Liebe Freunde aus dem Bayerischen Wald,
vielen sagen, dass die WM in Brasilien ein Reinfall wird, dass das Land in Korruption versinkt und dass öffentliche Gelder für den Bau der Stadien verwendet worden sind, weil diese das Zwei- oder Dreifache gekostet haben. Es hat in Brasilien viele Demos gegeben. Lehrer haben protestiert – sie wollten, dass das Geld, das die Stadien verschlungen haben, in die brasilianische Bildung und Schulgebäude gesteckt wird. Sie wünschen sich, dass Brasilien die Weltmeisterschaft nicht gewinnen wird. Denn dann vergisst das Volk all diese Probleme – und im Oktober wird die aktuelle Präsidentin Dilma Rouseff wiedergewählt.
Das Stadion in Brasilia hat nach der WM keine Verwendung
FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke sagte kürzlich, der frühere Präsident Lula habe ausdrücklich darum gebeten, dass die WM in Brasilien für die Einheimischen sein sollte. Damit meinte er, die Begegnungen sollen im ganzen Land ausgetragen werden. Gleichzeitig sollen aber alle Arenen auch nach der Weltmeisterschaft genutzt werden. Also gibt es keine plausible Erklärung dafür, warum zum Beispiel in Brasilia das riesige Stadion Mané Garrincha errichtet worden ist. Dort gibt es keine breite Fanbasis und auch keinen erstklassigen Fußballclub. Es gibt Gerüchte, dass viele Fans die WM boykottieren möchten – auch wegen der Sicherheit im Land. Und ich kann bestätigen: Die Stimmung ist nicht so ganz friedlich. So wird es bei der Eröffnung keine Tickets im Umfeld des Stadions geben, um eventuelle Unruhen schon im Keim zu ersticken.
Sobald das Team den Rasen betritt, jubeln wir unserer Seleção zu
Sobald der Ball rollt, wird die Leidenschaft für den Fußball aber lauter sein als alle Probleme. Die Tickets für die einzelnen Begegnungen waren innerhalb von wenigen Stunden verkauft, die Nachfrage war riesig. Ich glaube, die Brasilianer werden während der Weltmeisterschaft zeigen, dass es auch ein Land fernab dieser Konflikte gibt. Sobald unser Team das Fußballfeld betritt, werden wir alle verrückt unserer Seleção zujubeln. Die älteren Fans werden sich an die letzte WM in Brasilien erinnern, die jüngeren werden sich vom Zauber des Turniers anstecken lassen und die Spieler um Neymar anfeuern – und alle gemeinsam hoffen, dass unser Team den Titel holt.
In Sachen Infrastruktur wird es ein Chaos geben
In meiner Heimat ist die Weltmeisterschaft derzeit Gesprächsthema Nummer eins. Es ist einfach wunderbar, zu Hause spielen zu dürfen. Auch wenn ich mir ab und zu die Frage stelle, ob unsere Infrastruktur für ein solches Großereignis ausreicht. Es wird – vor allem für ausländische Fans – schwierig werden, von einem Stadion zum anderen zu kommen – egal, ob per Flugzeug oder Bahn. Da wird es ein Chaos geben.
In und um die Sportstätten jedoch wird eine einmalige und friedliche Stimmung herrschen. Es wird eine Show. Ein Fest einer ganzen Nation. Und darauf freue ich mich.
Viele Grüße aus Brasilien
Balafrê Andrade
________________________________________
Balafrê Andreas (23) stammt aus Pindamonhangaba, eine brasilianischen Stadt im Bundesstaat São Paulo. Während seiner Schulzeit verbrachte er ein Jahr in Deutschland, genauer gesagt im Bayerischen Wald. Dort besuchte er das Gymnasium Freyung, wo er neben Hog’n-Redakteur Helmut Weigerstorfer die Schulbank drückte. Für das Onlinemagazin „da Hog’n“ blickt Balafrê auf die Weltmeisterschaft in Brasilien, die am 12. Juni beginnt. (Ein herzliches Dankeschön geht in diesem Zusammenhang an die im Bayerwald lebende Brasilianerin Karla Fuchs für die Übersetzung).