Grafenau. Innerhalb von nur neun Jahren hat Rudolf Schremmer ein weltweit agierendes Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten aufgebaut – „B&S – Blech mit System“ hat sich seitdem einen guten Namen bis über die Grenzen des Landkreises hinaus gemacht. „Dennoch bin ich keine soziale Wildsau“, sagt der 52-jährige Firmen-Chef über sich selbst. Er weiß, dass er es ohne seine Belegschaft nicht so weit gebracht hätte. Wie es der gelernte Elektriker aus Schlag bei Grafenau geschafft hat, ein Unternehmen, das allein in seine Betriebshallen bisher mehr als zehn Millionen Euro investiert hat, aufzubauen, verrät er im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“. Außerdem blickt Rudolf Schremmer auf die Qualität der heutigen Schulabgänger und die Wirtschaftskrise 2008. Made in da Heimat – ein umtriebiger und dennoch bodenständiger Waidler im Gespräch.
„Irgendwann habe ich erkannt, dass ich mich weiterentwickeln muss“
Herr Schremmer, beschreiben Sie uns bitte kurz Ihren Betrieb.
Unser Unternehmen gibt es seit 1. Januar 2004, wir feiern also bald unser 10-jähriges Jubiläum. In dieser Zeit sind wir zum kundenspezifischen Blechgehäuse-Hersteller geworden. Wir stanzen, biegen, beschichten und schweißen. Zurzeit entwickeln wir uns zudem zum System-Lieferanten weiter: Wir bauen nicht nur das Gehäuse, sondern statten es auch mit geliefertem Material aus. Wir haben Kunden aus der Medizin- und der Automatisierungstechnik. Hauptsächlich liefern wir in den Bereich Elektronikfertigung.
Wie war Ihr bisheriger persönlicher Werdegang?
Nach meiner Ausbildung zum Elektriker bin ich in die Blechbearbeitungs-Branche gewechselt. Und irgendwann habe ich dann erkannt, dass ich mich weiterentwickeln muss: Über die Erwachsenen-Bildung habe ich dann von 1986 bis 1992 die Ausbildung zum REFA-Techniker und von 1995 bis 1997 zum Technischen Betriebswirt absolviert.
„Mein Ziel war es, mit 40 Jahren eine Firma zu gründen“
Die logische Konsequenz dieser neuen Qualifikationen war dann die Selbstständigkeit.
In der Folge konnte ich mich bei meinem Arbeitgeber weiterentwickeln – irgendwann war ich Prokurist und Produktionsleiter. Während meiner Ausbildung zum technischen Betriebswirt habe ich mich dann intensiver mit der Selbstständigkeit beschäftigt, ohne allerdings zu wissen, wie wann und wo. Mein Ziel war es, mit 40 Jahren eine Firma zu gründen – was ich leider nicht geschafft habe (lacht). Erst nachdem mein damaliger Chef, zu dem ich ein hervorragendes Verhältnis hatte, in den Ruhestand gegangen ist, habe ich meine Ideen weiter vorangetrieben. 2002 habe ich dann mit den Vorbereitungen und Planungen begonnen, auch wenn meine Frau nicht gerade begeistert war (schmunzelt). Nachdem ich meinem damaligen Arbeitgeber gesagt hatte, dass ich mich selbstständig mache, ist mir angeboten worden, in dessen Hallen zu arbeiten – trotzdem habe ich aber großen Wert auf meine Unabhängigkeit gelegt.
…und irgendwann ist dann der heutige Firmensitz entstanden.
Schon 2006 hatte ich diesen Gedanken, der letztlich dann zwei Jahre später umgesetzt worden ist. Demnächst werden wir die Halle vergrößern, obwohl mir diese Entscheidung sehr schwer gefallen ist, weil wir bisher schon mehr als zehn Millionen Euro investiert haben – ein wahrer Kraftakt. Erst 2010 hatten wir beispielsweise ein Gebäude gekauft, in der sich nun unsere Logisitik befindet, sprich: Lager, Versand und Montage. Weil wir aber vermehrt in die Systemmontage einsteigen wollen, brauchen wir mehr Flächen. Außerdem wollen wir unsere Schweißerei ausbauen.
So wird bei „B&S – Blech mit System“ gearbeitet – ein Imagefilm:
Eine stetige Weiterentwicklung also.
Ja, genau. Der Name ‚Blech mit System‘ kommt ja nicht von ungefähr. Der Blech-Sektor ist abgeschlossen, hier haben wir in der Vergangenheit massiv investiert – und jetzt wird der System-Sektor ausgebaut.
…und die Arbeit nimmt keine Ende?
Ich lebe und sterbe gemeinsam mit meiner Familie für diese Firma. Und ich werde nie vergessen, wo ich hergekommen bin. Mein Leben dreht sich nur um dieses Unternehmen, das irgendwann meine Kinder übernehmen sollen: Mein Sohn ist schon jetzt im Vertrieb beschäftigt, meine Tochter absolviert eine Lehre zur Bürokauffrau und wird dann wohl BWL studieren, meine Frau ist Prokuristin.
„Die explosionsartige Entwicklung wird nicht so weitergehen“
Mit gerade mal fünf Angestellten in der Gründungsphase zum Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern – was denken Sie über diesen rasanten Aufbau aus heutiger Sicht?
Ich bin immer noch stolz auf das Ganze – auch weil ich an diese Entwicklung nie geglaubt hätte. Mein Ziel war immer eine kleine, überschaubare Firma mit so 10,15 Mitarbeitern. Irgendwie hat man die Entwicklung aber nicht selber in der Hand. Einerseits stellt man freilich Leute ein und kauft Maschinen, andererseits ist man von den Kunden und deren Aufträgen abhängig. Und umso mehr wir produzieren müssen, desto schneller vergrößert sich der Betrieb. Natürlich muss man aber den Willen und den Mut zu Investitionen haben. Realistisch betrachtet wird der explosionsartige Aufsteig der vergangenen Jahren nicht so weitergehen – dennoch gilt: Stillstand ist Rückschritt. Wichtig ist dabei eine solide, finanzielle Basis, um eventuellen Markteinbrüchen entgegenwirken zu können.
Die Wirtschaftskrise 2008/2009 machte auch vor Ihrem Betrieb nicht Halt.
Im Februar 2009 haben wir die Auswirkungen gespürt, ja. Glücklicherweise haben wir keinen Kunden verloren und mussten auch niemanden entlassen – auch, weil wir sofort reagiert haben. Schon im Herbst 2008 haben wir entsprechene Aktionen veranlasst, beispielsweise eine verstärkte Kundenakquise betrieben. Während der Krise selbst haben wir Anfang März 2009 mit der Kurzarbeit begonnen, im Juli diese aber schon wieder beendet. Ab September ging es mit der Wirtschaft dann wieder aufwärts – seitdem haben wir unseren Umsatz verdoppelt.
„Fehlende Datenautobahn ist eindeutig ein Standort-Nachteil“
Welche Rolle spielt bei diesem Boom der Standort in Grafenau: Würden Sie den Bayerischen Wald als Vor- oder Nachteil bezeichnen?
Ein klarer Vorteil. Hier gibt es treue und bodenständige Mitarbeiter, auch die Landschaft ist herrlich. Ich kann nur empfehlen, in dieser Gegend zu bleiben. Wir haben den glücklichen Umstand in einer Region zu leben, in der arbeiten Spaß macht.
Mit welchen Problematiken hat man dennnoch zu kämpfen?
Mit der Infrastruktur, vor allem in Sachen Internet. Die fehlenden Datenautobahn ist eindeutig ein Standort-Nachteil, stellenweise hatten wir hier Internet mit Modem-Qualität. Wir haben alle Leitungen, die in diesem Gewerbegebiet zu Verfügung gestanden sind, aufgekauft, um eine bessere Verbindung zu haben. Zwar zahlen wir nun eine etwas höhere Gebühr, aber unsere Datenversorgung ist deutlich besser.
Internet: „Die Kommune alleine kann die Investitionen nicht stemmen“
Wie kann man die Internet-Geschwindigkeit weiter verbessern?
Eine Kommune allein kann diese Investitionen nicht stemmen – vielmehr sind das Land und der Bund gefordert. Nach der Privatisierung muss die Telekom effizient wirtschaften – und verlegt leider nur Leitungen, die sich rentieren. Deshalb muss sich der Staat nun einschalten und die Nicht-Metropol-Regionen verstärkt unterstützen. Aufsteiger-Region Niederbayern – das kann ich irgendwie nicht glauben: Nur weil die Waidler fleißig sind und viele Strapazen auf sich nehmen, um irgendwo in München oder Dingolfing arbeiten zu können, geht es uns doch so gut. Infrastrukturmäßig endet die Region bei Dingolfing.
„Kompetent, innovativ, flexibel“ sind Ihre Leitmotive – wie und wo finden sich diese Attribute im Arbeits-Alltag wieder?
Das zieht sich eigentlich wie ein roter Faden durch unseren gesamten Betrieb. Schon in der Konstruktion unterstützen wir unsere Kunden bei ihren Vorhaben, außerdem bringen wir immer wieder unsere Ideen mit ein. Die Flexibilität wird alleine schon an meiner Mobilnummer deutlich, die jeder Kunde hat (lacht). Ich bin für unsere Kunden immer erreichbar, sodass wir umgehend auf deren Wünsche eingehen können.
Da bleibt nicht viel übrig für die Freizeit.
Genauso ist es. Lässt es die Zeit zu, wandere ich gerne auf die Bayerwald-Berge Lusen, Rachel und Dreisessel oder sitze gemütlich auf der Terrasse. Meine Frau und ich hatten die vergangenen Jahre keine längere Auszeit als drei Tage – mehr ist aber auch nicht nötig. Die Arbeit ist unser Urlaub. Mein Frühschoppen am Sonntagmorgen findet hier in der Firma statt – ich arbeite dann meine Wochenend-Aufgaben ab (lacht). Inzwischen habe ich meinen Beruf zum Hobby gemacht.
„Die Lehrlinge von heute sind unsere Mitarbeiter der Zukunft“
Sieben Ihrer mittlerweile 100 Mitarbeiter sind Lehrlinge. Welche Rolle spielt die Ausbildung in Ihrem Betrieb?
Wir bilden sowohl im technischen als auch im kaufmännischen Bereich aus – Konstruktionsmechaniker, Bürokaufleute und Produktdesigner. Die Lehrlinge von heute sind unsere Mitarbeiter der Zukunft. Unser allererster Azubi wird demnächst fertig – und übernommen.
Wie ist es um die Qualität der Schulabgänger bestellt? Gibt es genügend qualifizierte Bewerber – oder lässt das Angebot zu wünschen übrig?
Ich persönlich schäme mich nicht, ein Hauptschüler zu sein (lacht). Die erste Anlaufstelle, um Bewerber zu bekommen, ist für uns auch diese Schulart. Aus einem bestimmten Grund: Diese Jugendlichen haben die geringsten beruflichen Möglichkeiten. Bei einem Hauptschüler habe ich – so grob es klingen mag – größere Chancen, dass er im Unternehmen bleibt, als bei einem Realschüler oder Gymnasiasten. Wichtig ist mir, dass die Lehrlinge eine gute Einstellung haben: Sie sollen fleißig und lernwillig sein.
Apropos Qualität: Was versteht man unter der Qualitätspolitik, die Sie proklamieren?
Wir sind überzeugt, dass heute und in Zukunft ganzheitliche Qualität nur gepaart mit Umweltschutz erbracht werden kann. Deshalb betreiben wir ein wirksames Managementsystem gemäß den Normen ISO 9001:2008 und ISO 14001:2004. Nur mit zufriedenen Kunden kann man dauerhaft erfolgreich sein. Weiter verfolgen wir unser Leitbild, dass der Erfolg eines Unternehmens nicht von seiner Größe, sondern von der Innovation und Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeiter abhängig ist.
Herr Schremmer, vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben und weiterhin viel Erfolg.
Interview: Stephan Hörhammer und Helmut Weigerstorfer