Es sind die Momente, die man am liebsten aus dem Gedächtnis verbannen möchte: Bei Tsunamis, Vulkanausbrüchen oder Hurrikanen ist der Mensch den Gewalten der Natur meist hilflos ausgeliefert. Glücklicherweise blieb der Bayerische Wald von derlei Dramen verschont – bisher. Am Montagabend „erschütterte“ ein Erdbeben im Landkreis Cham, im grenznahen Epizentrum bei Nemanice (Tschechien) im Oberpfälzer Wald wurde der Wert 2,4 auf der Richterskala gemessen. Die Anführungszeichen begleiten das Wort „erschüttert“ deshalb, weil es sich bei einem Wert zwischen 2,0 und 3,0 generell um ein extrem leichtes Beben handelt. Die Erde zitterte Zeugenaussagen zufolge nur minimal und war kaum spürbar. Trotzdem bleiben einige Fragen: Ist ein solches Beben auch bei uns im Landkreis Freyung-Grafenau denkbar? Wie häufig kann dieses Ereignis eintreten? Und: Könnte es auch stärker ausfallen, sodass es zu größeren Schäden kommt?
„Dieses Erdbeben hatte keine unmittelbaren Schäden zur Folge, aber es zeigt, dass das Granitgebirge keinesfalls so sicher ist, wie immer behauptet wird“, heißt es in einer Pressemitteilung von Grünen-MdL Rosi Steinberger. Weiter schreibt sie: „Natürlich ist ein Erdbeben der Stärke 2,4 nicht mit dem großen Erdbeben von Fukushima zu vergleichen.“ Dennoch aber müsse man die Bestrebungen Tschechiens, das Atomkraftwerk Temelin auszubauen oder sogar ein Atommüllendlager in der Grenzregion (Boletice) zu erreichten, überdenken. Steht der Bayerische Wald vor einer nie dagewesenen Katastrophe? Werden die Bilder des Dramas von Fukushima bei uns bald Wirklichkeit? Das Onlinemagazin „da Hog’n“ hat darüber mit dem Seismologen Joachim Wassermann vom Geophysikalischen Observatorium (München) gesprochen.
„Kräftigere Beben sind möglich, aber sehr unwahrscheinlich“
Seine Antwort: „Der gesamte südöstliche Bereich Bayerns gilt als nicht besonders erdbebengefährdet – der ostbayerische Raum wird keiner Gefährdungszone zugeordnet. Einschränkend muss gesagt werden, dass auch in diesem Fall ein kräftigeres Beben durchaus möglich, aber sehr unwahrscheinlich ist.“ Bilder von wackelnden Wänden, einstürzenden Häusern und panischen Menschen bleiben also – Gott sei Dank – in weiter Ferne.
Doch warum hat dann die Erde in der Oberpfalz gezittert? Joachim Wassermann klärt auf: „Grundsätzlich sind die Spannungen im südöstlichen Bayern durch die Kollision der Adriatischen Platte, also dem afrikanischen Kontinent, mit Europa verursacht worden – dabei kam auch die sogenannte Böhmische Masse in Bewegung, das heißt sie wurde mit in die Tektonik einbezogen.“ Eine prominente Störungszone sei dabei zum Beispiel der Pfahl im nördlichen Bayerischen Wald, der allerdings – wie auch die gesamten Störungssysteme der Böhmischen Masse – sehr viel älter ist, als die „neue“ alpide Faltung.
Helmut Weigerstorfer
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