Passau. Der gebürtige Passauer Bruno Jonas (60) ist einer der bekanntesten und beliebtesten Kabarettisten Deutschlands. Zusammen mit Sigi Zimmerschied gründete er 1975 die „Verhohnepeopler“, feierte erste Erfolge im Peschl-Keller und im Scharfrichterhaus in seiner Heimatstadt. Einer breiten Öffentlichkeit wurde er in den 80er Jahren durch seine Auftritte beim Scheibenwischer mit Dieter Hildebrandt bekannt. In der Kultserie „Irgendwie und Sowieso“ mimte er den Postboten „Tango“ und verzückte uns mit dem Ohrwurm „Yambalaya„. Als Bruder Barnabas derbleckte er ab 2004 beim Nockherberg die bayerischen Politiker – und viele waren traurig, als er schon nach drei Jahren am Höhepunkt seines Schaffens die Mönchskutte niederlegte. Momentan sieht man ihn regelmäßig im Fernsehen in der Satireshow „Die Klugscheißer„.
In der X-Point Halle in Passau präsentierte er vor Kurzem sein aktuelles Solo-Programm „So samma mia„. Die Hog’nianer Jason Ditshej und Helmut Weigerstorfer nahmen dies zum Anlass, um mit ihm über Passau, sein neues Programm, den Limburger Bischof Tebartz-van Elst und die Niederlage der FDP zu sprechen. Dabei erklärte er ihnen so ganz nebenbei, was Kabarett überhaupt ist …
„Passau: Dom – Hochwasser – Scharfrichterhaus!“
Bruno, Dein Auftritt hätte heute eigentlich im Scharfrichterhaus statt finden sollen. Das Jahrhundert-Hochwasser machte dem Ganzen leider einen Strich durch die Rechnung. Welche Bedeutung hat das Haus denn für Dich?

Scharfrichterhaus und Hochwasser (2002). Im Jahr 2013 waren die Schäden so groß, dass momentan kein Betrieb mehr stattfinden kann. Foto: Facebook/ScharfrichterHaus
Als das Scharfrichterhaus 1977 eröffnet wurde, hatten Sigi Zimmerschied und ich dort eine Bühne, auf der wir uns daheim fühlen konnten. Es ist nicht nur im bayerischen Raum eine der bekanntesten Kleinkunst- und Kabarettbühnen. Es ist auch ein Wahrzeichen für Passau geworden: sogar im Norden verbindet man Passau mit Hochwasser und Scharfrichterhaus (grinst). Und dem Dom natürlich! Dom – Hochwasser – Scharfrichterhaus!
In einem Interview hast Du einmal gesagt, dass Dich an Passau am meisten die „Neue Mitte“ stört. Bedauerst Du die Entwicklung der Stadt Passau?
(lacht) Ich glaube, die Stadt Passau hat in den seltensten Fällen auf mich gehört. Es gibt schon ein paar Plätze, die mir gar nicht gefallen. Die Neue Mitte hat mich immer von der Architektur und der Ästhetik her gestört. Auch heute noch habe ich das Gefühl, dass das nicht schön ist.
„Meistens meine ich das Gegenteil von dem, was ich sage“
Dein aktuelles Programm heißt „So samma mia – Die Welt aus bayerischer Sicht“. Ist die Welt aus bayerischer Sicht überhaupt verbesserungswürdig?
Hmm… Allgemein gesagt, glaube ich, dass die Welt immer verbesserungswürdig ist. Auch in Bayern kann man vieles besser machen. In meinem Programm geht’s in erster Linie gar nicht um die Verbesserungswürdigkeit der Welt. Ich will nicht derjenige sein, der anderen sagt, wie sie zu leben haben. Das können andere besser. Die Grünen operieren in dieser Hinsicht sehr geschickt.
Du sagst „Der Mensch ist ein Tier auf zwei Beinen – aufrecht bis zum Umfallen“. Gilt das auch für die Politiker? Die sollten doch eigentlich für das Wohl des Staates eintreten?

„Nur für andere da sein, das gibt’s selten. Bestes Beispiel: Einige Politiker des aktuellen Landtags.“
Gerade für Politiker! Aber nicht nur. Natürlich ist das eine Zuspitzung, eine Übertreibung. Politiker rechtfertigen ihr Tun meistens mit der Floskel für andere da zu sein. Sie wollen gewählt werden, um sich für die Schwachen und Armen der Gesellschaft einzusetzen. Aber den reinen Altruismus, den sie uns vorspielen, gibt es nicht. Nur für andere da sein, das gibt’s sehr selten. Jeder hat dabei immer auch einen eigenen Vorteil im Blick! Einige Abgeordnete des bayerischen Landtags haben sich auf diesem Feld besonders hervorgetan …
Du sagst auch: „Wenn alle so wären, wie ich, hätten wir keine Probleme mehr.“ Sagst Du das selbst über Dich oder ist damit der Bayer im Allgemeinen gemeint?
(lacht) Das ist ein Zitat von einem Freund. Der meint das aber nicht so. Der sagt das in ironischer Absicht. Es ist nicht alles so zu verstehen, wie ich es sage. Meistens meine ich das Gegenteil von dem (lacht). Jetzt wird’s schwierig, gell?
„Wenn einer mit Satire umgehen kann, zeigt er sich nicht beleidigt“
Du vergleichst auch die Menschen mit Affen…
Ja. Unsere nächsten Verwandten sind ja Schimpansen. Sie unterscheiden sich genetisch betrachtet ja nur um 0,6 Prozent vom Menschen. Das ist wissenschaftlich erwiesen, das habe nicht ich erfunden. Ich will aber nicht ausschließen, dass es bei manchen auch mehr ist…
Ein aktuelles Beispiel wäre interessant… Könnte denn jemand mehr als 0,6 Prozent haben?
Ja freilich. Schon. Aber ich habe noch nicht reinschauen können in die Gene. Ich glaube, da darf man keinen aus der Masse der Hominiden unter uns herausheben. Was hast Du denn jetzt erwartet, was ich darauf sage? …
Vielleicht gibt’s ja aktuelle Poltiker, Sportler oder sogar Bischöfe?
O, mei. das wäre mir zu einfach.
Das leuchtet ein. Ein Satiriker darf ja nicht zu grob schimpfen…
Wieso?
…oder beleidigen?
(bestimmt) Das darf er auch! Freilich!
Hast Du in Deiner Karriere schon einmal jemanden richtig wüst beleidigt?
Ja, das könnte schon sein. Es kommt dabei aber darauf an, ob sich jemand beleidigt fühlt. Wenn einer mit Satire umgehen kann, wenn er die satirischen Signale erkennt, oder wenn ich mal geschwollen daherreden darf, wenn einer eine satirische Kompetenz besitzt, dann zeigt er sich nicht beleidigt, sondern lacht darüber.
„Die Leute regen sich gern und sehr schnell über etwas auf“
Aber zu Deinen Anfängen hattest Du auch ein Strafverfahren am Hals…
Es ging um Gotteslästerung, Verunglimpfung von religiösen Symbolen, die Gefährdung des öffentlichen Friedens. Das ist lange her, das war in meiner Anfangszeit in Passau.
Ist das mit der Zeit lockerer geworden? Müssen Kabarettisten heutzutage noch damit rechnen, angezeigt zu werden?
Wir leben in einem freien Land. Jeder hat das Recht eine Anzeige zu erstatten. Ob das Ermittlungsverfahren eröffnet wird, liegt in der Befugnis der Staatsanwaltschaft. Ob es dann zur Verhandlung kommt, liegt wiederum an dem jeweiligen Gericht. Das ist der Rechtsstaat: Jeder darf sich beleidigt fühlen und eine Anzeige erstatten.
Hat Dich diese Erfahrung aus Deiner Anfangszeit in Deinem weiteren Wirken verändert? Bist Du vorsichtiger geworden?
Vorsichtiger? – Grundsätzlich ist Vorsicht nicht schlecht. Nachdenklicher bin ich vielleicht geworden. Ich will nicht ausschließen, dass ich mich verändert habe. Ich hoffe, dass ich mich in den vielen Jahren auch entwickelt habe. Das Wort ‚entwickeln‘ gefällt mir besser. Ich glaube schon, dass eine Entwicklung stattgefunden hat was meine satirische Arbeit angeht. Bevor ich etwas öffentlich mache, prüfe ich vorher schon ziemlich genau, was ich sage. Künstlerische Freiheit hat für mich auch etwas mit Verwantwortung zu tun. Ich frage mich schon, ob eine Pointe im Verhältnis zum Sachverhalt steht. Jeder kann sich über religiöse Inhalte lustig machen. Das ist relativ einfach. Und solange es um katholische oder evangelische Geschichten geht, riskiert man auch nicht viel. Sich über den Papst zu mokieren ist keine echte Herausforderung. Spannend wird’s, wenn’s um den Koran geht.
Es ist momentan relativ einfach, über den Limburger Bischof einen Witz zu machen. Irgendwie wird das vom Publikum sogar erwartet. Aber die Art und Weise, wie die Presse, die Medien und die Öffentlichkeit insgesamt mit der Person umgehen, halte ich persönlich für nicht angemessen.
Du kritisierst beim Beispiel Tebartz-van Elst besonders die Medien?
Ja. Das Thema wird von der Presse in der Form eines Skandals präsentiert. Das kommt an beim Publikum. Die Leute regen sich heutzutage gern und sehr schnell über etwas auf.
Warum regen sich die Leute mehr über den verschwenderischen Bischof auf als über die Millionen, die zum Beispiel beim Berliner Flughafen in den Sand gesetzt wurden?
Gute Frage. Es gibt viele Gelegenheiten sich zu empören. Und viele Leute nehmen die Empörungsangebote gerne an. Vergleichen kann man alles, aber was bringt so ein Vergleich? Beim Berliner Flughafen werden momentan im Monat 35 Millionen an Steuergeldern in den Sand gesetzt. Auf der anderen Seite geht es um eine Bischofsresidenz in Limburg, deren genaue Zahlen wir alle nicht richtig kennen. Man liest immer wieder, dass er sich eine Badewanne für 15.000 Euro einbauen hat lassen… Man könnte auch sagen: Gut, der Mann hat halt werthaltig gebaut. Da kann der Nachfolger auch noch schauen wie es sich anfühlt, wenn einem das Wasser bis zum Hals steht.
„Eine historische Frage, ob der Liberalismus schon überholt ist“
Reden wir mal über Deine Fernsehsendung „Die Klugscheisser“. Mit Rick Kavanian und Monika Gruber ergänzen Dich dabei zwei Comedians. Ist reines Kabarett heutzutage nicht mehr fernsehtauglich?
Was ist denn ‚reines Kabarett‘?
Hmm… Das, was z.B. Satiriker wie Bruno Jonas, Dieter Hildtebrandt oder Josef Hader, die sich vermehrt politischen und gesellschaftskritischen Themen widmen, präsentieren.
Genau. Das Politische hätte ich jetzt beinah aus den Augen verloren. Jetzt muss ich schon ein bisschen klugscheißern: Das Kabarett, oder sagen wir: die satirische Schreibweise, haben bereits die alten Griechen und Römer gepflegt. Die waren immer zu einer Pointe aufgelegt und haben sich gern gegenseitig aufs Korn genommen. Ich halte Sokrates für den größten Ironiker überhaupt. Wenn einer sagt: ‚Ich weiß, dass ich nichts weiß‘ – dann ist das für mich eine super Pointe.
Oder Diogenes in der Tonne, der zum mächtigsten Mann seiner Zeit, Alexander, gesagt hat: ‚Geh mir bitte aus der Sonne’… Das war zu seiner Zeit eine ungeheure Frechheit. Da sitzt ein Penner auf der Agora, auf dem Marktplatz in Athen, benimmt sich unflätig und macht sich lustig über die herrschenden Zustände. Dieser Diogenes ist der Urahn des Kabaretts. Die Frage ist, ob der eine eigene Fernsehsendung bekommen würde in der ARD oder im ZDF. Unabhänig davon haben wir sehr viel politisches Kabarett im Fernsehen.
Blicken wir etwas in die Zukunft: Auf die FDP wurde in den letzten Monaten von den Kabarettisten ja besonders gerne geschimpft. Jetzt sind sie draußen. Findest Du das schade?
Ich bedaure nicht, dass ich jetzt irgendwelche Pointen über FDP-Politiker nicht mehr machen kann. Man könnte überlegen, ob für den Liberalismus in unserem Land überhaupt noch ein Bedarf vorhanden ist. Vielleicht brauchen wir den Liberalismus nicht mehr. Das ist eine Grundsatzfrage. Der Liberalismus ist entstanden aus der Feudalherrschaft, als Widerstandbewegung gegen die Großgrundbesitzer, gegen den Klerus und gegen den Adel. Der Liberalismus sollte das Bürgertum repräsentieren, das den Eigentums- und Individualgedanken zum Kerngedanken gemacht hat. Es ist eine historische und zeitdiagnostische Frage, ob der Liberalismus tatsächlich überholt ist. Das würde mich interessieren, aber bisher ist das überhaupt nicht diskutiert worden. Und zwar unabhängig von der FDP. Denn die FDP heißt zwar liberale Partei, aber es bleibt die Frage, ob sie wirklich liberale Politik gemacht hat.
„Ich halte Künstler, die ihre Autonomie aufgeben, für borniert“
Im Bund erwartet uns jetzt wahrscheinlich eine große Koalition. Mehr als 80 Prozent der Stimmen haben CDU, CSU und SPD bekommen. Da bleibt nicht mehr viel übrig für die Opposition aus Grünen und Linken… Schauen die Kabarettisten jetzt noch schärfer auf die neue Regierung?
Ich versuche immer scharf zu schauen. Die Unschärfe behagt mir überhaupt nicht.
In den 70er Jahren hat gerade die Münchener Lach- und Schießgesellschaft durch ihr bewusst linkes Programm versucht, einen Machtwechsel herbeizuführen. Nachdem die SPD dann in die Regierung kam, löste sich die Gesellschaft dann sogar auf…
Rein historisch betrachtet war es tatsächlich so, dass sie sich 1972 – nachdem Willy Brandt an die Macht kam – aufgelöst hat. Sie haben dann gesagt: ‚Wir haben unsere Aufgabe erfüllt.‘ Das hätte ich damals, wenn ich schon beteiligt gewesen wäre, für falsch gehalten (lacht). Aus heutiger Sicht halte ich es auch für falsch. Weil sie damit eingestanden haben, dass sie sich an eine Partei gebunden haben. Kabarett als Fortsetzung der SPD mit satirschen Mitteln ist meine Sache nicht. Ich halte Satiriker und Künstler, die ihre Autonomie aufgeben, für borniert.
„Einen eigenen Staat Niederbayern – soweit kommt’s noch“
Seit vielen Jahren wohnst Du jetzt in München. Fühlst Du Dich jetzt mehr als Ober- oder als Niederbayer?
Hmm… Natürlich fühle ich mich in erster Linie als Niederbayer. Ich bin in Niederbayern geboren, habe aber zwei Sprachquellen. Ich merke schon, dass meine lebensweltliche Prägung sehr niederbayerisch ist, besonders von der Sprache und vom Ausdruck her. Gleichzeitig hatte ich aber auch einen Vater, der in Ostpreußen beheimatet war, sich aber in Niederbayern als Heimatvertriebener daheim gefühlt hat. Seine preußische Sichtweise habe ich deshalb in der Familie auch erfahren. Ich bin zweisprachig aufgewachsen.
Doch frage ich mich: Warum muss man das überhaupt auseinander dividieren? Niederbayern, Oberbayern? Ein bisserl komisch ist das schon. Wir streben eine europäische Einigung an, bauen an einem großen europäischen Haus und einer großen europäischen Gemeinschaft. Und Du fragst mich nach den Unterschieden von Ober- und Niederbayern.
Irgendwann kommt einer auf die Idee, ein selbstständiges Bundesland Niederbayern zu fordern. Einen eigenen Staat Niederbayern mit Sitz bei der UNO in New York. So weit kommt’s noch! (lacht)
Trotzdem: Momentan sind die regionalen Heimatkrimis sehr populär. Und dennoch haben sich beim jüngsten Niederbayernkrimi „Paradies 505“ die Einheimischen wieder zutiefst gekränkt und veralbert gefühlt.
(lacht) Die Leute wissen oft nicht, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen – und dann schauen sie sich einen Film an, der ihnen nicht gefällt. Und dann müssen sie sich hinsetzen und einen Leserbrief schreiben. So hat jeder seine Beschäftigung.
„Hundertprozentige Zustimmung? Das gibt’s nicht“
Kannst Du als niederbayerischer Kabarettist erklären, wieso viele Niederbayern bei diesem Film, der einige überspitzte Klischees beinhaltet, nicht lachen können?
Ich habe den Film nicht gesehen. Ein gutes Klischee streift oft einen wahren Kern. Aber es gibt immer auch Leute, die das nicht packen. Ich könnt mir vorstellen, dass die Leute, die sich über den Film aufgeregt haben, ein anderes typisches Bild von sich und dem typischen Niederbayern im Herzen tragen. Vielleicht auch ein Klischee, das mit dem Niederbayernbild im Film nicht identisch war. Und dann habens sie sich aufregen müssen.
Müssen sich die Besucher Deiner Auftritte auch aufregen?
Aufregen muss sich keiner! Wenn er allerdings nicht anders kann oder sagt, heut mag ich mich mal aufregen, dann steht das jedem frei. Ich mache ein Angebot – und wenn jemand darüber nicht lachen kann, ist das auch in Ordnung. Wer kann es heute schon jedem recht machen? Nicht einmal die SPD in Bayern schafft das… (lacht) Oder die Grünen… Wer schafft wirklich hundertprozentige Zustimmung? Das gibt’s nicht.
Bruno, vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft!
Interview: Jason Ditshej und Helmut Weigerstorfer
[…] Hier geht’s zum Interview auf da Hogn, dem online-Magazin aus dem Wald. […]