Velden/Bayerischer Wald. Eine Frau? Und dann noch von den Grünen? Rosi Steinberger weiß, was es heißt, ein Einzelkämpfer zu sein. Als einzige Grünen-Politikerin Niederbayerns hält sie im bayerischen Landtag die Fahne der Ökologie hoch – im konservativen CSU-Bayern ein doppelt schweres Unterfangen. Trotzdem lässt sich die 54-Jährige aus Kummhausen bei Velden im Landkreis Landshut nicht unterkriegen. Vor allem in den Diskussionen um das Freihandelsabkommen (TTIP) und Bisphenol A im Kinderspielzeug machte die Nachfolgerin von Eike Hallitzky bereits von sich Reden. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ spricht die zweifache Mutter über die immer wiederkehrenden „Scharmützel“ im Landtagsalltag, über die dortige Rolle der Grünen, die Energiewende und über das Abschneiden ihrer Partei bei den vergangenen Kommunalwahlen.
Temelin-Ausbau: „Wir haben es quasi selber in der Hand“
Frau Steinberger, der Ausbau des Atomkraftwerks Temelin ist gestoppt. Sind Sie erleichtert?
Teils, teils. Es ist ja nicht so, dass die tschechische Regierung von der Atomkraft Abstand nehmen würde. Es rechnet sich momentan nur nicht, dass Temelin ausgebaut wird. Möglicherweise ändert sich das aber wieder, wenn der Atomstrom wieder lukrativer wird.
Wie hoch ist denn die Gefahr, dass Temelin irgendwann doch noch ausgebaut wird?
Wenn die Energiewende in Deutschland weiter so von den Bürgern vorangetrieben wird wie bisher, wird das AKW nicht ausgebaut werden. Drückt nach Tschechien viel billiger Strom aus erneuerbaren Energien, ist es einfach unrentabel, das Kraftwerk auszubauen. Wir haben es quasi selber in der Hand.
„Generelles Problem: Keine ausreichend großen Strom-Speicher!“
Gelingt denn die Energiewende letzten Endes in der Bundesrepublik?
In Sachen Energiewende haben wir im Landtag erfreulicherweise viel Unterstützung aus der CSU-Fraktion erhalten – nur bei den Abstimmungen gehen wir halt dann doch wieder unter. Die Wende gelingt – es ist nur die Frage, wie lange sie dauert. Momentan wird sie leider von bayerischer Seite sehr ausgebremst. Horst Seehofer will derzeit zum Beispiel keine Windkraft – und das obwohl er einmal von bis zu 1.500 Anlagen in Bayern geträumt hat. Nachdem auch Biogas vom Bund eingebremst worden ist, bleibt in Sachen erneuerbare Energien nicht mehr viel übrig. Trotzdem: Die Energiewende ist nicht aufzuhalten…
Wegen der seismischen Anlage bei Bischofsreut ist Windkraft für den Unteren Bayerischen Wald ja sowieso kein Thema mehr…
Ja, stimmt. Doch im Naturpark Bayerischer Wald gibt es einige Möglichkeiten. Damit beschäftigt sich auch die Bürgerenergiegenossenschaft um Hans Madl-Deinhart im Landkreis Freyung-Grafenau.
Sind Wasserkraftwerke die Lösung?
Eher nicht. Staut man kleine Bäche auf, macht man ökologisch viel kaputt. Und der daraus gewonnene Strom ist außerdem nicht erwähnenswert. Generell ist das Problem, dass wir keine ausreichend großen Strom-Speicher haben – darüber hat man sich in den vergangenen Jahren einfach keine Gedanken gemacht: In diesem Bereich gibt es Nachholbedarf.
„Wir Niederbayern haben ein ausgeprägtes Stammesgefühl“
Deutschland verkauft Stromüberproduktionen teils zu güngstigen Konditionen ins Ausland – um ihn dann bei Engpässen wieder teuer zurückzukuafen. Ein Unding, nicht?
In Europa gibt es ein Verbundnetz, das in dieser Hinsicht zusammenarbeitet. Es macht Sinn, den Strom nicht an den Grenzen aufzuhalten. Nur so kann es auch mit der Energiewende klappen – irgendwo scheint immer die Sonne oder weht der Wind, irgendwo wird so immer Strom produziert. Dass wir aber billig verkaufen und teuer zurückkaufen, stimmt nicht… Die derzeitige Krise in der Ukraine ist doch ein Zeichen dafür, dass wir es schaffen müssen, möglichst viel Strom selbst zu produzieren – dann wären wir gefeit davor, dass uns irgendwer den Gashahn zudreht. Unabhängigkeit ist da sehr wichtig…
…aber irgendwie spielt der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer nicht mit?
Er dreht sich wie die Fahne im Wind. Gibt es irgendwo Beschwerden, gibt Seehofer der Mehrheit recht – wo die meisten Leute schreien, stellt er sich hin und schreit mit. So kann ich eigentlich kein Land regieren. Aber der Ober sticht bekanntlich den Unter – und zurzeit haben wir nur einen Ober: König Horst, wie ich ihn immer nenne (schmunzelt).
Aha. Gefällt ihm dieser Titel denn?
Bei meinen Reden im Landtag habe ich ihn immer so bezeichnet. Ich glaube, es gefällt ihm (lacht). Horst Seehofer sitzt oft im Landtag und hört zu. Und er mag es, wenn was los ist. Er hasst langweilige Debatten, in denen nicht gestichelt wird.
Wie ist generell das Verhältnis zwischen der CSU und den Grünen im Landtag?
Ich kann mit den meisten Abgeordneten ein Bier trinken gehen (lacht). Gerade die Niederbayern haben ein sehr ausgeprägtes Stammesgefühl – da wird man dann auch schnell von so manchem geduzt, den man eigentlich gar nicht kennt. Das ist ganz nett.
Der Union wird nachgesagt, dass sie immer grüner wird. Können Sie dem zustimmen?
Die CSU hat sich verändert – zum Positiven. Wir haben uns vom Donau-Ausbau verabschiedet, die Wehrpflicht ist abgeschafft, es gibt Kinderbetreuung und Ganztagsschulen, der Atomausstieg… – früher Dinge der Unmöglichkeit. Auch in Sachen Gleichberechtigung von Frau und Mann in der Politik hat sich etwas getan. Inzwischen sind Kollegen der CSU darauf bedacht, dass bei Reden auch die weibliche Form nicht vergessen wird (lacht).
„Ich kann bezeugen: Verantwortung zu übernehmen macht Spaß“
Die CSU hat sich schließlich ja auch die Frauenquote auf die Fahnen geschrieben.
Das ist aber eine merkwürdige Sache. In den Vorständen wurden einfach so viele weibliche Beisitzer bestellt, bis die Frauenquote erfüllt war. Aber auf den Listen der einzelnen Wahlen stehen dann nur wenige Frauen auf den hinteren Plätzen. Frauenquote? Fehlanzeige!
Anders bei den Grünen.
Ja, da werden Frauen bevorzugt. In allen Vorständen gibt es meist eine Doppelspitze mit einem Frauenplatz und einem ‚offenen Platz‘. Aber auch bei uns muss man viele Frauen dazu überreden, Führungsaufgaben zu übernehmen. Wir haben die Doppelbelastung mit Familie und Beruf. Aber ich kann bezeugen: Verantwortung zu übernehmen macht Spaß.
Der Weg nach oben ist jedoch begrenzt.
Stimmt. Momentan haben wir nur eine niederbayerische Vertreterin im Landtag – das ist sehr wenig. Unsere Landtags-Liste wird immer abwechselnd aufgestellt – Frau, Mann, Frau, Mann. Nachdem mein Vorgänger Eike Hallitzky bei den vergangenen Wahlen oben stand, war dieses Mal wieder eine Frau – also ich – dran. Wir haben gehofft, dass es Eike trotzdem in den Landtag schafft – doch leider hat es nicht geklappt.
Zurück zur CSU: MdB Barthl Kalb sagte in einem früheren Hog’n-Interview: „Anträgen der Opposition stimmt man gründsätzlich nicht zu.“ Ihre Meinung zu dieser Aussage?
Ein absoluter Blödsinn! Entweder ein Antrag ist gut oder schlecht. Versteht man sich inhaltlich nicht, stimmt man selbstverständlich nicht zu. Möchte man die Regierenden ärgern, stellt man einen Antrag, der genauso in deren Programm steht – und trotzdem stimmen sie diesem dann häufig nicht zu. Sowas ist einfach nur kindisch. Man verblödelt damit auch die Wähler, die davon ausgehen, dass sich die Politiker für ihre Interessen einsetzen – egal, von wem die Anträge kommen. Und dann stimmen sie plötzlich gegen Anträge, die im Vorhinein eigentlich klar waren. Bestes Beispiel ist die Genmais-Geschichte.
„Wir gelten als Partei, die etwas weiter denkt, die hinterfragt“
Unverständlich, warum bei den Wahlen dann doch immer wieder diejenigen gewählt werden, die schon seit Jahren an der Macht sind – mit teils überragenden Ergebnissen.
Das ist mir auch ein Rätsel – sowas frustriert ohne Ende. Die CSU verbreitet dann einfach die Aussage: „Bayern ist schön! Nahe am Paradies – und das ist unser Verdienst“ Die Union steht dann für ein gutes Gefühl, das bei der Entscheidung in den Wahlkabinen hilft. Wir als Grüne könnten einen solchen Wahlkampf nicht führen! Uns glaubt man sowas nicht. Wir gelten als Partei, die etwas weiter denkt, die mehr hinterfragt.
Gibt es auch gegenteilige Beispiele? Also dass die CSU mal einem Antrag der Grünen ansatzlos zugestimmt hat?
(überlegt) Einmal hab ich es bisher geschafft, dass die CSU einem Antrag von mir zugestimmt hat – kurz vor den Kommunalwahlen. Es ging darum, dass Bayern dem Bündnis Gentechnik freie Region beitreten soll. Ein einstimmiges Votum, Wahnsinn – auch wenn sich der Umweltminister danach dafür feiern ließ (schmunzelt). Irgendwie aber auch eine klare Sache: Als CSU-Politiker in Bayern muss man gegen Gentechnik stimmen, das ist man seinen Wählern schuldig – zumindest so kurz vor den Wahlen. Nur in Berlin und Brüssel schaut das Ganze dann wieder anders aus….
Apropos Kommunalwahlen: In den Medien galten die Grünen als der große Gewinner. Ein nachhaltiger Aufschwung – oder nur ein kurzes Strohfeuer?
Nein, ein Strohfeuer wäre extremer gewesen. Seitdem es uns gibt, legen wir stetig zu – wenn auch nur geringfügig. Trotzdem gibt es Gegenden, in denen wir uns immer noch in der politischen Diaspora befinden – Dingolfing zum Beispiel. Dort hat es lange Zeit nicht mal eine Grünen-Liste oder einen Kreisverband gegeben – mittlerweile ist das jedoch der Fall und wir haben zwei Vertreter im Kreistag. Bei den vergleichsweise wenigen Mitgliedern der Grünen in Bayern muss der Anteil der Aktiven einfach größer sein.
In Freyung trat der Grüne Heinz Lang auf der Liste der Stadtrats-Liste der CSU an. Ihre Meinung dazu?
Wenn keine eigene Liste vorhanden ist, muss man freilich auf eine andere – doch dass es ausgerechnet die CSU ist, hat mich schon auch a bisserl verwundert… Inhaltlich hätte ich persönlich als Grünen-Politiker mit der CSU ein Problem. Ich denke aber, das hängt größtenteils von den persönlichen Beziehungen der jeweiligen Person ab. Die Parteipolitik spielt generell in der Kommunalpolitik eine untergeordnete Rolle.
„… dann können wir die nationalen Parlamente vergessen“
Für Diskussionen sorgte zuletzt die Entscheidung der CSU, Bisphenol A im Kinderspielzeug nicht zu verbieten. Wie ist hier der Stand der Dinge?
Wenn die Industrie, wie gewünscht, einen neuen Stoff entwickeln soll, tut sie das bestimmt nicht aus eigenem Interesse. Erst wenn ein Verbot durchgesetzt ist, beschäftigt man sich mit einem möglichen Ersatz. Deshalb habe ich dieses Argument der Union nicht verstanden. Kinderspielzeug muss von diesem Stoff freigehalten werden, ohne Wenn und Aber!
„Heißes“ Thema ist derzeit auch das Freihandelsabkommen (TTIP). Erklären Sie uns bitte kurz, um was es sich dabei handelt!
Wenn das Freihandlesabkommen in der Form durchgeht, wie zurzeit geplant, können wir die nationalen Parlamente vergessen – etwa wenn es darum geht, irgendwelche Verbraucherschutz-Standards zu verschärfen. Denn dann würde es Investoren ermöglicht werden, Dinge einzuklagen, die deren Gewinne bedrohen. Wie in allen anderen Handelsabkommen auch, ist ein sogenannter Investitionsschutz vorgesehen – das heißt: Durch einen Beschluss eines Parlaments darf eine Investition nicht gefährdet sein.
Ein Beispiel?
In Australien klagt etwa aktuell der Zigarettenproduzent Philipp Morris gegen die Warnungen auf Zigaretten-Schachteln. Oder: In Ägypten gibt es eine Klage gegen den Mindestlohn, die Industrie sieht Investitionen in Gefahr.
„Eine Entmachtung der Parlamente, ein Freibrief für die Konzerne“
Wie läuft dann eine solche Verhandlung?
Das Land sowie der jeweilige Konzern benennt einen Vertreter – ein unabhängiger Dritter fällt den Schiedsspruch. Die Verhandlungen sind geheim. Das einzige, was die Öffentlichkeit erfährt, ist das Urteil. Eine Revision ist nicht möglich. Alles, was dann zum Beispiel in den USA zugelassen ist, ist auch bei uns in Europa und Deutschland möglich – egal, ob Gentechnik oder Fracking. Stimmt ein Parlament trotzdem dagegen, gibt es eine Klage. Eine Entmachtung der Parlamente, ein Freibrief für die Konzerne.
Das ZDF-Magazin „Fronatal 21“ über das Freihandelsabkommen TTIP:
http://youtu.be/AqWHV6xRtHY
Wie kann man sich dagegen wehren?
Derzeit wird verhandelt – geheim. Aufhalten kann das Ganze das neu gewählte EU-Parlament. Ist das Freihandelsabkommen ausgehandelt, muss dort zugestimmt werden. Inhalte können nicht verändert werden. Wenn aber ganz viele Menschen zeigen, dass sie das TTIP nicht wollen, können wir es vielleicht noch verhindern. Ich persönlich habe kein Problem damit, dass man bei uns keine amerikanischen Chlor-Hühnchen essen kann…
Das sehen wir genauso. Vielen Dank, dass Sie sich für unser Gespräch Zeit genommen haben.
Interview: Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer
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Rosi Steinberger:
Nach ihrem Abitur studierte Rosi Steinberger (geb.: 9. März 1960 in Velden) Landwirtschaft in Weihenstephan. Im Anschluss daran arbeitete sie fünf Jahre an der Technischen Universität München. Seit 1995 wohnt sie gemeinsam mit ihrem Mann und den zwei Kindern in Kumhausen bei Landshut. Nachdem sie sich der Erziehung ihrer Kinder gewidmet hatte, engagierte sie sich als Gemeinde- und Kreisrätin in der Politik. Später arbeitete sie sieben Jahre für MdB Toni Hofreiter. Im Oktober 2013 wurde sie in den bayerischen Landtag gewählt.