefangen vom möglichen Lärm über den sogenannten Infraschall bis hin zur möglichen Wertminderung der Häuser.
Tatsächlich hat der erste Bauer schon resigniert: Er nagelte am Ortseingang von Hintberg bereits ein Schild an seinen Schuppen: „Zwecks geplantem Bau von zwei Windkraftanlagen“ sei das landwirtschaftliche Anwesen zu verkaufen. „Für uns ist das wirklich ein Problem, denn wir haben ja viel Geld in unsere Häuser gesteckt, das dürfte jedem klar sein“, sagt Martin Abel. „Wenn wir Pech haben, ist das alles nichts mehr wert.“
Dabei, so sind sie überzeugt, interessiere sich niemand für die Probleme, die die Bewohner in Hintberg mit den Windrädern haben können – wobei noch weitere kleine Dörfer in ähnlicher Entfernung zu den geplanten Anlagen stehen und ebenfalls betroffen sind. „Wenn der Bürgermeister sich an das Stillschweigen gehalten hätte, um das man ihn gebeten hatte, dann hätten wir wahrscheinlich erst von den Windrädern erfahren, wenn die Bagger anrollen“, sagt Abel. „Wenn man vorher mit uns geredet hätte, vielleicht hätten wir ja eine Lösung gefunden, die für alle Beteiligten passt.“
Eine kleine Hoffnung bleibt den Gegnern der Windkraftanlagen in Hintberg noch: Jetzt wird erst einmal geprüft, wie viel Wind überhaupt an den geplanten Standorten vorhanden ist. „Wenn wir Glück haben, dann weht nur ein laues Lüfterl“, sagt Martin Abel. Dann wäre die ganze Aufregung um zwei Windräder in Hintberg umsonst gewesen.
Lothar Wandtner
Im September 2015 könnten sich die Rotoren drehen
Adolf Probst arbeitet seit Jahren daran, geeignete Standorte für Windräder im Bayerischen Wald zu finden. In Hintberg glaubt er ideale Bedingungen gefunden zu haben, um dort mit seiner Bürgerwind Bayerwald GbR zwei Windkraftanlagen bauen zu können. Er rechnet fest damit, in den nächsten Wochen den endgültigen, positiven Baubescheid zu bekommen.
„Wir könnten sofort mit dem Bau anfangen“, sagt er. Der erste Schritt ist aber, zunächst den Wind an den beiden Standorten zu messen. „Spätestens im Winter können wir klare Aussagen dazu treffen, ob die gewählten Orte passen. Wenn alles optimal läuft, können wir im nächsten Jahr, April oder Mai, mit dem Bau beginnen.“ Im September 2015, so sein Plan, könnten sich die Rotoren bereits drehen.
Geplant sind zwei Anlagen mit einer Nabenhöhe von 138 Metern. Die Rotoren sollen einen Durchmesser von 92 Metern haben, so dass mit 185 Metern Gesamthöhe zu rechnen sei, teilt Probst mit. „Unsere Anlage ist absolut harmlos“, sagt er weiter. „Wir sind so weit von den Häusern in den vier betroffenen Dörfern entfernt, dass mit keinen Beeinträchtigungen für die Anwohner zu rechnen ist“, verspricht er.
Den Widerstand gegen Windanlagen kenne er schon seit mehr als 20 Jahren, sagt Probst. „Deshalb setze ich auf absolute Rechtssicherheit, was die Genehmigung anbelangt. Außerdem: Wir machen sowieso nichts Ungesetzliches.“ Letztlich, so ist Probst überzeugt, bringen die Windanlagen keine negativen Einflüsse: „Das Einzige ist: Man sieht sie.“
Lothar Wandtner