Kundus/Freyung/Mauth. Die Hitze ist unerträglich. Mehr als 60 Grad in der prallen Sonne – auch im Schatten gibt’s so gut wie keine Abkühlung. Der Schweiß fließt in Strömen, der Sturm peitscht einem den Wüstensand ins Gesicht. Hinzu kommt die Angst vor Anschlägen, die Angst ums eigene Leben und das der Kameraden. Doch das alles darf Robert Madl nicht stören. Der 30-jährige Mauther war als Logistiker mitverantwortlich für den Abzug der Bundeswehr aus Kundus. „Ich war Teil der größten logistischen Herausforderung des deutschen Militärs seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagt er nicht ohne Stolz. Knapp sechs Monate war der Hauptfeldwebel im Afghanistan-Einsatz – von Ende Juni bis Mitte November. Nach seiner Rückkehr in die Heimat hat Robert Madl mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ über seine Zeit im Krisengebiet gesprochen.
„Freilich hat man da ein ungutes Gefühl – und schläft die eine oder andere Nacht unruhig“, erinnert sich Robert Madl an die Zeit unmittelbar vor seinem Afghanistan-Einsatz. „Doch jetzt, im Nachhinein, kann ich sagen: Ich hab‘ da unten nicht nur negative Erfahrungen gemacht.“ Vor allem von der Kameradschaft, der Professionalität und der Disziplin der Truppe ist der 30-Jährige angetan. Doch eben diese Eigenschaften waren auch nötig angesichts der bereits angesprochenen Bedingungen in Südasien. Als Logistiker war der Waidler mit dafür verantwortlich, dass das Feldlager Nahe Kundus geräumt wird. Ein Mammut-Projekt. Die Soldaten mussten zigtausende Gegenstände – von Waffen über Bettlaken bis hin zu Kochtöpfen und schwerem Gerät – registrieren, verpacken und verschicken. Zuletzt hatten die Bundeswehrler nur noch das mitzunehmen, was sie in ihren Rücksäcken selbst tragen konnten. Doch nicht nur die Räumung an sich, sondern auch die Vor- und Nachbereitung waren „logistische und organisatorische Meisterleistungen“, wie Robert Madl berichtet.
„Man weiß nie, was innerhalb der Bevölkerung genau los ist“
Zwar war er ausschließlich innerhalb des Lagers tätig, dennoch bekam der Hauptfeldwebel mit, was außerhalb der Mauern vor sich ging. Nach einer zeitaufwändigen Einsatzvorbereitung in Deutschland waren im islamischen Staat Krieg und Tod plötzlich real. Die große Gefahr für die Spähtrupps, die das Gelände rund um das Feldlager unter die Lupe nehmen mussten: „Man weiß nie, was innerhalb der Bevölkerung genau los ist. Man weiß nie, was in einem Menschen vorgeht, der neben der Straße steht.“ Diejenigen Afghanen, die im Lager beschäftigt waren, beschreibt Robert als zurückhaltend, fast ein bisschen scheu. „Besonders krass: Die Leute dort arbeiten teils wie im Mittelalter – ein Schubkarren ist da fast Luxus.“ Die altertümlichen Arbeitsbedingungen bedeuten jedoch nicht, dass die Afghanen zurückgeblieben sind. Im Gegenteil. Die Einheimischen sind dem Freyunger Soldaten zufolge sehr schlau und gewieft. „Das sieht man ja schon an den selbstgebastelten Sprengstoffen.“
Raketenalarm im Lager: „Das sind natürlich blöde Momente“
Selbstverständlich gab es auch im Lager immer wieder mal Raketen- oder Bombenalarm. Anfangs löste das in Robert Madl einen Ausnahmezustand aus – später jedoch wurde dies zu einer fast alltäglichen Situation. „Das sind natürlich blöde Momente“, blickt er zurück. „Aber die alten Hasen unter den Soldaten haben da so ihre Art von Galgenhumor entwickelt – und der steckt irgendwann an.“ Nochmal betont der 30-Jährige an dieser Stelle das hervorragende Miteinander unter den Soldaten. „Da hilft jeder jedem – egal, ob Deutscher, Niederländer oder Amerikaner.“
„Die Briefe aus der Heimat waren Highlights“
Der wohl schwierigste Moment für ihn war die Zeit um seinen 30. Geburtstag. Statt einer Feier mit seiner Freundin und seiner Familie daheim in Mauth, gab es am Ehrentag eine Dose Bier im Lager von Kundus – das war’s. Der Kontakt zu den Liebsten in Bayern – per Feldpost oder via Internet – war für ihn immer wieder eine willkommene Ablenkung im tristen und eintönigen Kriegsalltag. „Die Briefe aus der Heimat waren die Highlights“, erzählt der Hauptfeldwebel, dem bei dem Gedanken daran noch jetzt ein Lächeln über die Lippen huscht. Einige Kameraden, so Robert, wurden während ihrer Einsatzzeit Vater, andere wiederum mussten den Verlust von Freunden oder Verwandten hinnehmen. „Das blieb mir – Gott sei Dank – erspart.“ Über das Internet erfuhr der leidenschaftliche Amateur-Fußballer natürlich immer, was zuhause alles los ist – vor allem die Ergebnisse seines Vereins, dem TSV Mauth, gehörten zu den wichtigsten Nachrichten.
Darstellung in den Medien: „Da wird Vieles übertrieben“
Doch warum tut man sich das Ganze an? Warum begibt man sich freiwillig in Gefahr? Warum versucht man im zigtausende Kilometer entfernten Afghanistan für Sicherheit und Ordnung zu sorgen? Diese Fragen hat sich der Waidler während seiner Zeit in Kundus nur selten gestellt. Einerseits war er mit seinen Aufgaben so beschäftigt, dass er gar nicht darüber nachdenken konnte. Andererseits macht er klar: „Als Mitglied der NATO ist Deutschland gegenüber seinen Bündnispartnern dazu verpflichtet. Und ich diene nunmal als Soldat meinem Land.“ In dieser Hinsicht kritisiert er die Darstellung des Afghanistan-Einsatzes in den Medien. „Da wird Vieles übertrieben.“ Dennoch kennt auch der 30-Jährige die Zahl der deutschen Toten, die Zahl der deutschen Verwundeten – und auch die Zahl derjenigen, die mit psychischen Problemen zurückgekehrt sind.
„Es werden Gespräche geführt – auch mit Psychologen“
Doch hier lässt die Bundeswehr ihre Soldaten nicht allein – zum Auslandseinsatz gehört neben einer intensiven Vorbereitung auch eine vernünftige Nachbereitung. Nach seiner Rückkehr am 9. November, einer damit verbundenen „Welcome-Back-Feier“ und einem längeren Urlaub, wird Robert Madl – genauso wie all seine Kameraden, mit denen er in Afghanistan war – ein so genanntes Reintegrationsseminar besuchen. „Dort werden viele Gespräche geführt – auch Psychologen sind dabei“, weiß Robert. Glücklicherweise habe hier in den vergangenen Jahren ein Umdenken stattgefunden. „Früher wurde die psychische Belastung der Soldaten nicht so wahrgenommen und akzeptiert – das hat sich aber geändert.“
Trotz aller Schwierigkeiten, Sorgen und Ängste beschreibt Robert Madl seine Zeit am Hindukusch als „Erfahrung, die einen weiterbringt.“ Deshalb möchte er auch Berufssoldat werden. Und auch ein erneuter Auslandseinsatz kommt für ihn in Frage. „Es ist eben mein Wunsch, weiterhin bei der Bundeswehr zu bleiben.“
Helmut Weigerstorfer