Traunstein. Ja mei, immer dieses Schubladen-Denken. Da überreicht der mächtige Hog’n-Boss Stephan dem musikritsierenden Kollegen die neue CD der Traunsteiner Combo „mundwerk-crew“ mit den Worten: „Wahrscheinlich nicht gerade Dein größtes Steckenpferd – aber probier’s trotzdem.“ Obwohl ich ja selbst mit einem Bein im oberbayerischen Voralpenland beheimatet bin und mich im schönen Traunstein lange Zeit beruflich verwirklichen durfte, konnte ich mit dem Bandnamen (zu meiner Schande) zunächst nicht viel anfangen… Aber, nachdem die Segnungen des Internets ja auch im Bayerischen Wald Einzug gehalten haben, dauert eine Kurzrecherche ja nicht so lange. HipHop, Reggae, Ska – aha!
Das aktuelle Video mit Stefan Dettl geht gut ins Auge – und ins Ohr ;-)
Wenn der junge Chefredakteur gewusst hätte, dass man trotz Schwerpunkt im Bereich der lärmenden Stromgitarre und des monsterzierenden T-Shirts durchaus auch ein Faible für ein schnelles Mundwerk haben kann… Aber nachdem gerade die Beastie Boys eine meiner größten Helden sind und bleiben, macht einen das neugierig. Tja, Stephan, getäuscht!
Jungs, die wissen, wie man mit altmodischen Instrumenten umgeht
Also, das Werk „logoamstart“ in Dauerrotation beim Pendeln Passau nach Freyung – und die Geschichte geht gleich fetzig los. Der erste Track – zur Vereinfachung für vergessliche Kritiker mit “#1” betitelt – lässt keine Zweifel aufkommen. Hier sind Jungs am Start, die (anders als einige prominente Mitstreiter) wissen, wie man mit altmodischen Instrumenten aller Art umgeht, ohne aber dabei auf modernen Sound und lässige Scratching-Einlagen zu verzichten. Hätte man die Herkunft nicht gekannt, hätte man unbedacht auf London, Brooklyn oder Los Angeles tippen können.
Ein Wechsel zum dritten Lied löst das Rätsel. „Weiss-Blauer“, mit lässigen Einlagen des LaBrassBanda-Maestro Stefan Dettl, zeigt mal wieder, dass unser schöner bayerischer Dialekt vor dem Aussterben gerettet werden muss. Allein um dem Genre des schnell gesprochenen und gereimten Wortes eine Spielart zu erhalten, die viel zu wenig gepflegt wird. Der Rest des Albums frönt zwar dem Hochdeutschen (ohne deswegen weniger gelungen zu sein), aber allein dieses Lied macht Lust auf die Frage, ob sich die Band noch mehr urbayerischer Wortgewalt zuwenden sollte oder nicht. Na gut, als Waidler ist man da auch vielleicht nicht ganz neutral…
Die Platte kann dem genervten Musiklehrer als schönes Beispiel dienen
Abgesehen von den vorhandenen Sprachfertigkeiten (die gerade dem artverwandten Berufsbild des Notars nicht so fern liegen) überzeugt aber insbesondere das handwerkliche Geschick am altmodischen Instrument, von famosen Schlagwerkeinlagen bis hin zu den ruhigen Klavierpassagen bei „Prevolution Ich“. Reschbeggd, Buam! Da sieht man mal wieder, dass der traditionelle Musikunterricht nicht nur fad, langweilig und oldschool sein muss. Mit Kreativität und Experimentierfreude lässt sich viel Spannendes daraus fertigen. Die Platte kann dem genervten Musiklehrer als schönes Beispiel dienen.
Natürlich fehlen klassische HipHop-Fun-Songs nicht: „Partyqueen“ und „Überdriften“ passen als Untermalung zu den meisten Wochenenden in den Clubs landauf, landab.
Wenn man diese Phase (zumindest altersmäßig) übersprungen hat, begeisteren gerade „Soundtrack meines Lebens“, „Rad der Zeit“ und „Für Euch!“ mit feinem Gespür für Situationen, die wohl jeder altersunabhängig wiedererkennt. Und dies mit schönem Sprachwitz und ohne zu tief in die Billigmetaphern-Schublade greifen zu müssen. Erfrischend.
Wer hätte das gedacht? Der schöne Chiemgau gibt uns den Glauben an das oft US-spezifisch überdrehte Genre des HipHop zurück – und die Musiklehrer zwischen Neu-Ulm und Phillipsreut können gelangweilten Klavier- und Trompetenschülern beweisen, dass Arpeggio-Übungen nicht nur zum Kinderquälen dienen.
Der Chiemsee groovt – talentierte Finger am Instrument, lässiger Flow am Mikro. Und „a weng Boarisch a no“. Reschbeggd! Gerade live macht „logoamstart“ Hoffnung auf (noch) mehr – dank Dir, Traunstein, der Hauptstadt des #flow!
Josef Massinger