Passau/Neureichenau. Dagmar Isabell Schmidbauer legt mit „Und dann kam das Wasser“ ihren fünften Krimi vor. Geboren in Stuttgart, aufgewachsen in Frankfurt am Main, nennt die Autorin seit mittlerweile mehr als dreißig Jahren den Bayerischen Wald ihre Heimat. „Spannende Unterhaltung wünscht Dagmar Schmidbauer“ – mit diesen Worten hat sie ihr Werk signiert. Und ja, spannende Unterhaltung hat der Krimi absolut gebracht. Am Ende waren noch ein paar Fragen offen – und die haben wir der Autorin gleich direkt gestellt.
OPTIK
Zwei türkisblaue Bögen heben sich fühlbar auf dem Softcover des Buchs ab. Es könnten Flüsse sein, wobei diese dann bei Hochwasser ja eher schmutzig-braun wären. Zwischen den Bögen: ein Dekolltee, benetzt mit kleinen Schweißtröpfchen. Unter dem weißen, durchgeschwitzten Top lugt eine erigierte Brustwarze hervor. Vom Gesicht der Dame ist nicht viel zu sehen außer ein leicht geöffneter, glänzender Schmollmund. Ist das ein Krimi? Doch, da steht unter dem Titel eindeutig: Kriminalroman. Die in schwarz-weiß gehaltenen Sandsäcke auf der anderen Seite der blauen Bögen fallen erst gar nicht ins Auge und geben dem Leser damit auch nicht weiter zu verstehen: Ich bin ein Krimi! Unterteilt werden die einzelnen angenehm kurzen Kapitel mit kleinen gezeichneten Booten. Das ist nett. Mal was anderes.
INHALT
Kommissarin Franziska Steinbacher hat einen Fall zu klären: In der Passauer Altstadt wurde eine Leiche gefunden, die sie sich auch noch schnell anschaut, bevor das Hochwasser das Fenster eindrückt und alles überschwemmt – sie beinahe inklusive. Nun ist die Leiche erst mal unerreichbar und wird dann auch noch von einem ominösen Taucher entfernt. Die Spuren führen Franziska Steinbacher in die schlammige Tiefe einer Passauer Parallelwelt, in der alles verwoben scheint: Rumänischer Frauenhandel, geldige Bauunternehmer, Firmenchefs, Rechtsanwälte, dumme Sexhaserl, traurige Veteranen, unheimliche Existenzen, Sekretärinnen mit MS, sadistische Pflegebedürftige… Alles hängt irgendwie zusammen und dann fällt auch noch eine Frau aus dem Turm in der Neuen Mitte. Franziska Steinbacher und ihr Kollege Hannes Hollermann entschlüsseln das Rätsel schrittweise, bekommen es mit vielen Menschen zu tun, erhalten Einblicke in verschiedenste Abgründe.
Dagmar Isabell Schmidbauer baut in ihren Krimi das Hochwasser 2013 ein – eigentlich war das Buch davor schon fast fertig. Sie hat’s noch mal umgeschrieben, aktualisiert, lässt Merkel, Seehofer und F-Politiker aufmarschieren, beschreibt die Situation, als das Trinkwasser abgestellt wurde, spricht den Einsatz der Studenten an. Das lässt die Erinnerung noch mal aufleben – im Kopf ist das Hochwasser für alle Nicht-Passauer ja schon wieder weit weg, obwohl kaum ein halbes Jahr her …
STIL
Dagmar Isabell Schmidbauer schreibt spannend. Langsam lässt sie die Kommissare den Fall lösen, fügt Bruchteil für Bruchteil der Aufklärung hinzu. Und: Sie versteht es, die Protagonisten lebendig zu machen, geht ins Detail, beschreibt deren Leben, deren Wahrnehmung, deren Motive eindrücklich – und das in der dritten Person. Der Leser kann sich einfühlen. Und das ist sehr gut so. Denn die Autorin erweckt ganz schön viele Personen zum Leben, da könnte man leicht durcheinanderkommen. Tut man aber nicht – weil sie spannend, anschaulich und sehr gewandt schreibt.
Franziska Steinbacher mag man mögen oder nicht – der Leser hat gleich ein Bild vor Augen, wie die Kommissarin so drauf ist. Nicht nur bei ihr verflicht sie das berufliche mit dem öffentlichen Leben. Das macht die Figuren persönlich, das macht sie verletzlich. So mancher Hintergrund wird deutlich und es erklärt sich, warum jemand so handelt, wie er es eben tut.
SEX
Das Cover lässt schon erahnen: Das Werk ist nicht nur ein Krimi – hier geht es auch zur Sache. Und zwar ganz schön. Franziska Steinbacher ist mit einem Bühnenbildner zusammen – und der versteht es, alle Liebesregister zu ziehen. Für seine Herzensfrau lässt er sich Rollenspiele einfallen. Und wenn er mal nicht da ist, weil er einem Auftrag auf Sizilien nachgeht, gibt sich die Kommissarin lüsternen Fantasien hin. Dagmar Isabell Schmidbauer wird unverhohlen deutlich: Da ist von Stößen die Rede, von einem Katapult in den siebten Himmel, … Und nicht nur Franziska Steinbacher hat Sex, so viel sei verraten… Muss das sein? Ganz ehrlich: Eigentlich nicht. Der Krimi ist spannend genug. Auch wenn Spannung und Erregung zugegebenermaßen nahe beieinander liegen.
CRIME
Klar geht es kriminell zu. Wenn der Frauenhändler gleich zu beginn seine Opfer ankettet und schließlich verdursten lässt… Das sind die ersten Seiten des Krimis – und der Leser kann sich noch überhaupt keinen Reim darauf machen, was da passiert. Erst gegen Ende des Buchs, wenn der Crime noch mal richtig Fahrt aufnimmt. Da wird entführt, gefesselt und geschossen. Dennoch: Die Gewalt steht nicht an erster Stelle. Vielmehr das undurchschaubar Gesellschaftliche, das unter der Oberfläche existiert. Als Leser denkt man: Ja, das könnte durchaus sein.
PASSAU
„Und dann kam das Wasser“ ist ein Regionalkrimi. Dreh- und Angelpunkt ist Passau mit seinem Hochwasser. Das Schöne daran – wie es das Schöne an allen Regionalkrimis ist: Der Wiedererkennungswert. Das Sich-bestätigt-fühlen – Ja, da kenne ich mich aus. Da bin ich daheim. Ortsspitze, Bräugasse, Schanzl, Kachlet…
Sofort tut sich dem Leser eine Kulisse auf, die er kennt. Auch schön: Die Karte auf den ersten Seiten, wo man während des Lesens immer wieder mal nachschauen kann, wo was passiert ist, auch wenn sie nicht bis nach Schalding reicht.
PREIS-LEISTUNG + BÜCHER-VERLOSUNG
12,80 Euro kostet der Krimi – 9,99 Euro hätten’s auch getan. Knapp 400 Seiten hat das Werk… Das ist schon eine Menge Lesevergnügen. Dennoch nicht ganz günstig. Umso besser, dass Ihr liebe Hog’nianer, die Krimis hier bei uns gewinnen könnt! Euer Onlinemagazin „da Hog’n“ verlost nämlich alle drei bis dato erschienenen Krimis von Dagmar Isabell Schmidbauer. Was Ihr dafür tun müsst? Schickt uns bis 15. Dezember 2013 eine Email mit dem Betreff „Schmidbauer“ und Euren Kontaktdaten an info@hogn.de – und mit ein bisschen Glück kommt einer von Euch in den vorweihnachtlichen Genuss dieser drei Romane aus heimatlicher Feder. Der Gewinner oder die Gewinnerin wird rechtzeitig vor Heilig Abend die Bücher erhalten. Viel Glück!
Und die Gewinnerin ist: Veronika Wolf aus Neuschönau – herzlichen Glückwunsch!
Eva Müller
„Eine Geschichte entwickelt sich ständig weiter“
Frau Schmidbauer: Warum sieht das Cover so aus, wie es aussieht?
Das Cover ist die Visitenkarte eines Buches – und weil meine Krimis einzigartig sind, soll man das auch schon am Cover erkennen können. Die Grafikerin, Christine Fuchs, hat diesen Aspekt übrigens von Anfang an – und wie ich finde, sehr schön – umgesetzt.
Wie viel Franziska Steinbacher steckt in Ihnen?
Einiges – wobei eine Romanfigur natürlich viel konsequenter ihren Weg gehen kann, weil sie von mir ja immer die richtigen Stichworte und Orte verpasst bekommt, um sich zu verwirklichen.
„Ich hasse es, wenn man als Leser um eine Geschichte betrogen wird“
Wie entstehen Ihr Romane?
Zunächst habe ich eine Idee, die sich immer weiter ausspinnt, bis ich zu schreiben anfange. Erst dann merke ich, ob es funktioniert, ob ich umdenken muss und meistens auch, was noch fehlt. Spontane Szenen oder wichtige Kleinigkeiten werden bis zum letztmöglichen Zeitpunkt eingebaut, schließlich lebt bzw. entwickelt sich ein Buch, eine Geschichte ständig weiter.
Wie ersinnen Sie eine Figur? Orientieren Sie sich an realen Menschen?
In erster Linie orientiere ich mich daran, was eine Figur tragen bzw. ertragen muss. Große Rollen verlangen eine gute Veranlagung, sonst brechen Figuren, genau wie Menschen, unter ihrer Anforderung zusammen. Natürlich dienen mir reale Personen als Vorbilder, aber niemals eins zu eins, weil ich ja nicht weiß, was sie denken und sich im Geheimen wünschen …
Warum malen Sie so detailgetreue Sexszenen in Ihren Krimis aus?
Finden Sie? So detailgetreu sind sie doch gar nicht. Ich setze dem Leser nur eine Idee in den Kopf, die er dann mit seiner eigenen Fantasie zu Ende bringen kann. Aber eines stimmt schon: Ich hasse es, wenn man als Leser um eine Geschichte betrogen wird, nur weil sie vielleicht ein wenig intimer ist. Meine erotischen Szenen sind ja auch nicht wahllos eingestreut, sondern dienen genauso, wie eine Beschreibung, der Charakterisierung und der Weiterentwicklung der Handlung.
„Ich kann nicht von meinen Krimis leben, aber wunderbar mit ihnen“
Was mögen Sie an Passau?
Passau ist einfach eine tolle Stadt und als Handlungsort für einen Krimi wie geschaffen, weil sie alles hat und doch übersichtlich ist.
Wo entstehen Ihre Krimis?
Zuerst in meiner Fantasie, bis ich merke, dass sie zu leben anfangen und mir immer neue Details einfallen. Dann setze ich mich an meinen Schreibtisch und beginne ein neues Notizbuch. Anschließend geht es am PC weiter.
Renumero ist Ihr eigener Verlag. Warum haben Sie einen Verlag gegründet? Und was hat es mit der Gans im Logo auf sich?
Den Verlag habe ich mit meinen Kindern gegründet, weil ich selbst darüber entscheiden will, was mit meinen Krimis passiert. Die Gans symbolisiert den Familienstammsitz.
Könnten Sie von Ihren Krimis leben?
Nein. Aber ich kann wunderbar mit ihnen leben.
Was machen Sie außer Krimis schreiben?
Nebenbei arbeite ich noch immer als Journalistin und zurzeit mache ich, berufsbegleitend, bei der IHK meinen Fachwirt im Sozial- und Gesundheitswesen.
Interview: Eva Müller
Lieber „Hog´n“
Ein Buch von dieser Druck- und Bindequalität und einem qualitativ guten Einband kann in einer relativ kleinen Auflage nicht wie oben angesprochen 9,99 € kosten, vor allem dann nicht, wenn man es auch noch portofrei und von der Autorin signiert bestellen kann!
Aber ansonsten ein wirklich schöner, informativer Artikel, danke Eva Müller!
Es ist bewundernswert, wenn Autoren einen eigenen Verlag gründen, nur um alles selbst bestimmen zu können. „Und dann kam das Wasser“ ist obendrein auch noch ein spannender Krimi mit einem aktuellen Thema. Toll gemacht!