Haindling. Mit „Lang scho nimmer gseng“ hat er vor genau 30 Jahren den bundesweiten Durchbruch geschafft. Mit der Titelmusik zu den BR-Kultsendungen „Irgendwie und Sowieso“ und „Zur Freiheit“ (Paula) hat er sich in die Herzen aller Bajuvaren und Bayern-Liebhaber gespielt – und erzeugt damit heute noch Gänsehaut bei seinen Zuhörern. Die Rede ist von Hans-Jürgen Buchner alias Haindling. „Wenn ich Lieder mache, dann mach ich sie in erster Linie für mich selbst“, ist der heute 69-Jährige seiner Linie treu geblieben. Er möchte nicht das hören, was im Radio kommt, nein. Er möchte in sein Auto einsteigen, eine Kassette einwerfen und seine eigene Musik hören, hatte er einst als sein unerschüterliches Credo formuliert.
Und müde ist er noch lange nicht, wie Hans-Jürgen Buchner im Hog’n-Interview verrät. Seinen Terminkalender bestimmt er selbst, die Tour ist bereits im vollen Gange. Ein Gespräch über das Nichtstun, den Bayerischen Verdienstorden, neumodische Fernsehformate, Rammstein, lispelnde Moderatoren – und natürlich Musik.
„Die Tour geht los, ich bin wieder gefordert, ich freu mich“
Jürgen: Seit mehr als 30 Jahren stehst Du nun auf der Bühne und machst Musik. Brennst Du eigentlich immer noch wie am ersten Tag – oder wird man nach so langer Zeit nicht allmählich a bisserl müde?
Müde ist man nur, wenn man nicht lang genug geschlafen hat – und ich bin ein Mensch, der gerne lange schläft (lacht). Nein, ich bin definitiv nicht müde – und bin auch in den letzten 30 Jahren nicht müde geworden. Es macht immer noch Spaß, nur: Eine kurze Auszeit schadet nicht – weshalb ich in den vergangenen sechs Monaten eine kleine Pause eingelegt habe. Seit November hab ich’s mir gutgehen lassen – was aber nicht heißt, dass es mir beim Musik machen schlecht gehen würde. Aber jetzt ist es soweit, dass die Tour losgeht und ich wieder gefordert bin – darauf freu ich mich.
„Paula“ – Haindlings Titelsong für die Fernsehserie „Zur Freiheit“:
Mit was hast Du Dir im letzten halben Jahr die Zeit vertrieben?
Mit nix (schmunzelt). Ich bin immer dann, wenn schönes Wetter war, im Garten gelegen und habe die Sonne genossen. Klar: Überhaupt nix tun, das gibt’s als Musiker nicht, weil man ja ständig mit Text-Ideen und Kompositionen beschäftigt ist. Nichtstun heißt für mich: Dinge zu tun, ohne dass ein Auftrag dahinter steht. Nichtstun bedeutet: Das Leben genießen, ohne dass irgendein wirtschaftliches Interesse damit verbunden ist… Man kann ja nicht ein ganzes Leben lang arbeiten – und wenn Du dann stirbst, denkst Du Dir: Auweh! Jetzt hab ich überhaupt keine Zeit mehr zum Leben gehabt…
Du beherrschst ja schier unendlich viele Instrumente, Jürgen. Was ist Dein Lieblingsinstrument?
(überlegt) Ich denk immer daran zurück, wie ich als Schüler im Internat die Kataloge mit den Musikinstrumenten durchgeblättert habe. Ich habe mir damals jedes Instrument gewünscht: ein Saxophon, eine Trompete, Schlagzeug, Gitarre und und und… Und heute hab ich noch viel mehr Instrumente, als in dem Katalog abgebildet waren (lacht).
Kommen wir zur Film- bzw. Fernsehmusik: „Irgendwie und Sowieso„, „Zur Freiheit“, „Der Kaiser von Schexing“ – zu all diesen Sendungen hast Du die Titelmusik beigesteuert. Hättest Du gedacht, dass diese Formate einmal Kult-Status erreichen würden?
Nein, das hätt ich damals, als ich die Lieder geschrieben habe, nicht geglaubt… Einstein hätte wahrscheinlich auch nicht geglaubt, dass die Atombombe so eine verheerende Wirkung hat… Meine Musik hat natürlich eher positive Wirkung (lacht). Ich hab mich sehr darüber gefreut, dass die Serie ‚Irgendwie und Sowieso‘ ein solcher Erfolg geworden ist – auch aufgrund meiner Musik. Andererseits muss ich auch ganz klar sagen: Ohne die Serie wäre meine Musik auch nicht so erfolgreich gewesen. Beides ist hier Hand in Hand gegangen, hat dem Franz-Xaver Bogner geholfen – und hat mir geholfen.
„Wenn mir der Film nicht gefällt, mach ich auch keine Musik dazu“
Ist in naher Zukunft denn wieder mal ein ähnliches Projekt geplant? Also dass Du zu einer (bayerischen) Sendung die Musik lieferst?
Ich habe für ‚Bavaria – Traumreise durch Bayern‘, einem wunderbaren Kinofilm von Josef Vilsmaier, die Musik gemacht. Momentan bekomme ich eigentlich keine Fernseh-Serien angeboten, sondern eher Fernseh-Filme, worüber ich nicht so recht glücklich bin. Die Produktionen haben mir nämlich überhaupt nicht gefallen – und wenn’s mir persönlich nicht gefällt, dann mach ich auch keine Musik dazu… Anscheinend gibt es jetzt beim BR keine Formate mehr wie ‚Café Meineid‘ oder ‚Zur Freiheit‘. Die Drehbücher sind heute anders. Wie gesagt: Der Film oder die Serie muss auch mir gefallen, damit ich dazu meinen Beitrag leisten kann.
Schon schade irgendwie, dass die Sendungen heute „auf modern gemacht“ daherkommen müssen, oder?
Ja, total. Die neuen Serien sind irgendwie flacher und oberflächlicher geworden, haben nicht mehr den Gehalt von damals – wahrscheinlich ist das auch eine Folge der Übersättigung oder Gleichschaltung. Die ganze Welt muss sich ja heute gleichschalten – und sicherlich sind da viele Preissn am Ruder, die dann sagen: ‚Nee, nee – wir wollen das anders haben’…
Vermutlich. Leider.
Man merkt’s auch beim Radio: Da werden schon lange nicht mehr – so wie’s früher der Fall war – diejenigen Lieder gespielt, die den Moderatoren gefallen. Sondern es werden Bänder mit fünf, sechs Stunden Musik eingekauft. Das geht alles von den Großkonzernen aus, die bestimmen heute, was ein Hit ist und was nicht. Wenn ich dann etwas auf Bairisch mache und zu dem oder jenem Sender hingehe, um meine neue Platte anzupreisen, heißt es: ‚Ach nee, bairisch passt nicht in unser Format’… Man hat also von Haus aus schon schlechte Karten, wenn’s nichts Amerikanisches oder Britisches ist. Deswegen haben wir erst vor Kurzem eine Absage von Bayern 1 erhalten: ‚Leider können wir die Konzerte 2015 nicht präsentieren. Momentan konzentrieren wir uns im Programm und in der Promotion total auf die Kern-Musik und die ist 70er und 80er Pop International‘, heißt es dann.
„Wenn ich in Afrika geboren wär, wär ich auch kein Afrikaner“
Aber Claudia Koreck und LaBrassBanda laufen doch auch im Radio rauf und runter, wenn sie was Neues draußen haben, oder?
Jedenfalls ist mir aufgefallen, dass die Radiosender Schwierigkeiten damit haben, bayerische Musik zu bringen, weil die amerikanische Platten-Industrie bestimmen will, was gespielt wird. Genauso wie bei den Lebensmitteln: Immer bestimmen die Großkonzerne die Politik und nicht die Politiker – was man auch beim Freihandelsabkommen gerade wieder sehr schön beobachten kann. Darum wird solange ich lebe Bairisch gesprochen (lacht).
Das ist doch mal eine Ansage…
Ja. Das Bairische wird immer weniger. Neulich bin ich beim Metzger gewesen, ein junger Bursch stand hinter der Ladentheke und musste Hochdeutsch reden. Ich habe seine Mutter gefragt, warum er nicht Bairisch spricht – woraufhin sie meinte: ‚Ja, wir wollen, dass er’s in der Schule einmal leichter hat’… Das stinkt mir dann wahnsinnig…
Haindling und sein „Smash-Hit“: Bayern – des samma mia!
Du selbst bist aber auch kein „echter Bayer“, oder?
(überlegt kurz) Was ist denn ein ‚echter Bayer‘?
Gebürtig stammst Du ja aus Bernau bei Berlin.
Richtig. Ich bin dort geboren und war drei Wochen dort, ja… Mein Vater ist ein gebürtiger Niederbayer, der zufälligerweise meine Mutter da droben kennengelernt hat… Aber wenn ich in Afrika geboren wär, wär ich auch kein Afrikaner (schmunzelt).
Das Lied „Bayern – des samma mia“ kennt fast jeder – auch aufgrund der berühmten Rammstein-Parodie. Gibt es zwischen Haindling und Rammstein irgendwelche Parallelen?
Beide machen Musik. Aber ansonsten… Ich find’s lustig, dass sie damals in der Olympiahalle als Zugabe „Bayern -des samma mia“ gespielt haben. Doch ehrlich gesagt: Ich kenn die nicht mal und war auch noch auf keinen Konzert. Aber wir brennen unsere Bühne oder Instrumente nicht ab bei einem Live-Auftritt, so viel steht fest… (lacht)
„Meine Preise liegen in einer großen Holzkiste auf dem Speicher“
Themawechsel: Du hast ja schon sehr viele Auszeichnungen in Deinem Leben erhalten, darunter auch der Bayerische Verdienstorden. Wie wichtig sind Dir derlei Würdigungen?
(überlegt kurz) Offen gestanden: Vor 30 Jahren hätte ich mir nicht erträumt, dass ich einmal den Verdienstorden bekomme. Und ja, ich hab ihn auch angenommen. Deswegen kennen aber diejenigen, die mir den Orden verliehen haben, meine politische Einstellung ganz genau. Ich wechsel deswegen nicht mein Hemd. Fest steht: Jeder Mensch freut sich, wenn er Anerkennung bekommt. Es ist schön, weil man sieht, dass sich auch andere Menschen an meiner Musik erfreuen. Aber: Wenn die Preisverleihung vorbei ist, ist’s für mich auch schon wieder vergessen. Ich bilde mir darauf nichts ein…
Wo hortest Du Deine Preise? Hängen die überm Bett?
(lacht) Auf dem Speicher habe ich eine große Holzkiste, da liegt alles drinnen – eher unbeachet. Ich leg, wie gesagt, keinen großen Wert auf einen Trophäen-Altar zu Hause.
Kurze Selbstreflexion: Warst Du früher ein politischerer Mensch als heute?
Meine politische Einstellung hat sich bei mir mit 23 Jahren ausgeprägt, als ich zum Bund Naturschutz gegangen bin. Ich bin aktiv daran beteiligt – auch heute noch. Ebenso bin ich Mitglied bei Greenpeace. Mein Hauptanliegen ist der Schutz der Natur – und der Schutz des Landschaftsbildes. Wenn ich an der Donau entlang gehe und am Damm wachsen 100 Pappeln, die wunderschön aussehen, dann erfreu ich mich an dem Anblick. Dieses Bild ist mir vertraut. Wenn ich eine Woche später wieder dort vorbeikomme und die 100 Pappeln sind weggeschnitten, dann fehlt natürlich etwas. Es ist ein optisches Loch entstanden.
Und ich denk mir: Das ist eine totale Verschandelung des Landschaftsbildes. Und warum haben die Pappeln weg müssen? Zum Schutz der Radlfahrer, damit sie von keinem herabfallenden Ast erschlagen werden… Der Witz ist aber, dass die Radlfahrer extra deswegen dorthin gefahren sind, weil die Landschaft so schön ist… und so verändert sich das Landschaftsbild immer mehr und die nächsten Generationen werden vor vollendete Tatsachen gestellt.
Was kann man dagegen tun?
Es gehört ein Umdenken her. Das hat mit Sensibilisierung zu tun, mit Aufmerksamkeit – und nicht mit Geld und Geschäftemacherei.
„Es gefällt mir nicht, wie sich die Sprache entwickelt hat“
Warst Du als naturverbundener Mensch eigentlich bei der Donaugartenschau in Deggendorf mit dabei?
(schmunzelt) Es heißt ja: Ein Platz, an dem ich die Seele baumeln lassen kann – ich will die Seele überall baumeln lassen können, nicht nur bei der Donaugartenschau… Ich war eingeladen, mein Donau-Lied zu präsentieren, was ich dann auf Einladung zweier Staatssekretäre hin gemacht habe.
Das Donau-Lied? Was hat’s damit auf sich?
Horst Seehofer hat im letzten Jahr mit seinem Gremium eine Fahrt auf der Donau gemacht, zwischen Straubing und Vilshofen. Dann hat er in Deggendorf einen Stopp eingelegt und die Mitglieder vom Bund Naturschutz haben mich gefragt, ob ich ein Lied für die Donau singen könnte. Das hab ich dann vor rund 200 Zuschauern gemacht – und der Seehofer war so beeindruckt und hat gemeint: ‚Herr Buchner, das ist mir total unter die Haut gegangen.‘ Am nächsten Tag stand in der Zeitung, dass die Donau nicht kanalisiert, sondern sanft ausgebaut wird. Bei der Landshuter Hochzeit hab ich den Seehofer dann nochmal getroffen – und er hat zum Bürgermeister von Geiselhöring gesagt: ‚Wissen Sie, dass das Lied von Herrn Buchner ausschlaggebend für meine Entscheidung war?‘ (freut sich)
Welche Themen stören Dich aktuell sonst noch, wenn Du das Radio oder den Fernseher anmachst?
Ich schau mir grundsätzlich keine Krimis mehr an, weil es sich dabei meist um Problematiken handelt, die künstlich an mich herangetragen werden. Ich seh’s nicht ein, warum ich mir bei einer gespielten Handlung einen Mörder anschauen soll… Es herrscht eh auf der ganzen Welt Gewalt – da muss ich in meiner Freizeit nicht auch noch gespielte Gewalt konsumieren. Das lehne ich total ab.
Ebenso wenig gefällt mir, wie sich die Sprache in letzter Zeit entwickelt hat, insbesondere in der Werbung. Es ist unglaublich, wie viele Frauen hier bewusst lispeln – weil ja angeblich das Lispeln so sexy ist. Ich schreibe mir manchmal Lispel-Sätze aus der Werbung auf. Zum Beispiel (lispelnd): „Sichern Sie bis zu 20 Prozent in ihrem Wellness-Bereich.“ Oder: „Jaja – drei leckere Sorten Luxuskäse“ Ich finde das unheimlich bescheuert, weil das die jungen Mädls dann alle nachmachen. So etwas stinkt mir einfach. Ich hab sogar schon bei einigen Radiosendern deswegen angerufen… naja… ich hab da schon mehrere Seiten gesammelt – irgendwann bring ich mal eine Lispel-Platte raus (lacht).
„Du wirst sehen, dass das Lispeln auf dem Vormarsch ist“
Wie kommt denn dieses Phänomen zustande, was glaubst Du?
Das sind die Sprachlehrer, die den Moderatoren den Tipp geben, dass sie lächeln und das Kinn nach vorne schieben sollen während sie reden. Und wenn Du Dein Kinn nach vorne schiebst, dann kannst Du auch das ‚S‘ nicht mehr richtig aussprechen, sondern beginnst automatisch zu lispeln… Aber hör künftig einfach mal genauer hin – Du wirst sehen, dass das Lispeln auf dem Vormarsch ist.
Ich werd’s mir merken, ja. Jürgen: Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute!
Interview: Stephan Hörhammer