Freyung-Grafenau. Von Freyung nach München und wieder zurück – das könnte womöglich bald auf den Landtagsabgeordneten Alexander Muthmann zutreffen. Bei den Landratswahlen im März tritt der 58-jährige Politiker gegen Sebastian Gruber (CSU) an. Zwar galt Muthmann lange Zeit als „Geheimfavorit“ der Freien Wähler, dennoch kam seine Nominierung vor wenigen Tagen für viele überraschend. Denn: Wird Muthmann Landkreis-Oberhaupt, muss er von seinem Mandat im Landtag zurücktreten. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ spricht der frühere FRG-Landrat u.a. über seine erste Amtszeit (2002-2008), über seinen Kontrahenten Sebastian Gruber – und über seine mögliche Rückkehr in die Kommunalpolitik.
„Kommunalpolitik ist das wichtigste und spürbarste Feld“
Herr Muthmann, in einem früheren Hog’n-Interview hatten Sie angekündigt, dass die Kommunalpolitik nicht mehr Ihr Ziel sei. Bei den Wahlen im März treten Sie nun aber doch als Landratskandidat der Freien Wähler an. Wie ist es zu diesem Sinneswandel gekommen?
Auch unmittelbar nach der Landtagswahl habe ich nochmals erklärt, dass der Landtag mein Ziel ist – und bleibt. Besonders wichtig ist mir in dieser Hinsicht aber eine vernünftige Zusammenarbeit mit den Akteuren vor Ort. Genauso liegt mir am Herzen, dass die Freien Wähler in der Kommunalpolitik ein Angebot für die Wähler bereitstellen – immerhin ist sie für die Bürger das wichtigste und spürbarste politische Feld. Auch ich persönlich habe mich lange bemüht, einen guten Landratskandidaten zu finden. Lange Zeit war Perlesreuts Bürgermeister Manfred Eibl unser Favorit – er wollte aber aus nachvollziehbaren taktischen Gründen nicht antreten.
Sind Sie dann eine Art Notlösung der Freien Wähler?
Nein. Schon in den vergangenen Jahren habe ich als Landtagsabgeordneter bewiesen, dass ich mich auch von München aus für die Region einsetze. Deshalb bin ich auch keinesfalls auf der Flucht. Letztlich ist das Amt des Landrats das eines Gestalters und Machers – diese Aufgabe ist somit für mich interessanter als die Rolle des Oppositionspolitikers in München. Deshalb habe ich mich entschlossen, bei den Wahlen anzutreten.
„Im Landkreis Freyung-Grafenau gibt es viele Herausforderungen“
Als Landrat hat man einen „Königsstatus“ im jeweiligen Landkreis, nicht?
Natürlich hat der Landrat große Einwirkungsmöglichkeiten – aber so glanzvoll ist das Amt dann doch nicht. Es ist auch mit viel Arbeit und Verantwortung verbunden. Ich will Landrat werden, weil es im Landkreis viele Herausforderungen zu bewältigen gilt. Die finanzielle Leistungsfähigkeit beispielsweise ist gefährdet – und das obwohl Freyung-Grafenau große Investitionen vor der Brust hat. König klingt irgendwie nach Jubelfeiern, Glanz und Festen – die öffentlichen Auftritte gehören dazu, sind aber nur Teil einer vielfältigen Arbeit.
Herr Muthmann: Warum sind Sie der bessere Landrat?
Ich habe Landratsamt-Erfahrung, ich habe Landrats-Erfahrung – und ich habe Landtags-Erfahrung. Durch Letzteres habe ich hervorragende Verbindungen nach München. Mittlerweile bin ich auch in einer Vielzahl von Vereinen im Landkreis verwurzelt und aktiv. Ich habe die nötige Qualität und Erfahrung, um die Probleme in der Region lösen zu können.
Ist die Rückkehr ans Landratsamt nach den Jahren im Landtag nicht irgendwie auch ein politischer Rückschritt?
Die Themen im Landtag sind freilich überregional – anders als im Landkreis. Der Eindruck, dass das Amt des Landrats weniger Wert ist als ein Mandat im Landtag, mag sicher entstehen – ich werde auch häufiger darauf angesprochen. Ich würde in der Wertigkeit jedoch keinen Unterschied machen. Im Gegenteil. Für die Region ist die Aufgabe des Landrats die gewichtigere.
„Solange Kritik sachlich bleibt, ist dagegen nichts einzuwenden“
Gleichzeitig ist man aber auch angreifbarer.
Vor Kritik habe ich mich noch nie gefürchtet (schmunzelt). Klar ist: Je mehr Verantwortung man übernimmt, desto mehr stehe ich auch im Kreuzfeuer möglicher Angriffe. Zugegeben: Im Landtag kann man sich besser verstecken – in den hinteren Bänken (lacht). Wer mich kennt, weiß, dass ich das aber nie machen würde. Ich mag mich einmischen, ich mag meine Positionen vertreten – dass es da mal Widerstand geben kann, ist im politischen Geschäft die pure Selbstverständlichkeit. Solange Kritik auf der sachlichen Ebene bleibt, ist dagegen nichts einzuwenden – wird es aber Persönlich, ist das eine andere Geschichte.
In der Zeitung haben Sie Ihren Konkurrenten Sebastian Gruber als „jung und sympathisch“ beschrieben. Er hingegen wollte zu Ihnen keinen Kommentar abgeben – „das ist nicht unsere Aufgabe“ lautete seine Antwort. Ihre Meinung dazu?
Ich finde interessant, dass Sebastian Gruber – wie in der Zeitung berichtet – von „uns“ spricht. Offenbar wurden uns beiden die gleichen Fragen gestellt. Ich habe dabei gesagt, dass ich Sebastian Gruber als jungen und sympathischen Menschen einschätze, der bisher noch keine größeren Erfahrungen in der Kommunalpolitik gesammelt hat. Wenn nun er gesagt hätte, es sei nicht seine Aufgabe, das zu kommentieren, hätte ich das Ganze verstanden – aber dass er von ‚unsere Aufgabe‘ gesprochen hat, hat mich stutzig gemacht. Mir ist gesagt worden, Sebastian Gruber hat darum gebeten, die Fragen schriftlich beantworten zu dürfen – es wirkt so, als wären seine Antworten mit jemandem abgesprochen. Bei schwierigen Fragestellungen ist die schriftliche Beantwortung von Presseanfragen legitim und üblich, aber bei solchen Sachen ist das ein bisschen komisch …
„Ich sage von mir selbst, dass ich ein guter Verlierer bin“
Hand aufs Herz: Wie schätzen Sie Ihre Chancen bei den Landratswahlen ein?
Ich bin kein Prophet. Klar ist aber: Wenn ich antrete, möchte ich auch gewinnen. Die Resonanzen, nachdem meine Nominierung bekannt geworden ist, waren durchwegs positiv – von vielen Seiten habe ich Anerkennung, Zustimmung und Glückwünsche erhalten. (überzeugt) Ich halte meine Chancen für ganz gut.
Im Falle eines Wahlsieges könnte sowohl Ihr Vorgänger und Nachfolger Ludwig Lankl als auch Ihr Kontrahent Sebastian Gruber im Kreistag sitzen – und gegen Sie arbeiten. Ein möglicher Brandherd?
Noch bevor meine Kandidatur bekannt geworden ist, habe ich Sebastian Gruber darüber informiert – das gebietet die Fairness. Ich hoffe nun auf einen sachlichen und fairen Wahlkampf. Bisher sind wir bei Begegnungen immer sehr entspannt miteinander umgegangen – freilich unter anderen Vorzeichen. Besonders wichtig: Egal, wie die Wahl endet, wir werden uns hinterher begegnen. Für den Landkreis ist es dann wichtig, dass es keine konfrontative Opposition gibt, sondern ein gemeinsames Tun im Interesse des Landkreises.
Ihnen wurde, vor allem unmittelbar nachdem Ludwig Lankl zum Landrat gewählt worden ist, nachgesagt, Sie seien ein schlechter Verlierer …
Ja, das stimmt. Habe ich im Kreistag irgendwas gesagt, hieß es sofort, ich könne nicht verlieren. Aber ich bin generell ein Mensch, der einfach kritische Dinge offen anspricht. Generell gilt: Ich bin durch und durch Sportler: Wenn man antritt, kann man gewinnen, aber auch verlieren. Ich sage von mir selber, dass ich ein guter Verlierer bin.
„… in Sachen Windkraft geht zurzeit gar nichts voran“
Mit Kritik kann man ja auch viele positive Dinge erreichen.
Genau. Zum Beispiel der Geschäftsführer-Wechsel bei der Kliniken gGmbH – ohne meine kritischen Äußerungen wäre dieser wohl nicht zustande gekommen.
Wo waren Sie vielleicht nicht so erfolgreich?
Bei der Energiewende. Bedauerlicherweise konnten wir das Energie-Nutzungskonzept nicht durchsetzen, der Landkreis wollte es nicht. Trotzdem bleibt dieses Thema weiterhin aktuell. Mein Vorsitz bei der Bürger-Energiegenossenschaft dokumentiert, dass ich mich mit dieser Sache sehr intensiv beschäftige.
Wie sieht eine gelungene Energiewende konkret aus?
Obwohl es ein bundespolitisches Thema ist, ist auch im Kleinen ein wesentlicher Beitrag dazu möglich. Klar ist aber auch, dass da jede Region andere Schwerpunkte hat. Gibt es die Möglichkeit, auf regenerative Energien zu setzen, dann sollte man diese auch nutzen. Leider hat sich bei uns bisher nur Photovoltaik durchsetzen können – in Sachen Windkraft geht zurzeit gar nichts voran.
Was steht ansonsten auf Ihrer Agenda, wenn Sie zum Landrat gewählt werden.
Da die einzelnen Regionen untereinander auch in Konkurrenz stehen, gilt es für uns, sich möglichst attraktiv aufzustellen – für alle Bevölkerungsgruppen. Das geht von der schulischen Ausbildung über Familie und Beruf bis hin zur Rente. Hierbei ist die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft unabkömmlich.
Breitband: „Österreich macht es uns vor, wie es geht“
Gibt es weitere Ziele?
Es wäre toll, wenn es uns gelingen würde, das Kliniken-Defizit Richtung null zu fahren und den Staat dazu zu bringen, die Kosten für die Technologie-Campi zu übernehmen – dann hätten wir wieder mehr Spielraum. Mit diesem Geld könnte man dann beispielsweise die Energiewende und die Breitbandentwicklung vorantreiben.
Letzteres ist Ihr Spezialgebiet: Gibt’s Neuigkeiten?
In diesem Bereich tut sicher immer wieder was, leider aber immer zu spät. Kürzlich hat das zuständige Ministerium von Markus Söder angekündigt, das Programm nochmals zu verbessern. Das große Manko aber bleibt: Der Freistaat müsste den Breitbandausbau endlich als eigene Aufgabe verstehen – ähnlich wie das Straßennetz, das sich in Bundes-, Kreis- und Gemeindestraßen aufteilt, müssten auch die Glasfaserkabel verlegt werden.
Wie realistisch ist das?
Im Landtag haben wir das schon mehrmals angesprochen – unsere österreichischen Nachbarn machen es ja vor, wie es funktioniert. Bis dato waren aber alle Vorstöße vergeblich, leider. Die Hoffnung stirbt zuletzt: Hoffentlich wird der Freistaat das Hauptverkehrsnetz in Sachen Breitband irgendwann bauen und unterhalten.
„Mir geht es um den gesamten Landkreis – nicht um einzelne Städte“
Zurück zum Wahlkampf: Es ist sicher, dass ein Freyunger Landrat wird. Bleiben dann Waldkirchen und Grafenau auf der Strecke?
In dieser Hinsicht bin ich eher unverdächtig (lacht). Ich habe mich damals in erster Linie für Freyung als Wohnort entschieden, weil dort auch das Landratsamt ist. Trotz meiner gesellschaftlichen Verwurzelung in der Kreisstadt möchte ich betonen, dass mir sowohl die Kreisstadt mit ihrem Umland als auch das Grafenauer Land sowie der südliche Landkreis mit Waldkirchen gleichermaßen am Herzen liegen. Das habe ich während meiner Amtszeit als Landrat immer wieder bewiesen, zum Beispiel als es um eine Indoor-Halle ging. Ich habe mich damals für Grafenau ausgesprochen – und Waldkirchen hat das Job-Center bekommen. Ich bin darauf bedacht, eine vernünftige Verteilung im ganzen Landkreis zu erreichen. Diesbezüglich habe ich auch keine Kritik an meiner Arbeit wahrgenommen. Mir geht es um den gesamten Landkreis – nicht um einzelne Städte. Und ich bin nicht stellvertretender Bürgermeister der Stadt Freyung …
Abschließende Fragen: Was würden Sie anders machen als in Ihrer ersten Amtszeit?
Ich möchte mehr betonen, dass ich für alle Bürger ein offenes Ohr habe – das ist mir damals nicht so gelungen, wie ich es mir gewünscht hätte. Mir ist bewusst, dass die Landkreis-Bürger viele Sorgen haben – sei es in Sachen Führerschein, Bauwesen oder Soziales. Bürgersprechstunden, die ich von 2002 bis 2008 nicht hatte, sind ein gutes Mittel, um diese Probleme zu lösen.
Interview: Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer
Ich freue mich auf einen spannenden Wahlkampf mit zwei sympathischen Kandidaten. Ich hoffe, beide versuchen mit eigenen Ideen und eigenen Argumenten zu punkten und wühlen nicht im Dreck.
Der Landkreis braucht einen starken, kreativen Landrat, der FRG wieder besser positioniert. Im Moment bin ich nämlich von der Zukunftsfähigkeit meiner Heimat nicht überzeugt.
Meiner Meinung nach hat FRG nach außen hin an Attraktivität verloren – Die Reaktivierung der Freyunger Innenstadt war ein hoffnungsvoller Anfang.
Nicht nur touristisch steht der Landkreis vor schweren Aufgaben. Diese müssen schleunigst angegangen werden, zuletzt döste der Landkreis nämlich vor sich hin.