Eggenfelden-Gern. Fräulein Weiler war wieder einmal in Eggenfelden, um sich in kultureller Hinsicht berieseln zu lassen. Diesmal wechselte das Theater an der Rott jedoch den Spielort und verlegte das Stück „Ox und Esel“ aus Authentizitätsgründen kurzerhand in den Rossstall nach Gern. Ein Ort, an dem die bereits jetzt schon restlos ausverkaufte Weihnachtsgeschichte aus der Sicht der Tiere richtig gut aufgehoben ist. Aber lesen Sie selbst …
„Ox und Esel“ – ein Stück nicht nur für Kinder
„Jetzt kritisiert sie nur noch Kinderstücke“, werden Sie sich jetzt vielleicht denken, nachdem Sie zum letzten Mal von mir gelesen haben, als ich Ihnen über den Theaternachmittag mit meiner Nichte Rosa erzählt habe. Das stimmt ganz und gar nicht: „Mein Bruder, der Räuber Kneißl“ ist ebenso ein Kinderstück wie auch eins für Erwachsene – und das gilt auch für „Ox und Esel“, das ich mir am Wochenende im Rossstall in Gern angeschaut habe. Allein – Rosa hatte keine Zeit, sie hatte einen Auftritt mit dem Schulchor. Nebenbei bemerkt habe ich mich beim Stück „Rozznjogd“ zurückgehalten – den Schülern der Beruflichen Oberschule Pfarrkirchen zuliebe. Sonst wäre das mit der Rozznjogd auf’m Hog’n ja doch etwas ausgeufert. Und die Abiturienten, mein lieber Schwan – Hut ab, die haben es drauf!
Nun aber zu „Ox und Esel“… Der Rossstall in Gern ist komplett voll. Freilich nicht mit Rössern – die sind schon lange ausgezogen aus dem Komplex der Schlossökonomie, die inzwischen ein durch und durch kultureller Ort geworden ist. Unter anderem befinden sich hier die Remise mit der integrierten Musikschule, der Gotische Kasten, das Theatron und eben der Rossstall – heute gefüllt mit vielen Kindern und Erwachsenen. Alle wollen sie die beiden Stallbewohner sehen, die einst das Jesuskind mit ihrem Atem gewärmt haben sollen. Doch ganz so romantisch wird das heute nicht …
Wie Dick und Doof – oder Walter Matthau und Jack Lemmon
Der Esel liegt in seinem gemütlichen Bett – ein großer, an die Wand gelehnter Bulldog-Reifen mit Kissen und Decken. Er liest im Schein einer Taschenlampe. Die Weihnachtsgeschichte, langsam und bedächtig. Holterdipolter kommt der Ox herein. Er kommt von der Arbeit heim und hat einen Mordshunger. Mit Essen wird es aber so schnell nichts – da liegt ein Baby in seinem Heu. Wie das da hingekommen ist – gute Frage. Und die gilt es mit Esel zu klären. Die beiden Tiere sind sich nicht einig. Esel möchte das Kleine behalten, Ox hat nur eins im Sinn: mampfen. Sehr komisch ist es, wie das ungleiche Paar seine Interessen durchsetzen will. Regisseurin Verena Koch beschreibt es im Theaterprogramm absolut treffend: Ox und Esel erinnern an Dick und Doof – oder an Walter Matthau und Jack Lemmon.
In ihrem Gerangel eint sie schließlich ein lautes Pumpern an der Tür. Wer mag da draußen sein? Es ist ein Soldat von König Herodes, der das Kind mitnehmen wird. Jetzt wird’s lustig – mit immer neuen Fragen an den Soldaten schickt der Ox den Esel nach draußen, welcher im irrwitzigen Englisch Vermittler spielt. Das mögen die Kinder nicht verstehen – aber die Eltern. Und das widerholende Element gefällt auch den Kleinen. Vor allem dann, als Ox schließlich die Schnauze voll hat, nach draußen geht, es blechern kracht und scheppert … Der nicht immer sanfte Gigant hat aufgeräumt und kommt mit dem Soldatenhelm herein – ein Eimer mit rotem Besen. Herrlich!
Und noch ein Dilemma: Wer ist die Mutter, wer der Vater?
Und die zwei Streithanseln sind vereint. Oder doch nicht ganz? Immerhin gilt es noch zu klären, wer denn nun die Mutter- und die Vaterrolle übernimmt. Schließlich zieht der Ox ein Schürzl an und der Esel bindet sich eine „Krawatte“ um und sie schaukeln das Kind gemeinsam. Und singen dabei ganz rührend ein Weihnachtslied. Zauberglitzer rieselt von oben herab. Für Romantik ist also doch Platz.
Und für jede Menge Wortwitz. Denn wie hieß die Mutter von Jesus gleich nochmal? Mechthild? Und was waren da für drei prunkige Kerle unterwegs? Dilettanten aus dem Morgenland? Und wen suchten die? Den Matthias? Großartig komisch wird das Zwiegespräch auch, wenn es darum geht, das Menschlein optimal zu versorgen. Alle kleinen Tiere trinken gerne Milch. Klarer Fall für den Esel, bei den Kühen nebenan Milch zu holen. Er bringt gleich ein ganzes „Euter“ in Form eines gefüllten rosa Gummihandschuhs. Aber wie geht’s weiter? In diesem Fall kommt nicht das Schnäuzchen zur Zitze, sondern umgekehrt. Und was singen Eselsmütter ihren Eselskindern vor, wenn die abends die Ohren anlegen? Und was ist mit den Oxenmüttern? Und den Vätern?
Rüdiger Bach und Lorenz Gutmann: Großartige Stallbewohner
Rüdiger Bach ist ein wunderbarer Esel, wie er seine Hände zu adretten Hufen formt, wie er den Ox von unten herauf anschaut, wie er mit den Füßen scharrt, wie er übereifrig und optimistisch das Baby schaukeln will, wie er im Iiii-aaah-Ton „ist gut“ und „weiß nicht“ sagt – und das tut er oft. Die grauen flauschigen Schlappohren machen ihn als Esel erkennbar, den Rest erledigt seine sture, hartnäckige und durchaus schlaue Art, das Kind behalten und umsorgen zu wollen. Lorenz Gutmann ist ein ebenso guter Ox – brummelnd und züngelnd schaut er eher missgelaunt und grantig durch die Gegend, bevor das Baby schließlich doch sein Herz erweicht. Immer in der Hand hat er sein Ochenschwanzerl – die Hörner sind so plüschig, dass man sich eher vor seinem grimmigen Geschau fürchtet.
Ausstatterin Ute Lindenbeck hat einen Stall voller Überraschungen geschaffen. Im Zentrum steht die Zinkwanne mit dem Kind – Oxens Futterkrippe. Hinten ist die Tür ins ominöse Draußen, rechts lehnt Esels Reifen, links ist Oxens Box. An der Decke hängt ein Leuchter aus Plastikwasserflaschen, über allem hängt ein Banner mit der Aufschrift „Landwirtschaft zum Anfassen“. Den besten Rahmen gibt der Rossstall selbst – das hölzerne Gebälk macht das Schauen wunderbar gemütlich, die Nähe zur Bühne ebenso und die reduzierte Zuschauermenge auch. Die Kinder sitzen auf Kissen und Bäckerkisten und Bierbänken ganz vorn, die Erwachsenen auf zwei Podesten ein Stück weiter hinten. Es ist ein moderner Stall, der vielleicht die Botschaft birgt: Die Weihnachtsgeschichte ist zeitlos.
Es geht um Freundschaft, um Nächstenliebe, um Verständnis
Diese Botschaft verbirgt sich auch im Stück selbst. Denn es ist bis zum Ende nicht klar, ob es eigentlich tatsächlich das Jesuskind ist, um das sich Ox und Esel kümmern wollen, bis die echten Eltern wieder auftauchen. Aber es ist auch gleich. Daum geht es nicht. Es geht um Freundschaft, um Nächstenliebe, um Verständnis füreinander. Mit dieser herzerwärmenden Erkenntnis gehe ich zwischen den alten und geduldigen Gebäuden der Schlossökonomie Gern hindurch zu meinem Auto. Und nehme mir vor, diesmal am Heiligen Abend um Mitternacht irgendeinen Stall aufzusuchen. Oder zumindest ganz gut hinzulauschen – vielleicht sagen ja meine beiden Katzen was.
Denn Sie wissen doch: Am Heiligen Abend können die Tiere reden. Ox und Esel haben mir das schon vorher gezeigt. Haben Sie schöne Festtage, schenken Sie Ihren Liebsten Zeit, verbringen Sie gemütliche, friedliche und kulinarische Stunden miteinander. Und haben Sie einen guten Jahreswechsel, verabschieden Sie das alte Jahr und freuen sich auf 2014. Dann werden Sie wieder von mir lesen.
Herzlichst – Ihr Fräulein Weiler