Der Wahlkampf hat längst begonnen – zumindest an den Straßenrändern in nahezu jeder größeren Ortschaft der Region. Gleichbedeutend damit ist eine Flut an Plakaten, auf denen die Köpfe der einzelnen Kandidaten zu sehen sind. Die Hog’n-Redakteure Stephan Hörhammer und Helmut Weigerstorfer haben über Sinn und Unsinn des Pappendeckel-Wahlkampfs diskutiert: Ist es wirklich notwendig zigtausende Plakate drucken zu lassen und damit jede Straßenlaterne vollzupflastern?
Weigerstorfer: Stephan, es ist nur noch zum Davonlaufen! An jeder Straßenlaterne hängen drei Wahlplakate mit entsprechenden Visagen, riesige Aufsteller mit einem künstlich grinsenden Polit-Heinis versperren die Sicht auf unsere schöne Landschaft – gerade jetzt, wo viele Touristen in den Bayerischen Wald kommen. Was hat denn das noch mit Wahlkampf zu tun? Es ist die reinste Pappendeckel-Wüste, die wir hier haben – ganz abgesehen von den Motiven! Die Plakate mit den Gschwoischädeln sind doch eine Belästigung für uns alle.
Hörhammer: Tja, Helmut – so schaut unsere Bayerwald-Idylle in Zeiten des Wahlkrampfs nunmal aus – daran dürftest Du Dich trotz Deines jungen Alters während der vergangenen Wahlen doch schon gewöhnt haben. Und als Belästigung würde ich die Gesichter unserer stets engagierten Honoratioren nun wirklich nicht bezeichnen – die haben doch auch Gefühle … Als Wähler möchte ich jedenfalls ein Gesicht zu dem Namen haben, den ich dann möglicherweise meine Stimme gebe. Der Kandidat und dessen Persönlichkeit spielt eine gewichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung – gerade in Zeiten einer rückläufigen Identifikation mit Parteien.
„Das Geld sollte man besser spenden…“
Weigerstorfer: Du möchtest mir jetzt wirklich allen Ernstes erklären, dass Du bis jetzt nicht weißt, wie die alle aussehen??? Man sieht sie ja fast täglich aus der Zeitung grinsen – oder sich bei irgendwelchen Festen als sogenannte Ehrengäste in den Mittelpunkt drängen! Die Wahlplakate sind allein deshalb völlig überflüssig. Ganz zu schweigen von den Unmengen an Geldern, die für Druckkosten und Verteilung draufgehen. Die sollte man besser spenden…
Hörhammer: Freilich kennt man die Gesichter, das steht ja außer Frage. Aber rein wahlpsychologisch betrachtet sorgen Gesichter halt für Sympathiepunkte – oder auch nicht. Dem unentschlossenen Wähler ist damit auf jeden Fall geholfen. Und seien wir mal ehrlich: Bevor ein potenzieller Wähler seine Stimme nicht abgibt und damit indirekt einer rechtsorientierten Partei hilft, schau ich mir lieber ein paar Wochen die altbekannten Gesichter an …
Weigerstorfer: Und Deine altbekannten Gesichter werden dann auf etliche Papierrollen mit vielen Litern Farbe gedruckt – und nach einem Monat weggeworfen: eine Riesenverschwendung ist das, sonst nichts! Das Thema Umweltschutz wird ja selbst bei unserer Regierungspartei, der CSU, immer systemimmanenter, um nicht zu sagen überlebenswichtiger. Den Schwarzen wird ja seit längerem ein grüner Daumen nachgesagt, hätte ich gedacht. Auch die SPD – und die ÖDP und die Grünen sowieso – haben sich den Umweltschutz auf ihre Fahnen geschrieben. Und dann kommen sie mit den vielen Plakaten … na, Prost-Wahlzeit!
„Wahlplakate bedeuten auch Aufträge für die Druckereien“
Hörhammer: Helmut, jetzt einmal langsam. Bevor die CSU einen glaubhaft grünen Stempel trägt, werden noch einige Wahlen ins Land gehen. Aber darum geht’s jetzt nicht. Freilich wird viel gedruckt – was aber nicht nur viel Druckerfarbe und Papier, sondern auch Aufträge für die Druckereien bedeutet …
Weigerstorfer: Schön wär’s! Die Plakate werden ja zentral gestaltet und gedruckt – und da werden nur wenige regionale Firmen was davon haben. Die einzigen Waidler, die an den Plakaten und Aufstellern beteiligt sind, sind die, die diese Dinger montieren – und sogar das sind meist Partei-Mitglieder, die es umsonst machen …
Hörhammer: Was heißt hier zentral? Du hast doch genauso wenig Ahnung wie ich, was das Druckerei-Thema betrifft. Fest steht: Die Plakate hängen mal kleiner an den Laternen bzw. stehen mal größer auf der Wiese. Nimm’s einfach wie Loriot, der hat gesagt: „Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“
Was denkt Ihr? Braucht’s die Sache mit der Massenplakatierung vor jeder größeren Wahl? Oder gibt es sinnvollere Alternativen? Schreibt unsere Eure Meinung zum Thema, am besten gleich als Kommentar unter diesem Artikel.
da Hog’n
Vielleicht sollte man in Wahljahren die „Schneestempen“ stehen lassen, bzw. diese vorab im August aufstellen!
Gewisse Ex-Landräte wären hierfür sicherlich sehr dankbar und die Materialschlacht könnte auf hohem Niveau nochmals ausgeweitet werden…
Wer die Wahlplakate als reinen Unfug abtut hat keine Ahnung. Wer die US-Wahlen von 2008 verfolgt hat und sich in der Folge etwas mit der Wähleranalyse beschäftigt hat, weiß, dass die Optik der Kandidaten eine große Rolle spielt. Die Meinungs-Institute haben klar nachgewiesen, dass Obama mit seinem Aussehen bei beiden Geschlechtern (bei Frauen noch mehr) bessere Wirkung erzielt hat.
Auf Wahlplakate präsentieren die Parteien in erster Linie IHR Gesicht, heißt ihre zentralen Stimmenfänger und Führungspersonen, dazu natürlich die jeweils regionalen Kandidaten. Wer den Druck von Plakaten als umweltpolitisch problematisch darstellt, so wie Helmut, hat scheinbar keine Ahnung davon, was umweltschädlich ist… Überhaupt sollten wir froh sein, dass die Politik auf diese Weise Öffentlichkeit schafft. Wenn Helmut argumentiert jeder wisse doch, wie die regionalen Politiker aussehen, hat er sich (vor allem bei jungen Wählern) noch nicht umgehört. Die Bekanntheit der jeweiligen Direkt-Abgeordneteten aus Bundes- und Landtag ist erschreckend gering!
Klarer Punktsieg deshalb für Stephan, der überzeugend darstellt, dass die Plakate dazugehören und auch in absehbarer Zukunft Teil eines jeden Wahlkampfes bleiben werden – und müssen!
Wahlkampf ist steuerfinanziertes Kabarett. Ich finde diese burlesken, Photoshop-basierten Auftritte irgendwie…süß. Diese Mischung aus Rechtfertigungen, Versprechungen und Illusionen würde ich vermissen, alles wäre einfach…nur real.