Am vergangenen Wochenende gab es viel Wirbel. Österreich gewinnt den Eurovision Song Contest. Alleine das hätte schon zur Sensation gereicht. Aber es kam noch viel besser – oder schlimmer. Ansichtssache. Die Alpenrepublik gewann mit dem Auftritt von Conchita Wurst! Der Name ist seitdem jedem ein Begriff. Nicht nur, weil er sich irgendwie lustig anhört, sondern, weil die Person, die sich dahinter verbirgt, ein enges Glitzerkleid trägt, perfekt geschminkt ist, lange schwarze Haare und – einen Bart hat.
Diese Person macht mich nach ihrem Sieg irgendwie nachdenklich. Nicht etwa, weil ich wissen will, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Sondern vielmehr, weil ich mir die Frage stellt: „Warum regen sich manche Leute so sehr über die Gewinnerin auf?!“ Zum einen war der Titel sehr gut gesungen, zum anderen denke ich, leben wir im Jahr 2014 – und es gibt viele „bunte Vögel“.
Homosexualität wird immer noch nicht akzeptiert
Ist es denn immer noch so ein großes Problem für einige Menschen, wenn jemand „anders“ ist? Wenn er sich anders kleidet, einen anderen Lebensstil pflegt? Gut, Conchita Wurst, die in Wirklichkeit Tom Neuwirth heißt und als Travestie-Künstler(in) arbeitet, ist sicherlich ein Beispiel der Extreme. Aber das Problem ist doch ein viel Grundlegenderes: Homosexualität, geschweige denn Transsexualität, wird auch heute irgendwie immer noch nicht so recht akzeptiert. Schon in der Schule heißt es oft: „Der ist so schwul“, wenn sich zum Beispiel jemand anders kleidet oder sich anders verhält. Auch wird es einfach als Schimpfwort benutzt, wenn einer nicht mehr weiter weiß. Warum? Das kann keiner beantworten. „Das ist halt so! Schau ihn dir doch mal an!“, heißt es dann einfach oft…
„Rise like a Phoenix“ – mit diesem Song stach Conchita Wurst die Konkurrenz aus:
Und selbst, wenn es stimmt und derjenige wirklich schwul ist? Was wäre daran so schlimm? Heutzutage gibt es so viele Lebensformen, die für den ein oder anderen als nicht „normal“ erscheinen. Aber warum geht so viel gegen homosexuelle Paare, die zueinander stehen, vielleicht im schönsten Fall ein Kind adoptieren wollen? Da heißt es dann womöglich sogar noch: „Denen kann man doch kein Kind geben, das wird ja dann genauso!“ Als ob es eine Krankheit wäre, die vererbbar ist. Gerade in ländlichen Regionen ist die Akzeptanz oft noch geringer, weswegen die Personen oft in größere Städte ziehen, weil es leichter ist, dort Gleichgesinnte kennen zu lernen. Aber es sind doch genauso Menschen, wie Du und ich! Zählen nicht viel mehr die Werte, die ein Mensch im Inneren trägt und ausstrahlt?
Es ist nicht wichtig, wie man sich kleidet, wenn man liebt
Der Nachname Wurst gefällt mir in seinem Kern ganz gut. Auf österreichisch oder bayerisch bedeutet der Satz: „Mir doch wurst!“ nichts anderes als „Mir egal!“ oder „Ist nicht so wichtig“. Und ganz genau: Es ist doch im Grunde nicht wichtig, ob man Mann oder Frau ist. Es ist nicht wichtig, wie man sich kleidet, wen man liebt. Nur das Wesen zählt doch, der Mensch mit seinen Werten. Und woher kommen die Werte? Die werden einem ja im Grunde mit der Erziehung durch die Eltern in die Wiege gelegt. Doch genau diese haben oftmals die größten Probleme zu akzeptieren, wenn ihre Kinder eben einen anderen Lebensweg einschlagen als von ihnen vorgesehen. Sie fragen oft, was sie denn „falsch gemacht haben“. Die einzige Antwort lautet: „Nichts.“ Kein Mensch sucht sich aus, in wen er sich verliebt. Man wacht ja nicht eines Morgens auf und denkt sich: „Ab heute bin ich homosexuell!“
Wir sind alle verschieden – und damit besonders
Muss erst Österreich mit einer Drag-Queen den Eurovision Song Contest gewinnen? Wie viele Profi-Sportler müssen sich von ihren Alibi-Begleitungen trennen und zu ihrer wahren Liebe stehen? Oder muss wirklich erst eine Jungbäuerin in einer Fernsehshow in einer Schweizer Modedesignerin ihre große Liebe finden, sodass Homosexualität als Lebensform von der Gesellschaft akzeptiert wird? Sollten wir nicht langsam mal aufwachen und bemerken, dass sowieso fast nichts mehr „normal“ ist? Warum sollten wir also nicht jedem einfach sein Glück gönnen, egal mit wem er zusammen sein will? Wir sind doch alle verschieden und damit besonders – jeder auf seine Art und Weise. Vielleicht sollte man Menschen nicht nur auf den ersten Blick hin beurteilen. Nicht nur nach dem Äußeren, oder den Personen, mit denen er zusammen ist. Oft lohnt sich ein zweiter Blick – ins Innere des Menschen.
Ruth Zitzl