Waldkirchen. Und wieder donnert der Hammer nieder. Zunderteilchen fliegen davon, wuchtige Schläge erschüttern den Raum. Trotzdem bleibt Sepp Kindermann konzentriert. Er weiß: Jeder noch so kleine Fehler kann entscheidend sein – und seine bisherigen Mühen zunichte machen. Dass irgendwann aus dem viereckigen Stück Eisen, das der 54-Jährige bearbeitet, eine Pfanne werden soll, ist jetzt noch kaum vorstellbar. Der gelernte Schmied bezeichnet sich selbst als Handwerker. Schaut man ihm jedoch bei seinem Schaffen zu, weiß man, dass das nicht bloße Arbeit ist – vielmehr Kunst. Erstaunlicherweise ist es in der Werkstatt – trotz der offenen Feuerstelle, in der das Eisen zum Glühen gebracht wird – angenehm kühl. „Weil der Raum ein bisschen unter der Erdoberfläche liegt“, erklärt der Waldkirchener. Das Onlinemagazin „da Hog’n“ war in der Hammerschiede Kindermann, eine der letzten ihrer Art im Bayerischen Wald, zu Besuch.
So wird’s gemacht: Stefan und Sepp Kindermann schmieden eine Pfanne:
Bereits vor dem Betreten der Werkstatt weiß man, worauf man sich einlässt. Das Poltern des Hammers ist sofort vernehmbar, das Traditionelle der Schmiede sogleich spürbar. In dicken, wie sollte es anders sein, Eisen-Lettern, hängt über dem Eingang ein Schild mit der Aufschrift „1686 – Hammerwerk – Kindermann“. Seit mehr als 320 Jahren wird also in Waldkirchen geschmiedet, gehämmert, gefeilt und geschliffen. Doch das stimmt nicht ganz. Zum einen gibt es die Schmiede wohl schon viel länger, denn: „1686 wurde sie erstmals urkundlich erwähnt“, erklärt Sepp Kindermann.
Zum anderen hieß das Anwesen früher Alteneder. Erst seit Josefs Vater Franz sind die Kindermanns Hausherren in dem altehrwürdigen Gebäude am Fuße der Stadt. Und genauso wie der jetzige Besitzer schon seit Kindesbeinen mit Hammer und Amboss werkelt, so erging es auch dem heutigen Junior: Stefan, der nach seiner Lehre im familieneigenen Betrieb sich nun für das Studium der Wirtschaftsingenieurswissenschaften in Deggendorf entschieden hat. „Das war nicht anders möglich“, erklärt Sepp. „Für zwei Familien würde die Schmiede zu wenig Geld abwerfen.“
Trotz WWW: Ein gewisses Offline-Geschäft ist geblieben
Die Zeiten haben sich geändert, mittlerweile ist die Schmiede ein Ein-Mann-Betrieb. In den Hochzeiten waren dort noch vier Angestellte beschäftigt. Was jedoch gleich geblieben ist, sind die Arbeitsschritte und die Gerätschaften.
„Die sind unzerstörbar“, berichtet Stefan Kindermann. „Und ist doch mal was kaputt, kann man es leicht selber reparieren.“ Das schwere Gerät, die Hammer, die Zangen und Ambosse, die Werkbank – betrachtet man diese Dinge, scheint die Zeit im Hammerwerk stehen geblieben zu sein.
Erst auf den zweiten Blick werden die Neuerungen sichtbar: Nur noch ein Hammer wird heute mit Wasser vom Pollmansdorfer Bach angetrieben – der Rest funktioniert mit Strom. Und auch in Sachen Vertrieb hat sich einiges geändert. Kamen früher die Kunden, überwiegend Landwirte aus der Umgebung, noch selber vorbei und kauften sich Hauen, Pickel oder Pfannen, läuft nun ein Großteil der Bestellungen übers World Wide Web.
Ein gewisses „Offline-Geschäft“ ist dennoch geblieben – auf die unmittelbare Kundenähe legen die Kindermanns auch großen Wert. Schließlich soll man wissen, woher das Geschmiedete kommt – und auch, dass die Werke mit viel Mühen verbunden sind.
„Da hat man dann die ein oder andere schlaflose Nacht“
Auch wenn Sepp Kindermann nicht gerade als „Braggl Kund“ gilt, ist es leicht vorstellbar, dass seine Arbeit kein Zuckerschlecken ist (bester Beweis hierfür sind die einzelnen Arbeitsschritte, die in unserem Video dargestellt sind).
Die Hitze am Feuer, die Erschütterungen am Hammer: Hammerschmied ist ein Knochenjob – bei dem allerdings der künstlerische Aspekt auch nicht zu kurz kommen darf. Die Verzierungen an der Dreisessel-Kapelle, gestaltet von Bildhauer Leopold Hafner, schmiedete beispielsweise Sepp Kindermann. „Da hat man dann schon mal die ein oder andere schlaflose Nacht“, gibt er zu. „Schließlich soll das Ganze etwas Außergewöhnliches werden.“
Genau diese Vielfältigkeit, das stetig Neue, ist das, was Sepp Kindermann an seinem Job gefällt. Angesteckt damit hat er auch seinen Sohn Stefan, der trotz der zweifelsohne harten Arbeit früher oder später gern in die Fußstapfen seines Vaters treten möchte. Ob es dann, wenn es soweit ist, das Hammerwerk Kindermann noch geben wird oder ob die Massen-Herstellung das alte Schmiedehandwerk dann endgültig verdrängt hat, bleibt abzuwarten…
Helmut Weigerstorfer