Haus im Wald. „Sein eigenes Ding machen“ – wie bei vielen anderen war auch dies eine der Haupt-Motivationen von Jürgen Greipl (34) und Matthias Freund (47), sich für den Weg in die Selbständigkeit zu entscheiden. 2009 am Technologie-Campus Freyung, inmitten der Wirtschaftskrise, beschlossen die beiden Entwickler mit Erfahrung in der System- und Elektronikentwicklung bei einem Feierabendbierchen, diesen Schritt gemeinsam zu wagen. Es war die Geburtststunde der Firma „Technagon„.
Und mit den Worten „rasant“ und „beeindruckend“ lässt sich der Aufstieg des Jung-Unternehmens aus Haus im Wald bis zum heutigen Tag wohl am besten beschreiben: Nur drei Jahre nach der Gründung wurde Technagon als wachstumsstärkstes Technologieunternehmen Deutschlands ausgezeichnet. Im Hog’n-Interview berichtet Firmenmitbegründer Jürgen Greipl, der seit 1. September 2013 Geschäftsführer beim eng mit Technagon kooperierenden Fertigungsbetrieb Dittrich & Greipl ist, darüber, was der Entwicklungsdienstleister genau macht, was unter dem Begriff ‚Digital Signage“ zu verstehen ist und wie man mit Kunden wie Porsche oder Audi in Kontakt tritt.
„Sind überrascht, wie schnell der Erfolg gekommen ist“
Herr Greipl: Was macht die Firma Technagon genau?
Technagon ist ein Dienstleister für die Entwicklung und Fertigung kundenspezifischer Produkte und Anwendungen – letzteres natürlich in Verbindung mit dem Fertigungsunternehmen Dittrich & Greipl. Wir entwickeln in der Regel nicht auf eigene Initiative, sondern auf Basis einer spezifischen Beauftragung durch den Kunden. Die Fertigung übernimmt dann unser Partner Dittrich & Greipl. Beide Unternehmen befinden sich in einem Gebäude, was für uns aufgrund der kurzen Abstimmungswege eine erhebliche Erleichterung darstellt.
Was ist unter dem Begriff Digital Signage zu verstehen?
Darunter versteht man digitale Außenwerbung. Das heißt: gezielte Werbung zu bestimmten Zeitpunkten an bestimmten Plätzen. Bei den Stelen etwa läuft die Werbung des Kunden gänzlich synchron an allen gebuchten Bahnhöfen um dieselbe Zeit. Das ist der große Vorteil von Digital Signage, von digitaler Werbung.
Technagon wurde vor etwa zwei Jahran als wachstumsstärkstes Technologieunternehmen Deutschlands prämiert. Wie erklären Sie sich diesen beeindruckenden Aufstieg? Wie überrascht sind Sie selbst über diesen Erfolg?
Wenn Herr Freund und ich nach einem arbeitsreichen Tag, bei einem Feierabendbier, über die Entwicklung der Firma philosophieren, dann sind wir immer wieder selbst überrascht, wie schnell dies alles gekommen ist (lacht). Maßgeblichen Anteil am Erfolg hat natürlich auch die Firma Dittrich & Greipl: Wenn wir keinen so leistungsfähigen Fertiger nebenan hätten, der auf sämtliche Wünsche von uns eingeht und diese zu realisieren versucht, wäre dies alles nicht möglich gewesen. Als reines Ingenieurbüro wäre dieser Erfolg so nicht möglich gewesen. Man muss freilich auch ein bisschen Glück und ein Händchen für den Markt haben, der sich gerade auftut.
„Mit erstem Porsche-Projekt haben wir uns einen Namen gemacht“
Welche Marktchancen sehen Sie im Bereich Elektromobilität?
Elektromobilität ist ein komplett neuer Markt, der sich nach dem anfänglichen Hype langsam sortiert. Unser Engagement beschränkte sich dabei bislang auf die Infrastrukturseite – genauer gesagt auf das Ladeequipment außerhalb vom Fahrzeug. Auch in diesem speziellen Segment positionieren sich mittlerweile die großen finanzstarken Unternehmen wie RWE und Schneider Electric, während sich kleinere Anbieter mit Ihren Produkten Zug um Zug vom Markt verabschieden müssen, trotz hohem Innovationsgrad. Die Chance von Technagon sehen wir deshalb in der Schwäche der großen Unternehmen – nämlich in der Möglichkeit, sich komplett an die Bedürfnisse des Kunden auszurichten und nicht Produkte ‚von der Stange‘ anzubieten.
Wie schwierig ist es mit Kunden wie Audi oder Porsche in Kontakt zu treten?
Der erste Kundenkontakt mit Porsche ist auf der eCarTec 2011 in München zustande gekommen. Porsche suchte einen Partner für die Entwicklung eines Leistungsladekabels für ihre Hybridfahrzeuge. Nachdem wir in diesem Bereich bereits erste Entwicklungen vorgestellt hatten, schenkte uns Porsche das Vertrauen und wir konnten den ersten Auftrag eines Automobilisten verbuchen. Durch dieses Porsche-Projekt haben wir uns auf dem Markt einen Namen gemacht.
Der Name ‚Technagon‘ hat sich im VW-Konzern, zu dem Audi dazugehört, schnell rumgesprochen. Und dies war wiederum einer der ausschlaggebenden Punkte, warum wir heute auch Audi zu unseren Kunden zählen dürfen. Aktuell sind wir dabei, den europaweiten Rollout von Ladesystemen für den Handelsplatz vorzubereiten. Ein ähnliches Projekt startete bereits im vergangenen Jahr für Porsche, indem bislang mehr als 1.000 Stelen gefertigt und geliefert werden konnten.
Wie bereits erwähnt, ist gerade die Spezialisierung unser Erfolgsgeheimnis: Es gibt wenig Firmen, die sich als Technologieunternehmen genau auf diesen Bereich fokussiert haben. Wir versuchen nicht mit eigenen Produkten in den Markt zu kommen und uns mit den Großen der Branche zu messen – und das unterscheidet uns gravierend von anderen bekannten Anbietern.
Die Vorteile des TC für unsere Unternehmensgründung lagen zum Beispiel in der vollständig vorhandenen Infrastruktur. Es war eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Campus-Leitung gegeben, die uns in vielen Dingen unterstützt hat. Von was wir uns mehr versprochen hätten: der Kontakt und der Zugang zu Studenten. Wir wollten gerade am Anfang mehrere Werksstudenten bei uns beschäftigen, das wurde jedoch nicht erreicht.
„Vermittlung der Studenten ist für uns etwas mager ausgefallen“
Woran lag’s?
Freyung hat selber einen großen Bedarf an Studenten – weswegen dann für uns die Vermittlung etwas mager ausgefallen ist. Das ist der einzige Wermutstropfen – ansonsten hat die Zusammenarbeit bestens gepasst.
Seit Längerem ist ja das Thema Fachkräftemangel in aller Munde – wie ist die Situation bei Technagon? Wie schwierig ist es, geeignetes Fachpersonal zu bekommen?
Der Fachkräftemangel ist natürlich ein großes Problem – bei Technagon genauso wie bei Dittrich & Greipl. Bei Technagon haben wir Schwierigkeiten, gute Ingenieure zu finden. Gefragt sind zudem Programmierer, Schaltungsentwickler und Projektmanager im Bereich Elektrotechnik.
Wie schwierig ist es, gutes Personal zu finden?
Es ist bei uns sehr schwierig, vor allem im Elektronikbereich. Große Firmen gehen heutzutage bereits im dritten, vierten Semester an die Hochschulen und versuchen, die Leute an sich zu binden. Teilweise haben die Studenten noch nicht mal ein Praktikum gemacht – und werden schon abgeworben. Diese Firmen haben natürlich auch andere Möglichkeiten wie ein kleinerer Betrieb aus dem Bayerwald und können die Leute mit anderen Mitteln locken. Das Gehaltsgefälle ist in jedem Fall noch vorhanden – auch im Ingenieursbereich -, wenn auch hier der Unterschied zunehmend geringer wird.
Gibt es denn bei der Technagon schon die so genannten Heimkehrer, sprich: Beschäftigte, die nach ihrer Berufserfahrung wieder in den Bayerwald zum Arbeiten zurückgekehrt sind ?
Ja, die gibt’s: ein Programmierer, aus Schöfweg stammend, der bei uns angefangen hat. Er hatte zunächst in Deggendorf sein Studium absolviert, ist dann nach Österreich gegangen – und schließlich wieder zurückgekommen. Ihm gefällt’s – und uns genauso. Wir versuchen immer, diejenigen guten Leute, die etwa bei uns Praktikum oder ihre Studienarbeit gemacht haben, auch an unser Unternehmen zu binden. Wir haben nicht das große Kapital, um qualifizierte Fachkräfte von größeren Firmen abwerben können.
„Potenzial des Bayerwaldes wandert immer noch zu häufig ab“
Welche Ausbildungsmöglichkeiten gibt es bei der Firma Technagon?
Wir haben momentan eine Auszubildende zur Bürokauffrau und eine Auszubildende, die bei uns ihr Duales Studium absolviert. Zudem zwei Bacheloranten im Bereich Elektronikentwicklung.
Warum ist der Bayerische Wald ein interessanter Standort für Firmen wie Technagon? Oder anders gefragt: Warum ist er kein Nachteil?
Im Bayerischen Wald gibt es sehr viel Potenzial – nur wandert dieses Potenzial immer noch zu häufig in die Ballungsräume ab. Wir haben jetzt keine großen kulturellen Highlights wie München oder Regensburg. Aber die Lebensqualität ist besser. Die Natur direkt vor der Haustür – und Grundstückspreise, die bezahlbar sind. Den Bewerbern müssen die Vorteile unserer Region gegenüber den Ballungsräumen immer wieder aufgezeigt werden.
Welche Ziele hat die Firma Technagon erreicht, welche Ziele will sie künftig verfolgen?
Mehr Fläche, mehr Arbeitsplätze, mehr Kompetenzen. Rein gebäudetechnisch haben wir verschiedene Erweiterungen umgesetzt, die Elektronik-Entwicklung ist weiter ausgebaut worden, wo mittlerweile fünf Entwickler und Programmierer im Elektronikbereich beschäftigt sind. Wir sind auch noch einmal stärker in die Breite gegangen in Sachen Entwicklungsvorhaben – und versuchen unser Image als Entwickler von Stromladesystemen abzustreifen. Das ist nicht einfach, weil wir ja extrem elektromobilitätslastig sind. Doch wir halten auf dem Markt immer die Augen nach weiteren Nischen offen, in denen wir uns platzieren können: etwa bei Automaten-Systemen und allgemeiner Steuerungsentwicklung. Dazu gehören auch Schnittstellenentwicklungen für CPU-Baseboards und komplette elektromechanische Baugruppen. Da werden wir uns in Zukunft auch verstärkt positionieren.
Wo steht die Firma Technagon in zehn Jahren?
Unser Anfangsziel war es, einmal 25 Mitarbeiter zu beschäftigen – und wenn’s mehr werden, werden’s mehr. Aktuell sieht’s gut aus, wir entwickeln uns nicht in großen Sprüngen, aber in gesunden. Und eine gesunde Entwicklung ist immer besser als große Sprünge, die man zum Schluss nicht abfedern kann.
Herr Greipl, herzlichen Dank für das Gespräch und weiterhin alles Gute für die Zukunft.
Interview: Stephan Hörhammer und Helmut Weigerstorfer