Riedlhütte. „…also brauchte ich ein Einrad zum Geburtstag. Mein Opa machte mir die Freude und schenkte mir eins. Das Einrad taufte ich sofort Hilde“. So beschreibt Katharina Bildl ihre Anfänge in dem Buch „Alles begann mit Hilde – Rückblick auf die vergangenen 10 Jahre der Riedlhütter Einradler“, erschienen 2013 im Ohetaler Verlag. Diese Sammlung an Erlebnissen und Fotos machte sich die Hoch- und Einradgruppe des SV Riedlhütte zu ihrem zehnjährigen Jubiläum im verganenen Jahr selbst zum Geschenk. Auf 156 Seiten beschreiben die Schwestern Anna (18) und Katharina Bildl (20), wie alles begann mit dem immer erfolgreicheren Team, das sie nun schon seit einigen Jahren gemeinsam trainieren. Hog’n-Mitarbeiterin Vera Neumann hat die fleißige Truppe im Training besucht – und wollte von den beiden Sportlerinnen wissen, welche Ziele sie als nächstes anstreben…
Ganz schön laut ist es in der Turnhalle der Paul-Friedl-Mittelschule in Riedlhütte. 17 Einradlerinnen sind gerade dabei, sich spielerisch aufzuwärmen. Dabei geht es ganz schön rasant zu – als Besucher muss man aufpassen, dass man nicht im Weg steht. Dass sich die Fahrerinnen dabei nicht selbst umfahren, ist verblüffend. „Ich frage mich eh, wie wir hier mal 40 Kinder beim Training untergebracht haben“, meint Trainerin Katharina Bildl kopfschüttelnd. 43 Mitglieder waren das Maxiumum, das die beiden Schwestern aus Riedlhütte bisher zu betreuen hatten. Insgesamt waren es gut 90 Mädchen und Buben, die die Einradgruppe durchlaufen haben – wobei die Mädls seit jeher die Oberhand behielten. Eine stolze Zahl für die Sparte des SV Riedlhütte, die noch gar nicht so lange besteht. Obwohl im Jahr 2003 alles begann, sind die Einradler erst seit 2006 eine eigene Abteilung. Die Sportart selbst ist erst seit 2013 vom Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV) offiziell anerkannt.
Erste Auftritte beim Bärchenfest Grafenau und Glosafest Riedlhütte
Die Schwestern Anna und Katharina fingen mit dem Einradfahren bereits früh an. 2002 machte Katharina ihre ersten Versuche im Keller oder auch mal im Wohnzimmer ihrer Großeltern, brauchte jedoch nicht lange, bis sie ihr Gefährt beherrschte. Schon bald gesellten sich Freundinnen hinzu – und so war ein Jahr später die erste Einradgruppe entstanden. In einer Ortschaft wie Riedlhütte spricht sich so ein Novum natürlich schnell herum – und so kam es, dass nur kurze Zeit darauf Bernd Bachhuber (der damalige Rektor der Volksschule Riedlhütte) bei Katharina und ihren Freundinnen anfragte, ob sie nicht bei ihrem Schulfest auftreten möchten. Gleich der allererste Auftritt war ein Erfolg – und so führte eins zum anderen. Alsbald folgten weitere Auftritte auf dem Bärchenfest in Grafenau sowie beim Glosafest und dem Pfarrfamilienabend in Riedlhütte. Irgendwann wurde dann auch Anna, Katharinas kleinere Schwester, vom Eindrad-Virus infiziert – und die Gruppe begeisterter Fahrerinnen wuchs stetig.
Ganz schön flott und wendig – die Einradgruppe des SV Riedlhütte beim Training in der Turnhalle:
Nach dem Aufwärmen wird in der Turnhalle ein Parcours aufgebaut. Es ist faszinierend mit welcher Leichtigkeit die Mädchen ihre Einräder beherrschen. Abwärts rollend mit dem Rad auf einer Bank balancieren oder über Unebenheiten fahren – alles wird, zum Teil mit Hilfestellung, gemeistert. Jetzt möchte ich es auch probieren! Es sieht ja immerhin ganz leicht aus.
„Wir waren Kinder, da denkt man übers Hinfallen nicht nach“
Als ich jedoch meine ersten wackligen Versuche wage, merke ich: Einradfahren ist alles Mögliche – aber nicht einfach zu lernen! Ich werde an beiden Armen gestützt, rutsche aber trotzdem immer mal wieder nach hinten – oder auch nach vorne weg. Elegantes Auf- und Absteigen – schier ein Ding der Unmöglichkeit. Ich frage die beiden Trainer-Schwestern, wie es bei ihnen am Anfang war.
„Ich hab mich einfach drauf gesetzt und bin gefahren“, sagt Katharina mit einem Schulterzucken. „Wir waren Kinder – da denkt man übers Hinfallen nicht nach.“ Da wird sie recht haben, denn schließlich mache auch ich den Fehler und überlege zwischenzeitlich, wie weh es tut, auf dem Hallenboden aufzuschlagen. Nach ein paar Minuten, die ich ansatzweise dann doch noch geradeaus gefahren bin, springe ich wenig anmutig aus dem Sattel. Man mag kaum glauben, wie anstrengend für einen Laien nur wenige Minuten auf diesem Sportgerät sind. Ich bewundere die Einradler, die sogar über mehrere Stunden derart das Gleichgewicht halten können – wie zum Beispiel bei einem 24-Stunden-Rennen, an dem die Riedlhütter seit 2009 schon des Öfteren erfolgreich teilgenommen haben. Übung macht den Meister – und die Riedlhütter Mädels treffen sich immerhin zweimal die Woche zum Training.
Von der artistischen Freizeitbeschäftigung zum Wettkampfsport
Was einst als Hobby begann, entwickelte sich bald zur sportlichen Herausforderung. Schnell stellte sich die Frage: Warum nicht auch an Wettkämpfen teilnehmen? Schließlich gibt es jedes Jahr eine Vielzahl an Wettbewerben. Seit nunmehr fünf Jahren üben die Riedlhütt’ler ihren Sport deshalb auch semi-professionell aus. Neben Schulwettkämpfen und Rennen starten sie in verschiedenen Disziplinen bei den Niederbayerischen und Bayerischen Meisterschaften, bei denen sie ihre einstudierten Einzel-, Paar- und Gruppenküren präsentieren. Auch bei den Deutschen Meisterschaften waren sie schon vertreten. Der Start bei überregionalen Bewerben hängt aber meistens vom Austragungsort ab – immerhin gilt es solche Ausflüge zu planen und vor allem zu finanzieren. Nach der erstmals 2009 selbst initiierten Einrad-Olympiade luden sich die SV’ler in den Folgejahren Einradler aus befreundeten Vereinen ein.
Dass sich hartes Training auszahlt, wussten die Schwestern Anna und Katharina bereits. Über die Jahre haben sie unzählige Urkunden, Medaillen und Pokale gesammelt. 2012 wurde schließlich ein Traum für die beiden wahr: Gemeinsam mit Papa Josef machten sie sich auf den Weg nach Südtirol, um dort an den Einrad-Weltmeisterschaften teilzunehmen. „Dabei sein ist alles!“ – so lautete das Motto.
Ein Traum wurde wahr: Start bei den Weltmeisterschaften 2012
„Die Atmosphäre und die Gefühle bei so einem Wettkampf am Start zu stehen, richtige Profis zu treffen und Weltmeister bei ihren Rennen zu verfolgen, sind unbeschreiblich“, erinnern sich die Geschwister an jenes Erlebnis in ihrem Buch. Die damals 16- und 19-Jährigen erzielten in ihren jeweiligen Altersgruppen hervorragende Platzierungen: Anna erreichte in der Disziplin „Langsam vorwärts“ einen sensationellen vierten Platz, im Weitsprung schaffte sie es mit Rang sieben ebenfalls unter die Top Ten. Auch ihre ältere Schwester gehörte bei den Meisterschaften zu den besten der Welt: Im Weitsprung erzielte Katharina den achten, im Hochsprung einen sehr guten neunten Platz.
Für heuer haben die Bildls mit ihrem Team konkrete Pläne: Nach Auftritten bei Faschingsbällen soll es zunächst zur Niederbayerischen Meisterschaft gehen. Daraufhin folgen der alljährliche Schulwettkampf und die Bayerischen Meisterschaften.
Sollte in diesem Jahr die Deutsche Meisterschaft in Bayern ausgetragen werden, steht es außer Frage, dass die Riedlhütter daran ebenfalls teilnehmen wollen – genauso wie beim 24-Stunden-Rennen. „Und dann schau’n mer moi, wos‘ se sunst na ois ergibt.“
Vera Neumann