Finsterau. Das Internet war längst noch nicht erfunden, die Straßen noch frei von Autos und Lärm, der Fernseher noch ein Luxus-Gegenstand – genau in dieser Zeit wurde der Petzi-Hof erbaut. Im 19. Jahrhundert zählte der geschlossene Vierseithof zu den Aushängeschildern des kleinen Ortes Pötzerreut bei Röhrnbach. Doch Zeiten ändern sich bekanntlich – nach und nach veraltete der Hof, das einstige Bauwerk wurde überflüssig, sein Abriss war nur eine Frage der Zeit. Nur durch die Verantwortlichen des Freilichtmuseums Finsterau blieb der Petzi-Hof am Leben, er wurde von Pötzerreut nach Finsterau umgesiedelt. Und dort erlebte er – wie vier weitere Höfe und viele kleinere Gebäude – seine Renaissance.
Seit 1980 gibt es in der Gemeinde Mauth ein Museum für alte Gebäude – die Idee allerdings entstand bereits zehn Jahre vorher. „Der damalige Landrat Franz Schumertl und Kreisheimatpfleger Peter Dellefant haben sich dafür eingesetzt, dass es ein solches Museum in Finsterau geben soll“, erklärt Jasmin Beer von der Museumsleitung. Der kleine Bayerwald-Ort wurde aus dem Grund ausgewählt, weil dort der Tourismus gestärkt werden sollte. Die ersten Jahre vergingen damit, die Grundstücke, auf denen das „neue alte Dorf“ entstehen sollte, zu erwerben. Der Kapplhof und die Museumsgaststätte „D’Ehrn“ waren schließlich die ersten Gebäude, die ins neueröffnete Freilichtmuseum umgesiedelt wurden – nach und nach kamen dann der Tanzer-Hof, das Schanzer-Häusel, der Petzi-Hof und das Sachl hinzu.
Das neueste Gebäude: Am 3. Oktober wird das Salettl eröffnet
Die Arbeiten am „jüngsten Kind“ sind jedoch noch nicht ganz abgeschlossen. Direkt neben der Museumsgaststätte wird derzeit ein Salettl, das viele Jahre auf dem Mariahilf-Berg in Passau gestanden hat, in mühevoller Handarbeit wieder aufgebaut. Für den 3. Oktober ist die Eröffnung geplant, von dan an sollen darin auch wieder Veranstaltungen stattfinden. Viel Liebe fürs Detail, penible Organisation und handwerkliches Geschick – diese Dinge sind stets gefragt, wenn ein altehrwürdiges Gebäude an die bayerisch-böhmische Grenze verfrachtet wird. „Immer wieder kommen Leute auf uns zu und schlagen uns Höfe vor, die kurz vor dem Abriss stehen. Wir schauen uns diese dann genau an – und überlegen, ob wir sie übernehmen“, erklärt Jasmin Beer das Prozedere.
„Der Knecht erzählte, wie das Leben am Hof war“
Eine Besonderheit stellt der Petzi-Hof dar: Er wurde nämlich zu einem Zeitpunkt abgetragen, als dieser teilweise noch bewohnt wurde. „Der Knecht hat uns dann hervorragend erzählen können, wie das Leben am Hof so war“, berichtet Jasmin Beer. Ludwig Kainz, so der Name des letzten Bewohners, musste den Vierseithof aus Altersgründen Mitte der 1980er Jahre verlassen. Doch war er ein wichtiger Zeitzeuge für die Museums-Verantwortlichen.
Das Gebäude aus Pötzerreut besteht aus dem sogenannten Wohnspeicherhaus, dem Inhaus, Austragshaus, Backofen, Kuhstall, Ochsenstall und Stadel – ein imposantes Bauwerk. „Freilich gelingt es uns nicht immer alles mitzunehmen und wieder aufzubauen. Einige Sachen sind erneuert worden, haben aber den gleichen Charakter wie vorher.“ So sind in der Bauernstube noch alte „Degl“ (Töpfe), Stühle und Tische zu sehen – man könnte fast meinen, die Familie Petzi wäre nur kurz weg, im Urlaub …
Im Hog’n-TV-Video beantwortet Jasmin Beer weitere Fragen zum Petzi-Hof:
Rund 50.000 Besucher kommen jährlich ins Freilichtmuseum Finsterau – und lassen sich dort das frühere Leben, Wirtschaften und Bauen im Bayerischen Wald näherbringen. „Wir haben ein sehr vielfältiges pädagogisches Programm“, erzählt Jasmin Beer. Unterstellt ist sie und ihre Kollegen der Gemeinde Mauth und dem Bezirk Niederbayern – ein Förderverein unterstützt die Einrichtung außerdem.
Helmut Weigerstorfer & Dike Attenbrunner
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