Waldkirchen/Kerala. Der Inder Biju Nair und seine deutsche Frau Yvonne sind seit über vier Jahren ein Paar. Sie lernten sich in Varkala (das ist eine Stadt im südwestindischen Bundesstaat Kerala) kennen, während Yvonne ihre einjährige Indien-Reise unternahm. Dort arbeitete Biju als Yoga-Lehrer und Hotelmanager. Nun lebt er mit seiner Frau und den beiden Kindern in Waldkirchen.
Bei Yvonne und Biju war es Liebe auf den ersten Blick, nach acht Monaten wurde geheiratet, in Indien. Danach flog sie erst einmal alleine nach Deutschland. Er musste noch auf die Einreisegenehmigung warten. Im Landratsamt Freyung-Grafenau wurde die Echtheit der Heiratsurkunde angezweifelt.
„Ich hatte in den ersten Wochen sehr viel Heimweh!“
In dieser Zeit machte Biju einen dreimonatigen Deutschkurs am Goethe-Institut – das gehört zu den Visumsauflagen. Bis dahin redete das Paar nur Englisch miteinander. Als Biju dann endlich zu seiner Frau fliegen durfte, kam ihm der Vulkanausbruch auf Island in die Quere.
Erst nach sechs Monaten landete der 27-Jährige in Deutschland. Mit Flip-Flops an den Füßen. „Feste Schuhe hatte ich nie, die habe ich ja bei den hohen Temperaturen in Indien nicht gebraucht“, erinnert sich Biju lachend. Nichts war vertraut am Anfang, alles neu: die Sprache, die Leute, die Landschaft, das Wetter … „Ich hatte in den ersten Wochen sehr viel Heimweh!“, erzählt er rückblickend.
Ein Glücksgriff sei da die Arbeit als Ayurveda-Masseur und Yoga-Lehrer beim Wellness-Studio von Simona Seibold in Waldkirchen gewesen. Und die vielen Freunde und Verwandten seiner Frau, die ihn sehr herzlich aufgenommen hätten. Auch der sechs Monate lange Integrationskurs der Volkshochschule Freyung-Grafenau habe ihm über das Heimweh hinweg geholfen. „Es ist wichtig, dass man die Sprache beherrscht, wenn man in einem anderen Land leben möchte.“ Biju spricht klar und deutlich, ist immer darum bemüht, das richtige Wort zu finden. Wenn er mal nicht weiter weiß, fragt er einfach seine Frau.
„In Waldkirchen haben wir eine bessere Zukunft als in Indien“
Dennoch: An die neue Rollenverteilung musste er sich erst einmal gewöhnen. Das Haupteinkommen stammte zunächst aus Yvonnes Tätigkeit als Erzieherin im Kreuzberger Behindertenwohnheim St. Anna.
„In Indien versorgt halt der Mann die Familie“, sagt er – und zuckt mit den Schultern. Mittlerweile bestreitet jedoch Biju den Lebensunterhalt seiner Familie, weil Yvonne in Elternzeit gegangen ist: Neben dem fast zweijährigen Sohn Max haben sie seit vier Monaten eine Tochter namens Frieda.
In Indien zu leben, das hätte finanziell ohnehin nicht geklappt. „Dort hätte ich lange nicht so gut verdient. In Waldkirchen haben wir und die Kinder eine bessere Zukunft.“ Es gehe dabei nicht nur um das Geld – auch die Gesundheitsvorsorge sei in Deutschland viel besser als in Indien. „Bei uns muss man jeden Arztbesuch direkt bezahlen, da gibt es keine Krankenkassen.“
Was bleibt, ist die Liebe zu Indien, seinem Heimatland: „Meine gesamte Familie ist dort.“ Deswegen fliegen die Nairs auch regelmäßig nach Kerala, damit die Großeltern ihre Enkelkinder aufwachsen sehen. Biju redet mit seinen Kindern Malayalam – das ist die Sprache, die man in Kerala spricht. „Mir ist wichtig, dass sie meine Kultur, meine Religion und meine Familie kennen und sich mit ihnen unterhalten können“, betont Biju. Aber ob die beiden Kinder nun Christen werden, wie die Mama, oder Hindu, wie der Papa, das sollen sie später einmal selbst entscheiden.
Om-Reisen bringen Körper, Geist und Seele in Harmonie
Auch Yvonne hat seit ihrem ersten Aufenthalt eine starke Bindung zu Indien. „Es ist ein wunderschönes Land! Das Klima, die Natur, die Leute, das Essen!“ Als die 34-Jährige ihren Freunden immer wieder von Indien vorschwärmte, wollten diese unbedingt, dass sie ihnen das Land in einer gemeinsamen Reise zeigt.
„Sie alle waren total begeistert von der Tour, weil Biju so viel Insiderwissen hat!“ erzählt Yvonne. Also beschlossen sie, solche Reisen professionell anzubieten.
Om-Reisen nennt sich das Konzept. Der Laut „om“ symbolisiert die Einheit allen Seins und bringt Körper, Geist und Seele in Harmonie – und genau das soll auch die Reise tun. Zwei bis drei Mal im Jahr führen sie die Touren seitdem durch. Dabei kümmern sie sich um alles: vom Flug, über das Visum bis hin zu Ratschlägen, was man am besten in einem Land wie Indien alles dabei haben sollte.
Ein kleines Stück Indien hat Biju auch in Waldkirchen. Viele christliche Pfarrer aus Indien sind in letzter Zeit in den Bayerischen Wald gekommen – mangels heimischer Geistlicher. Mit dem Pfarrer aus Hauzenberg hat Biju sich beispielsweise schnell angefreundet, auch wenn sie nicht die gleiche Sprache sprechen. Aber das ist nicht weiter verwunderlich, schließlich gibt es in Indien über 100 Sprachen verschiedener Sprachfamilien.
„Die Deutschen haben die Uhr, wir haben die Zeit“
Und dann ist er in manchen Dingen auch sehr schnell Deutscher geworden, wie seine Frau lachend erzählt. „In Deutschland ist Pünktlichkeit ganz wichtig. In Indien sagen wir immer: Die Deutschen haben die Uhr, wir haben Zeit!“ Die Inder seien da einfach etwas gelassener, findet Biju.
„Ich merke aber, dass ich diese deutsche Eigenheit schon übernommen habe und es mich nervt, wenn sie mich in Indien zu lange warten lassen“, sagt er mit einem Schmunzeln im Gesicht.
Vor kurzem hat der Inder den deutschen Pass beantragt, nach einem, wie Yvonne sagt „wahnsinnigen Aktenaufwand.“ Jetzt heißt es: abwarten. Bis zu einem halben Jahr kann sich das Verfahren ziehen. „Aber ich lebe jetzt hier und fühle mich wohl“, begründet Biju seinen Antrag, „da ist die deutsche Staatsangehörigkeit nur die logische Konsequenz.“
Auch wenn er in Deutschland manchmal die Geselligkeit auf der Straße vermisse. „In Kermala triffst du draußen ständig jemanden an, da findet das Leben einfach draußen statt.“ Familie Nair nimmt es gelassen – seitdem Biju da ist, feiern sie mit vielen deutschen Freunden in ihrem Garten Onam. Das ist das größte und bedeutendste Fest in Kerala und wird im Sommer gefeiert. „Damit bringe ich die Heimat in meinen deutschen Garten“, erklärt Biju und lächelt zufrieden.
Dike Attenbrunner
Übrigens: Wer jetzt Lust auf indisches Essen bekommen hat, dem legen wir den Fuadgeh-Check beim indischen Restaurant „Maharani“ in Freyung ans Herz.