Wasching. Denise zwickt die Augen zusammen und schaut von vorn in die Kamera. Georg drückt ab, die Blende schließt sich. Blitzschnell geht das. Denise hat’s gesehen. Sie lacht und beginnt mit dem Hog’n-Fotografen zu fachsimpeln. Heute hat sie Georg Knaus ganz exklusiv für sich: Er ist zu ihr nach Wasching bei Ringelai gekommen und hält einen Fotokurs für sie und Dagmar Gabauer, eine Freundin der Familie. Das kommt Denise sehr entgegen, überall kann sie nicht so ohne weiteres hin – das Mädchen sitzt im Rollstuhl. Ihr Handicap nennt sich Spinale Muskelatrophie, umgangssprachlich besser bekannt als Muskelschwund. Das heißt: Denise sitzt schon ihr Leben lang im Rollstuhl, hat viele Operationen hinter sich, war dem Tod schon mehrmals sehr nahe. Es heißt aber auch: Die 16-Jährige macht eine Ausbildung zur Bürokauffrau beim Bauunternehmen Kern in Schönberg, besucht die Berufsschule in Waldkirchen, hat einen starken, lebensmutigen Blick – und fotografiert gern.
So lächelt jemand, der es ernst meint und sich von Herzen freut
Darum ist ihr Zimmer heute nicht nur ein gewöhnliches Mädchenzimmer, sondern fast ein kleines Fotolabor. Georg Knaus hat seine gesamte Ausrüstung dabei, so scheint es. Vor dem Fenster steht eine Leinwand, neben Denise der Beamer, zu Parfüms und Lipgloss gesellen sich Objektive und Kameragehäuse. Und es ist nicht nur mädchenrosa und -lila in ihrem Zimmer, sondern auch ziemlich schwarz-gelb. Sie ist absoluter BVB-Fan – die Dortmund-Fanartikel reichen von Trikots über Schals, Poster und Aufkleber bis zu Bonbons und Bücher. Georg Knaus stellt seine Kamera auf eine Holzbank, davor ordnet er Nagellackfläschchen an und erklärt damit, wie man mit welcher Blendeneinstellung den optimalen Schärfebereich hinkriegt. „Was ist, wenn ich drei Leute nebeneinander stehen habe und nur den mittleren scharf haben will?“ Denise muss nicht lang überlegen: „Dann komm ich halt von der Seite.“ Und Georg Knaus staunt, nein, das habe noch keiner in seinen Fotokursen gewusst. Denise zeigt wieder ihr Lächeln. Es ist kein 08/15-Lächeln. So lächelt jemand, der es ernst meint, der sich von Herzen freut, der sich selbst bewusst ist.
Das Mädel macht ihr Ding – so zart und zerbrechlich sie auch wirkt

Vor der Praxis kommt die Theorie: Hobby-Fotografin Denise kann vom Experten Georg noch so einiges lernen.
Weiter geht’s mit grauer Theorie, die der Freyunger Fotograf absolut farbenfroh gestaltet: Da ist von der ISO-Einstellung die Rede, da erklärt er den Unterschied zwischen raw– und jpeg-Dateien, da geht es um die ideale Bildgestaltung, die dann allermeist doch nur Geschmackssache ist. „Probieren, schauen, eigene Ideen und Blickwinkel finden. Das ist Übungssache, die Grundlagen sind ganz einfach“, schließt Georg Knaus seine Theoriestunde, schraubt gemeinsam mit Denise an deren Kamera herum, sucht mit ihr die optimalen Einstellungen, empfiehlt ihr Objektive, bestätigt sie in ihren Erfahrungen.
Die zwei sind sich einig: Nikon ist die bessere Kamera. „Mama wollte, dass ich eine Canon kaufe, dafür hätten wir noch Objektive gehabt. Aber ich wollte eine Nikon“, erzählt Denise. Und die hat sie dann auch bekommen – weil ihr Papa eine Wette verloren hat: „Wenn ich einen besseren Quali mache als er, bekomme ich die Nikon“, schildert Denise den Deal. Ihr Vater hatte einen Schnitt von 2,1 – sie einen von sagenhaften 1,5. Damit war der Fall klar. „Du warst schon immer ein Sturkopf, gell“, sagt Dagmar mit einem wohlwollenden Lachen. Das bestätigt Denise – nicht ohne Stolz. So viel ist klar: Das Mädel macht ihr Ding, so zart, zerbrechlich und beschützenswert sie da in ihrem High-Tech-Rollstuhl auch sitzen mag. Und später wird Georg Knaus sagen: „Ich hab einen Riesenrespekt vor Denise. Sie beißt sich durchs Leben, ist mit so viel Freude, Herzlichkeit und Elan bei der Sache. Und sie lässt überhaupt keine Schwäche spüren.“
„Es war für mich eine Bereicherung und hat mir viel Spaß gemacht“
Zeit wird’s, das Gelernte auszuprobieren. Hinaus geht’s, die Straße hinauf, immer grüner wird’s – und steil ist’s. Georg schnauft schon, Denise fährt mit dem Rollstuhl voraus und zieht den Fotografen auf: „Wo bleibst Du denn?“ Oben angekommen ist die Welt voller Motive: Blumen, Beeren, Himmel, Wolken, Bäume, Hügel, Wälder, Pferde – und Menschen. „Menschen fotografiere ich am liebsten. Vor allem meine beste Freundin Andrea“, sagt Denise. Heute nimmt sie aber auch gern mit Georg vorlieb – und Hog’n-Redakteur Stephan Hörhammer. Aufgestützt auf Kissen, um die Kamera ruhig zu halten, fotografiert Denise mit den Knaus’schen Tipps, dreht am Rädchen, schaut sich die Unterschiede an, staunt. Ganz bei der Sache ist die 16-Jährige. Ganz voller Freude am Tun glänzen ihre Augen. Georg Knaus ist heute nur für sie da. Nach dem Fotokurs glänzen auch seine Augen: „Für mich war das natürlich eine besondere Herausforderung. Ich hab anfangs viel darüber nachgedacht und dann einfach beschlossen, dass das alles kein Problem ist. Jetzt kann ich sagen: Es war für mich eine Bereicherung – und hat mir viel Spaß gemacht.“
Eva Müller
Respekt vor diesem Mädchen….bewundernswert. GFOID MA :-)