Eggenfelden. Das Kabarett-Duo „Da Bertl und i“ aus dem Rottal gibt es schon über ein Jahrzehnt. Mittlerweile haben sich Herbert Bachmeier (als „Bertl“) und Stefan Wählt (als „i“) auf den Bühnen der bayerischen Kleinkunstszene ganz nach oben gespielt. Ihre Mischung aus Musik, Humor und Wortwitz begeistert die Zuhörer. Stefan Wählt glänzt auf Gitarre und Klavier, während Herbert Bachmeier Tuba, Harmonika und die Trommel bedient. Ihre Geschichten orientieren sich ganz nah am Alltag des Publikums, weil sie mit ihrem Kabarett Leute aus allen Schichten unterhalten wollen. Dies konnte man einmal mehr bei ihrem neuesten Programm „Männer 5.0“ bestaunen, das sie jüngst im ausverkauften Freyunger Kurhaus präsentierten. Hog’n-Kulturredakteur Jason Ditshej sprach vorab mit Stefan Wählt über die Midlife Crisis, Weight-Watchers-Diäten und das Geheimnis des „Sitz-Nieder-Kabaretts“.
„Männer haben den Nachteil, dass sie nur vorne wachsen“
Stefan, Euer neues Programm heißt Männer 5.0. Wie kam es dazu?
Wir hätten das Programm auch „Männer um die 50“ oder „Gibt es ein Leben für Männer nach 50?“ nennen können. Aber das hört sich beides nach alten und depressiven Männern an. Männer 5.0 klingt dagegen nochmal nach Aufbruch (lacht).
Außerdem sind Herbert und ich selbst in dieser Lebensphase. Herbert wird heuer 52, und ich mach die 50 voll. In dem Alter schaut man schon ein bisschen zurück. Aber Du kannst auch schon sehr gut nach vorne bis zum dunklen Ende des Tunnels blicken.
Hat man mit 50 die Midlife Crisis schon überwunden?
(lacht) Man hat viele Sachen schon akzeptiert und kämpft nicht mehr für alles. Du stehst quasi auf dem Berggipfel in deinem Leben und fühlst dich trotzdem irgendwie mittendrin.
Entstehen eure Geschichten durch selbst erfahrene Erlebnisse, durch Erzählungen anderer oder durch Beobachtungen?
Das hat sich im Lauf der Jahre verändert. Früher haben wir an den Geschichten herumgefeilt bis sie lustig wurden. Ich habe die Erfahrung gemacht, je älter Du wirst umso weniger musst Du erfinden. 90 Prozent des Programms sind momentan wirklich aus Beobachtungen entstanden. Und die Leute sagen uns ganz oft, dass unsere Geschichten das Leben genau wiederspiegeln.
Im Video-Trailer zu Männer 5.0 erzählst Du von Deiner Weight Watchers Diät. Hast Du das im realen Leben auch schon mal ausprobiert?
Selbstverständlich. Ich bin eher klein, gerade mal 173 cm groß. Männer haben den Nachteil, dass sie nur vorne wachsen. Frauen dagegen wachsen am Oberschenkel, am Oasch, überall. Mir ist eine Wampn gewachsen, was meine Bewegungsfähigkeit sehr einschränkte. Deshalb ging ich damals zu den Weight Watchers. Anders als im Programm habe ich es aber nicht nur zwei Stunden sondern ein halbes Jahr durchgezogen.
„Durch die Hölle gehen wir nicht – auch nicht für Geld“
Schreibst Du die Geschichten und Lieder alleine?
Ja. Da habe ich einen speziellen Rhythmus. Ich sammle ein Jahr lang Ideen. Dann such ich einen Titel, der zu diesen Einfällen passt und dann geht das eigentliche Schreiben und Komponieren los …
Wie sammelt man Ideen? Hast Du immer Notizblock und Stift dabei?
Natürlich. Und heutzutage im 5.0-Zeitalter hat man ein Smartphone mit Diktiergerät.
Ich habe mal ein Stück am Gardasee geschrieben. Da war ich in einem sehr frequentierten Lokal, wo man Vor-, Haupt- und Nachspeise gleichzeitig bekommen hat. Die Wirte wollten die Gäste wieder ziemlich schnell aus dem Lokal hinaus bekommen. Ich habe dann meine Papierunterlage komplett mit meinen Beobachtungen voll gekritzelt. Schließlich stand dann fast das komplette Stück darauf.
Video-Trailer zum neuen Programm „Männer 5.0“
Baut Ihr in Euer Programm auch aktuelle Themen oder Schlagzeilen der jeweiligen Auftrittsorte ein?
Das machen wir ganz spontan. Eine unglaubliche Geschichte ist uns da in Landau passiert. Der Saal war schon komplett mit fast 400 Besuchern gefüllt. Etwa 15 Minuten vor Konzertbegann kommt dann der Veranstalter auf die Bühne und sagt, dass es aus feuerschutztechnischen Gründen nicht möglich ist, die Jacken im Saal zu lassen. Jetzt kannst Du Dir vorstellen was los ist, wenn jeder seinen Umhang wieder raustragen soll. Ein Teil von den Gästen hat natürlich gejammert. An der Garderobe wurde dann auch noch ein Obulus verlangt, weshalb viele ihre Jacken gleich ins Auto hinaus trugen. Auf einmal hatten wir eine sehr komische, aufgeheizte Stimmung im Publikum. (lacht) Bei der Begrüßung bin ich dann auf die Bühne und habe meine Jacke über den Stuhl gehängt. Woraufhin der Bertl mich daran erinnert hat, dass ich das nicht machen darf. Naja, dann habe ich halt meine Jacke wieder hinaus getragen. So bekamen wir schon nach fünf Minuten die ersten „Zugabe“-Rufe.
Ging in jüngster Zeit ein Auftritt auch schon mal richtig in die Hose?
Mit unseren Programmen sind wir eigentlich noch nie richtig reingefallen. Aber manchmal werden wir auch für Firmenveranstaltungen gebucht. Da haben wir in den ersten Jahren richtig Lehrgeld bezahlt. Wir sind an Orte gekommen, an denen wir einfach fehl am Platz waren. Heute würden wir keine Veranstaltung mit Laufkundschaft – etwa bei beinem Stadtfest – mehr spielen. Die meisten Leute interessiert bei solchen Veranstaltungen das Kabarett nicht. Gut, viele Künstler sagen, dann machen wir’s eben fürs Geld. Ich sage: Auch wenn´s uns noch so viel Geld zahlen würden, durch die Hölle gehen wir nicht …
„Gutes Kabarett kann auf derbe Gags verzichten“
Poltische Themen verarbeitet Ihr in Eurem Programm eher selten. Ihr bezeichnet Euer Programm eher als „Sitdown-Comedy“.
(lacht herzhaft) Sitz-Nieder-Kabarett! Wir verwenden keine Anglizismen!
Wir möchten den Leuten die Möglichkeit geben, sich selber beim Leben zuzuschauen. Politik ist ja weit gefächert. Es gibt die Kommunal-, Landes- und Bundespolitik. Wir durchforsten die Welt eher mit Blick auf die Gesellschaftspolitik. Deshalb machen wir auch eher Kabarett als Comedy. Frühestens auf der Gürtellinie ist für uns auch Schluß. Wir hauen nie in die Eier! Ich bin der Meinung, gutes Kabarett kann auf derbe Gags auch verzichten.
Wer lacht eigentlich öfter bei Eurem Programm Männer 5.0? Die Frauen oder die Männer?
Es gibt viele Männer, die nach dem Programm mit einem gewissen Sarkasmus nach Hause gehen. Das Programm ist sehr ehrlich. Kabarettistinen dreschen häufig auf uns Männer ein. Komisch aber ist, dass männliche Kabarettisten auch meist sich selbst – also wieder die Männer – auf die Schippe nehmen. Deshalb fühlen sich bei unseren Auftritten Frauen mindestens so wohl wie die Männer.
„Es gibt zwei Alternativen: Held oder Scheißhausbürste“
Besonders in den letzten Jahren seid Ihr sehr erfolgreich geworden. Eure Veranstaltungen sind immer ausverkauft. Wie kam das?
Bisher sind wir noch nie im Fernsehen gewesen. Am Anfang zwar eher unfreiwillig, aber inzwischen haben wir bemerkt, dass es gar nicht schlecht für uns war. Damit haben wir fast ein Alleinstellungsmerkmal bezogen auf die vielen Menschen, die unser Programm besuchen.
Wir haben es geschafft, dass wir durch reine Mund-zu-Mund-Werbung in ausverkauften Sälen spielen. Den Leuten gefällt, was wir machen. „Do gemma wieder hi“ sagen viele. Das ist eine wunderbare Basis für die nächsten Jahre und für uns weitaus mehr wert als ein unbeachteter Kurzauftritt im TV.
Wie habt Ihr Euch gegründet?
Früher war ich Sänger einer Folk- und Bluesformation – eine Band mit Richard Palmer James. Der war mal bei Supertramp und ist dann zu uns ins Rottal gezogen. ‚Bertl und i‘ gibt’s seit zwölf Jahren. Davor habe ich mit dem Herbert schon kleinere Auftritte gehabt. Im Jahr 2002 feierte unsere Heimatstadt Eggenfelden 100 Jahre Stadterhebung. In der Rottgauhalle wurde dazu ein Künstler-Festival u.a. mit den Biermösl Blosn und Willy Astor veranstaltet. Wir wurden gefragt, ob wir an einem Abend für eine Art Starkbierfest gewisse Themen spielen wollen. Dabei sollten wir kommunalpolitische Themen aufs Korn nehmen. Ich fasste aber den Entschluss, gleich ein ganzes Kabarett-Programm zu schreiben. Innerhalb von ein paar Wochen wurden 3.000 Karten verkauft. Wir haben die Rottgauhalle also gleich zwei Mal bei unserer ersten Premiere gefüllt. Ich war so nervös wie noch nie in meinem Leben. Es gab zwei Alternativen: Entweder Du bist ein Held – oder die Leute hau’n Dich mit der Scheißhausbürste aus der Stadt raus. Es wurde glücklicherweise ein großer Erfolg.
„Wir Niederbayern sind ehrlich – und Hund‘ samma eh“
Was fasziniert den Eggenfeldener am meisten, wenn er zum Auftritt in den Woid nach Freyung fährt?
Am meisten fasziniert uns, dass man da nicht ‚Ja‘ sagt, sondern ‚I-a‘. Unser Techniker Sepp kommt aus dem Woid. Wir versuchen seit Jahren, dass wir ihm das Waidlerische aus seinem Dialekt etwas abgewöhnen. Aber aus einem richtigen Waidler bringt man es einfach nicht raus. Die Sprache der Waidler unterscheidet sich um Welten vom Rottaler Niederbairisch.
Haben Rottaler und Waidler auch Gemeinsamkeiten?
Ja sicher. (lacht) Den Sepp haben wir in unser Gesellschaftsleben sogar voll integriert! Wir haben dieselben Vorlieben, wenn es ums Essen und Trinken geht. Und wir haben einen sehr verwandten Humor. Einen Ums-Eck-Humor. Man darf das niederbayerische Publikum nicht unterschätzen. Wenn Du die Heute-Show im ZDF anschaust – die ich übrigens immer anschaue, weil ich sie liebe -, dann wird der Bayer oft als etwas zurückgeblieben dargestellt. Einige Kabarettisten nördlich des Bavaricums neigen dazu, uns hoffnungslos zu unterschätzen. Das ist aber nicht so. Wir Niederbayern sind sehr ehrlich und entscheiden selbst, über was wir lachen können. Und Hund‘ samma eh.
Stefan, vielen Dank für das Gespräch. Und weiterhin viel Erfolg …
Interview: Jason Ditshej