Eggenfelden. Endlich! Sie hat lang darauf gewartet – nun hat es endlich geklappt: Der terminüberladene Intendant des Theaters an der Rott hat sich Zeit für Fräulein Weiler genommen, sich mit der ominösen Kritikerin getroffen und so manches Geheimnis gelüftet. Beide hatten einen höchst unterhaltsamen Nachmittag im sonnigen Büro des Intendanten mit Kaffee, Tee und süßen Leckereien.
„Ein Theatermacher ist auch immer ein Kommunikator“
Karl Sibelius, ich freue mich sehr, hier bei Ihnen auf der Couch sitzen zu dürfen und mit Ihnen zu plaudern! Ich wollte Ihnen schon immer mal persönlich sagen, wie froh mich das Theater an der Rott mit Ihnen macht!
Vielen lieben Dank! Ich finde es auch ganz spannend, ausgerechnet Sie in meinem Büro zu haben. Endlich lerne ich Sie mal persönlich kennen – es wurde ja so viel gemunkelt… Und vor allem die Passauer Neue Presse, dieser gewisse Herr Meisenberger, konnte seine Neugierde gar nicht in Zaum halten, wer sich hinter Ihrer Person nun tatsächlich verbirgt. Schließlich hatte man meine Referentin unter Verdacht – oder gar mich selbst!

Das Leben ist wie ein Überraschungsei: Karl M. Sibelius in seiner Show „Rose – Queen of the Night“.
Das wundert mich so! (lacht) Ich meine – nun steht ja ganz sicher fest, dass ich ich bin und keiner sonst. Ich verstehe überhaupt nicht, was um meine Person für ein Aufhebens gemacht wird. Freilich, ich schreibe gern – und viele sagen gut. Dennoch möchte ich mich nicht in der Öffentlichkeit rühmen. Da unterscheiden wir uns ein bisschen, oder?
Natürlich ist ein Theatermacher auch immer ein Kommunikator. Je mehr man sich in der Öffentlichkeit zeigt und je mehr man auf die Menschen, auf das Publikum eingeht, desto angreifbarer macht man sich. Nichtsdestotrotz habe ich mich nie gescheut, direkt auf Anfragen, Kritik, aber auch Lob zu reagieren und habe deshalb das Theater an der Rott dorthin gebracht, wo es jetzt steht. Es ist eines der bemerkenswertesten Mehrspartenhäuser in Deutschland.
Sie wissen ja, dass ich oft und gerne ans Theater an der Rott gegangen bin. Leider werde ich das in Zukunft nicht mehr so oft schaffen… (seufzt)
Warum denn nicht?
Sie haben’s doch mitgekriegt: Ich ziehe weg – der Liebe wegen. In den Bayerischen Wald.
(überrascht) Wo ist das denn, bitteschön?! Vor allem habe ich nicht gewusst, dass im Bayerischen Wald gleichgeschlechtliche Ehen erlaubt sind… Das finde ich toll! Hat das Landrat Adam bewirkt?
(lacht) Das ist ein wunderschönes bayerisches Mittelgebirge, das an Tschechien und Ihre österreichische Heimat angrenzt. Davon müssen Sie doch gehört haben! Jedenfalls sind es dann über hundert Kilometer, die mich vom Theater an der Rott trennen. Da werde ich es nicht mehr schaffen, mir jedes Stück anzuschauen.
Das wird gewisse Personen sicher sehr freuen!
Zum Thema Trier: „Wir wollen ein Stadttheater der Zukunft werden“
Sie belieben zu scherzen. Aber sagen Sie mal, Sie bleiben doch selbst auch nur noch eine Saison! Wie geht es Ihnen mit dieser Entscheidung?
Gut. Sehr gut (lacht).
Trier ist ein bisschen größer als Eggenfelden, damit bekommen Sie sicher ein ganz anderes Publikum. Was wollen Sie dort erreichen? Was werden Sie verändern?
Wir wollen ein Stadttheater der Zukunft werden. Wir wollen auch dort zeigen, dass Theater immer ein lebendiger Ort ist, dass Theater nie Stillstand bedeutet. Wir wollen speziell für die Menschen dort Theater machen, das aber überregional ausstrahlt.
Sie leben dann am westlichsten Rand der Republik und ich am östlichsten… (seufzt) Was planen Sie denn für Ihre letzte Saison am Theater an der Rott? Warum wird es sich für mich lohnen, aus dem Bayerischen Wald in die Rottaler Niederungen zu fahren?
Es ist mir während meiner Intendanz gelungen, wunderbare Menschen aus nahezu ganz Deutschland anzulocken – das hat sich total durchmischt. Es lohnt sich auch, aus Berlin zu uns ans Theater an der Rott zu kommen. Also ist die Strecke aus dem Bayerischen Wald ja eigentlich ein kleiner Spaziergang… Sehenswert ist jedes Stück bei uns. Der Spielplan ist – das haben uns auch die Zuschauer bestätigt – ein außerordentlich vielseitiger. Die Worte ‚fantastisch‘ und ‚einzigartig‘ wurden nicht nur einmal erwähnt.
Im Ernst? „Vom Theater an der Rott verabschiede ich mich nackt“
So gesehen haben Sie natürlich Recht. Wie ich Sie kenne, werden Sie keinen stillen Abgang hinlegen. Wie verabschieden Sie sich vom Theater an der Rott – wie von der Stadt Eggenfelden?
Vom Theater an der Rott verabschiede ich mich komplett nackt in einer Naked-Show am Ende des Jahres. Ich werde Rose mit ins Gepäck nehmen, aber auch nächstes Jahr immer wieder ‚Hallo!‘ sagen lassen. Ich möchte, dass die Menschen mit offenen, staunenden Mündern auf unsere Bühne schauen und am letzten Tag heulend und verzweifelt, nach Autogrammen heischend, von mir Abschied nehmen wollen. Vor allem die Eggenfeldner.

Nicht Karl M. Sibelius war der Aufreger bei der Operette „Die Fledermaus“ – sondern der Spielortwechsel.
Puh! Nach Ihrem Abschied von Eggenfelden wird Dr. Uwe Lohr Intendant. Wie finden Sie das? Sie kennen ihn doch als Ihren Mitarbeiter sehr gut, oder? Auf welche Veränderungen darf sich das Publikum einstellen?
Ich finde das natürlich gut, weil das für eine gewisse Kontinuität steht. Aber natürlich wird Dr. Lohr ein eigenes künstlerisches Profil aufbauen und das Haus neu positionieren. Das ist auch wichtig, denn: Einen Sibelius zu kopieren ist nicht einfach und vor allem nicht gut.
„Manchmal hat man das Gefühl, man lebt in Bangladesh“
Das klingt alles so wahnsinnig spannend und es zeigt mir wieder mal: Im Leben gibt es keinen Stillstand. Darf ich etwas persönlicher werden? Wie denken Sie über die Gesellschaft? Hier sind Sie oft angeeckt, viele Menschen haben sich intolerant gezeigt – gegenüber den Veränderungen am Theater an der Rott und gegenüber Ihnen als Person.
Bayern ist eines der reichsten Länder der Welt – und wenn es um Kultur geht oder aber auch um Akzeptanz von Fremden, hat man manchmal das Gefühl, man lebt in Bangladesh. Die ewigen Finanzdiskussionen, aber auch die Angst vor dem Fremden, vor dem Anderssein hat mich in so einer gewaltigen Welle erfasst, wie ich es mitten in Europa nicht erwartet hätte. Das war für mich eine Chance, denn viele Menschen sind darum auf dieses Haus aufmerksam geworden, weil sich hier Leute über Dinge aufregen, die woanders zum Alltag gehören. Die in einem Theater in einer größeren Stadt auf dem alltäglichen Programm stehen. Alleine, dass das Stück ‚Die Präsidentinnen‘ für Protestwellen sorgte, das in ganz Deutschland mit großem Erfolg gespielt wird… Oder die örtliche Veränderung – dass man es wagt, „Die Fledermaus“ einmal nicht in Eggenfelden, sondern in Pfarrkirchen zu spielen – da tun sich Abgründe auf, mit denen ich niemals gerechnet hätte, die mir aber auch zeigen, wie wichtig es war, dass Menschen wie ich und mein Team lebendiges Theater machen. Auch auf die Gefahr hin, dass man letztlich persönlich Konsequenzen ziehen muss…
Mich bewegt das sehr. Wir schreiben das Jahr 2014. Wäre da nicht mehr Toleranz zu erwarten, mehr Menschlichkeit? Der Trubel um Conchita Wurst hat gezeigt, dass es damit nicht weit her ist…
Es geht nicht um Toleranz, sondern um Akzeptanz. Das Theater an der Rott hatte eigentlich mit Rose bereits ‚Conchita Wurst‘ voraus. Es ist völlig egal, wie Menschen aussehen. Wichtig ist, dass nicht alle gleich sind. Sonst wäre das Leben doch total langweilig. Wichtig ist, dass alle die gleichen Rechte haben.
„Medienvielfalt ist das wichtigste Gut – es geht um Meinungsbildung“
Ich schreibe ja auch für ein Medium, das Online-Magazin da Hog’n. Meiner Meinung nach müssen Medien kritisch sein und zur intellektuellen sowie emotionalen Weiterbildung der Menschen beitragen. Das ist ein hoher Anspruch, den sicher nicht jedes Medium erfüllt. Wie nehmen Sie die Arbeit der Medien wahr? In Trier werden Sie es ja hauptsächlich mit dem Trierischen Volksfreund zu tun haben – ein Monopolblatt wie die Passauer Neue Presse…
Es ist ja bei der Passauer Neuen Presse so, dass man von nur wenigen Menschen und deren persönlichen Befindlichkeiten oder abendlichen Stimmungen abhängig ist. Wenn der Kritiker private Probleme hat, dann schlägt sich das manchmal auch in seiner Kritik nieder – zumindest habe ich das Gefühl. Und deshalb nehme ich diese Kritiken schlicht und einfach nicht ernst. Es ist aber auch so, dass ich mich schon wundere, welche Möglichkeiten und welche Macht solche Zeitungen haben. Das geht ja bis hin zu den Veröffentlichungen von fast rechtsnationalem Gedankengut… Das ist etwas, das mich erschüttert.
Medienvielfalt ist das wichtigste Gut – Medienmacher sind eben Meinungsbildner. Gerade in so einer ländlichen Region. Ich habe immer dafür gearbeitet, dass sich die Menschen selber eine Meinung bilden. Wir haben unser Gästebuch ausgelegt, wo die Menschen ihre Meinungen niederschreiben können. Aber im Übrigen kann ich natürlich mit dem Feedback der PNP mehr als zufrieden sein, da die Kritiken ja durchwegs euphorisch waren – was Ihnen ja, liebes Fräulein Weiler, immer vorgeworfen wird.
Tja… Kommen wir nochmal aufs Theater zu sprechen – darum geht es ja eigentlich. Eine schlichte Frage: Warum machen Sie Theater?
Ich mache wieder Theater, weil ich nach einer Auszeit drauf gekommen bin, dass Theater das Mittel ist, mit dem ich – und da widerspreche ich vielen Theatermachern – etwas verändern kann. Mit Theater kann man eine Gesellschaft sehr wohl verändern. Wenn ich nur einen Menschen an einem einzigen Abend so begeistern kann, dass er weiter ins Theater geht, habe ich mein Ziel schon erreicht.
„Ich habe das Privileg, meinem Traumberuf nachzugehen“
Sagen Sie mal – was machen Sie privat am liebsten? Wie verbringen Sie einen Tag, an dem Sie keine Verpflichtungen haben – oder gibt es einen solchen gar nicht?
Das fragen mich die Leute immer wieder: Wie schaffen Sie das alles? Ich weiß, das ist gefährlich, was ich sage – immerhin bekomme ich dafür mein Geld. Aber ich habe nur in extremsten Situationen Stress – zum Beispiel, wenn ich diverse Zeitungsartikel in der PNP lese oder Sondereinladungen des Landratsamts wahrnehmen muss. Ansonsten habe ich nie das Gefühl zu arbeiten, sondern das Privileg zu haben, meinem Traumberuf nachzugehen. Es wurde mir sehr oft angekreidet, dass ich so wenig spiele. Darum habe ich beschlossen, in der nächsten Spielzeit zumindest in drei Stücken aufzutreten. Das ist mein Abschiedsgeschenk an Eggenfelden – ob sie es wollen oder nicht (lacht).
Vielen lieben Dank für das Gespräch! Ach, ich könnte noch ewig mit Ihnen weiterplaudern, aber ich weiß ja: Sie werden von der Pflicht gerufen. Und auch ich muss weiter. Lassen Sie sich drücken! Ich bin sicher: Wir sehen uns bald wieder!
Interview: Fräulein Weiler