Freyung-Grafenau. „Ich bin ein durch und durch politischer Mensch“, sagt Sebastian Schlutz über sich selbst. „Andere haben Fußball oder Autos zum Hobby – ich die Politik.“ Diese Aussage macht deutlich, wie der 34-jährige Freyunger tickt. Nach seinem aus persönlicher Sicht bitteren Abschneiden bei den Kommunalwahlen in diesem Jahr – der Soldat schaffte es weder in den Stadtrat noch in den Kreisrat -, blieb es um Sebastian Schlutz jedoch nicht lange still: Derzeit ist er auf der Europa-Liste der CSU zu finden – uneigennützig unterstützt er Spitzenkandidat Manfred Weber. Im Gespräch mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ erklärt der gebürtige Münsteraner, wie er und seine Wahlkämpfer möglichst viele Menschen am 25. Mai an die Wahlurnen bringen wollen – und was der Hauptfeldwebel von EU-Verordnungen über Brezensalz, Schnupftabak und Krümmungsgraden von Gurken hält. Außerdem blickt er auf seinen vergangenen Kommunalwahlkampf und die Geschichte mit der „Nelson-Mandela-Realschule“ zurück…
Am 25. Mai stehen die Europa-Wahlen an – Sebastian: Für welchen Posten kandidierst Du?
Ich kandidiere auf der CSU-Liste, Platz 23. Mir geht es nicht unmittelbar darum, ins Parlament einzuziehen. Ich möchte vielmehr die Menschen in der Region dazu bewegen, zur Wahl zu gehen – gleichzeitig unterstütze ich unseren Spitzenkandidaten Manfred Weber.
Wie schwer ist es die Menschen zu animieren, zur Abstimmung zu gehen?
Bedauerlicherweise sehr schwer. Nach den Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen sind besonders hier in Bayern die Wahlkämpfer erschöpft. Dennoch mobilisieren wir alle Kräfte, weil es wichtig sein wird, eine hohe Wahlbeteiligung zu haben. Nur so kann man es vermeiden, dass kleine Splitterparteien und extremistische Organisationen in das EU-Parlament einziehen – hier macht uns die Abschaffung der Drei-Prozent-Hürde zu schaffen. Denn Stimmen für diese Parteien sind verlorene Stimmen. Der einzige Niederbayer, der eine realistische Chance hat, nach Straßburg zu kommen, ist Manfred Weber.
„Je besser es uns geht, desto niedriger ist die Wahlbeteiligung“
Glaubst Du, die Bürger gehen deshalb nicht zur Wahl, weil sie wahlmüde sind – und weil Entscheidungen der EU zuletzt für kritische Stimmen gesorgt haben?
Gerade die viel diskutierten Themen sollten doch das Interesse der Bürger für die Europawahl steigern. Jetzt haben die Wähler die Möglichkeit, durch ihre Stimme darauf Einfluss zu nehmen, in welche Richtung sich Europa entwickeln wird. Ein negativer Trend, den man immer mehr feststellen muss: Je besser es den Menschen geht, desto niedriger ist die Wahlbeteiligung. Schade!
Warum ist das so?
Die Krisen in der Ukraine oder in Afghanistan, wo ich als Soldat drei Mal eingesetzt war, machen deutlich, wie viel es Menschen wert ist, frei wählen zu dürfen – auch in Deutschland haben in der Vergangenheit viele Menschen große Opfer für die Demokratie gebracht. Deshalb gibt es für mich keinen Grund, nicht zu wählen.
Vielleicht doch: Die oft gescholtene Regelungswut des EU-Parlaments sorgt immer wieder für Unmut – die Krümmungsverordnung für Gurken oder die Diskussionen über das Verbot von Schnupftabak lassen grüßen…
Stimmt. Tauchen solche Schlagzeilen in den Medien auf, schütteln viele Menschen erst einmal den Kopf. Beim Steinkrug-Thema stellte sich aber zum Beispiel einen Tag später heraus, dass es eine Falschmeldung war.
Sebastian Schlutz: „… doch dagegen müssen wir uns wehren“
Das ist aber nicht immer der Fall.
Den Schnupftabak wollte man aufgrund der Gesundheitsgefährdung tatsächlich verbieten – in dieser Hinsicht hat man aber zuerst an Snus gedacht. Der zuständige Kommissar wusste anfangs gar nicht, was Schnupftabak überhaupt ist. Dann hat Manfred Weber interveniert und erklärt, was dahinter steckt – er hat auch erklärt, dass das keine Einstiegsdroge ist, sondern ein regionales Kulturgut. Das geplante Verbot kam nicht zustande. Die Schlagzeile sorgt im ersten Moment für Aufregung, später ist es aber halb so wild – auch weil im EU-Parlament darüber diskutiert wird.
Brezensalz, Steinkrüge, Schnupftabak – aus der Ferne betrachtet unterhält man sich im EU-Parlament über eher belanglose Dinge.
Zurzeit gibt es 28 EU-Kommissare aus jeweils einem Land – und da will sich natürlich jeder bewähren, wie in allen menschlichen Bereichen üblich. Und da kann es durchaus passieren, dass der ein oder andere über die Stränge schlägt. Doch dagegen wehren wir uns. Gerade in Zeiten, in denen es innerhalb Europas kriselt – die Schlagzeile ‚Krieg in Europa?‘ wäre vor einigen Monaten noch undenkbar gewesen -, muss man sich wieder ‚großen‘ Themen widmen und nicht dem Klein-Klein. Aus Themen, die beispielsweise auch die Kommunen selbst bearbeiten können, soll sich Europa bitte raushalten.
Wie schaut derzeit Dein „Wahlkampf-Alltag“ aus?
Weil ich den Großteil meines Urlaubs schon für die Kommunalwahlen aufgebracht hatte, tue ich – ganz normal – meinen Dienst als Soldat. Nach Feierabend nehme ich Termine wahr, die mich durch ganz Niederbayern führen.
Umfragen bestätigen: Die Meinung geht eher Richtung „Europa? Nein, Danke!“.
Gerade wir in den Landkreisen Freyung-Grafenau und Regen profitieren aber unmittelbar von den Programmen der Europäischen Union. Erst kürzlich wurde ein Schüleraustausch der Berufsschule Waldkirchen gefördert – auch in Sachen Wirtschaft, Landwirtschaft, Infrastruktur und Kultur haben wir Europa viel zu verdanken. In den vergangenen Jahren sind so mehr als 1,7 Milliarden Euro nach Niederbayern geflossen.
„Am Schluss werden die Konservativen die Mehrheit erreichen“
Wo begegnet uns Europa sonst noch im Alltag?
Hierzu ein kleines persönliches Beispiel: Ich telefoniere regelmäßig mit meiner österreichischen Verlobten – und bin auch oft dort zu Besuch. Auf Initiative des Europa-Parlaments werden nun bald die Roaming-Gebühren wegfallen, was deshalb nicht nur mir sehr entgegenkommt.
Kurzer Blick nach vorne: Wer wird EU-Kommissions-Präsident? Martin Schulz oder Jean-Claude Juncker?
Das hängt zum einen davon ab, wie hoch die Wahlbeteiligung sein wird – und zum anderen, wie viele Stimmen die Kleinst-Parteien bekommen werden. Ich denke, am Schluss werden die Konservativen, also die EVP, europaweit die Mehrheit erreichen.
… welche Rolle wird Manfred Weber einnehmen?
Mit ein bisschen Glück wird er EVP-Fraktionsvorsitzender, dessen Stellvertreter er bisher ist. Vor allem bezogen auf die Grenzlandförderung hat er zuletzt bewiesen, welchen Einfluss er inzwischen hat. Ohne seinen Einsatz wäre die Wirtschaftsförderung an der Grenze zum tschechischen Höchstfördergebiet für die Zukunft verloren. In Europa sieht man, dass es Bayern gut geht. Daher war es sehr schwierig, die Förderung noch zu begründen.
Kommunalwahlen: „Ich persönlich hätte mir mehr erhofft“
Vorher bereits angesprochen: Die Wahlmüdigkeit. Wie schaut’s bei Dir aus nach Deinem aufwendigen Kommunalwahl-Kampf und dem aus Deiner Sicht wenig zufriedenstellendem Ergebnis?
Da ist mein Bild zweigeteilt: Ich persönlich hätte mir mehr erhofft, weil ich sehr viel Kraft und Zeit investiert habe. Andererseits bin ich mit den Ergebnissen zufrieden. Uns ist es gelungen, mit Sebastian Gruber den Landrat zu bekommen, den wir als JWU unterstützt haben. Außerdem haben wir wieder fünf Mandate im Kreistag – und auch in den Kommunen haben wir gut abgeschnitten.
Tröstet das gute Ergebnis der JWU über die eigene Enttäuschung hinweg?
Ja. Der Wähler hat einfach so entschieden. Die Ursachen für mein persönliches Ergebnis gilt es nun herauszufinden. Ich denke, es liegt an meinem – noch ausbaufähigen – Bekanntheitsgrad. Dass mein nicht vorhandener Dialekt daran schuld ist, glaube ich nicht (lacht). Wir Niederbayern sind weltoffen. Alles in allem bin ich aber dennoch stolz auf das, was ich in der Vergangenheit erreicht habe.
„Natürlich ist auch eine ordentliche Portion Idealismus dabei“
Resigniert man da nicht irgendwann, wenn man so viel investiert hat – und dann weder in den Stadtrat noch in den Kreistag einzieht?
Zugegeben: Im ersten Moment schon. Ob ich nochmals antrete und was ich in den nächsten Jahren machen werde, ist noch offen. Nur so viel: Ich bin ein durch und durch politischer Mensch – andere haben Fußball oder Autos zum Hobby, ich die Politik. Natürlich ist auch eine ordentliche Portion Idealismus mit dabei. Ich möchte mich für die Gemeinschaft und für die Menschen einsetzen.
„Nelson-Mandela-Realschule Freyung“ – mit dieser Namensidee bist Du zuletzt im Kreuzfeuer der Öffentlichkeit gestanden. Hängt dieses Thema mit Deinem Abschneiden bei der Kommunalwahl zusammen?
Möglich ist alles, aber das kann ich nicht explizit beurteilen.
„Zahlreiche anonyme Schreiben sind Zeuge dafür“
Ist denn der Niederbayer so offen, wie Du vorhin geschildert hast, wenn er bei „Nelson Mandela“ gleich auf die Barrikaden geht?
Die Menschen sind sehr unterschiedlich. Das war wohl ein sehr polarisierendes Thema, an dem sich die Geister scheiden. Mir kam es tatsächlich nur darauf an, nach dem traurigen Tod des Friedensnobelpreisträgers Nelson Mandela, einen konstruktiven Vorschlag zu machen, der zu einer Debatte anregen soll. Staatliche Realschule Freyung – diesen Namen finde ich als ehemaliger Schüler etwas sperrig und unpersönlich …
Dennoch bist Du mit Deinem Vorschlag in der Folge im Mittelpunkt gestanden.
Ja, anonyme E-Mails, Briefe und zahlreiche Kommentaren sind Zeuge hierfür. Ich toleriere alle anderen Vorschläge und heiße sie für gut – das Schulforum wird sich demnächst mit dieser Sache beschäftigen und gegebenenfalls eine Namensänderung beim Kultusministerium vorschlagen.
Sebastian, vielen Dank für das Interview – und weiterhin viel Kraft für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer