Perlesreut. Irgendwann ist es nur noch reine Kopfsache. Die Oberschenkel brennen, an den Füßen haben sich dicke Blutblasen gebildet, der Körper sehnt sich nach einer Pause. Doch es geht weiter, immer weiter – das Ziel fest vor Augen. „A bissl an Schatten muss man schon haben“, gesteht Alfred Kretschmer und schmunzelt. Die körperlichen Strapazen waren aber nicht umsonst: Der 49-Jährige hat es geschafft, er hat sich selbst besiegt und den Zugspitz Ultratrail gemeistert – 100 Kilometer Distanz sowie 4520 Höhenmeter hinter sich gelassen. Mit einem zufriedenen Lachen sagt der Berufssoldat: „Das war ein einmaliges Erlebnis, das mir keiner mehr nehmen kann.“
Bereits 2011 versuchte sich Alfred Kretschmer am Zugspitz Ultratrail, musste aber nach 65 Kilometern aufgeben. „Der Oberschenkel-Muskel hat zugemacht – ich hatte keine Chance.“ Diese Enttäuschung spornte den 49-Jährigen jedoch weiter an, eine Jetzt-erst-recht-Mentalität machte sich in ihm breit. Im Oktober 2012 begann der gebürtige Oberpfälzer dann mit der intensiven Vorbereitung – Kilometer um Kilometer, Berg um Berg, Schritt um Schritt kämpfte er sich an die Erfüllung seines sportlichen Traums heran. Das Mittelgebirgs-Gelände im Bayerischen Wald, rund um seine Heimat Perlesreut, stellte sich dabei als ideales Trainingsgebiet heraus. „Bei uns geht es ja immer auf und ab – einfach super.“
„Ich war ein richtig fauler Hund – der Knackpunkt war ein Lehrgang“
Doch wer ist eigentlich dieser Mann, der sich quälen kann wie kein anderer, der sich ein ums andere Mal überwindet? Um die Geschichte von Sport-Ass Alfred Kretschmer erzählen zu können, muss man zurück ins Jahr 1989. Der damals 25-jährige Soldat wog 94 Kilogramm, kickte in einer unterklassigen Fußball-Mannschaft und war Posaunist einer Blaskapelle. „Ich war ein richtig fauler Hund. Der Wendepunkt kam dann mit einem Sportlehrgang, bei dem ich 18 Kilo abgenommen habe.“ Von da an begeisterte er sich für den Ausdauersport, trainierte wie ein Besessener. „Laufen ist wie Rauchen – eine Sucht.“ Erste Volksläufe folgten. Vom Freyunger Stadtlauf über den Thermenmarathon in Bad Füssing bis hin zum Berlinmarathon – Alfred Kretschmer hatte seine neue Passion gefunden. Anfang der 2000er entdeckte er dann die Trails – Langstreckenläufe abseits asphaltierter Straßen – für sich: „Von da an wurde es richtig extrem.“
Einer von 650: „Den Zugspitz Ultratrail machen nur Wahnsinnige“
Doch was der 49-Jährige beim Zugspitz-Ultratrail erlebte, toppt alles bisher Dagewesene. Am Freitag, den 21. Juni, machte er sich auf nach Mittenwald. In der dortigen Edelweiß-Kaserne schlug er sein Nachtlager auf. Abends fand im Startort, in Grainau, die obligatorische Nudelparty statt, bei der die Läufer kostenlos ihre Kohlenhydrate-Tanks auffüllen konnten. In der Nacht brachte Alfred Kretschmer kein Auge zu. „Ich habe immer wieder spekuliert, ob mein Muskel hält, ob ich die komplette Ausrüstung dabei habe – tausende Gedanken schießen einem da durch den Kopf.“ Um 7.15 Uhr war es dann endlich soweit, der Ultratrail begann. „Das machen eigentlich nur Wahnsinnige“ – und doch nahmen 650 Läufer die Strapazen auf sich.
Insgesamt 19 Stunden war der Perlesreuter anschließend im Wettersteingebirge unterwegs – mal in kleineren Gruppen, die meiste Zeit jedoch als Einzelkämpfer. „Man versucht sich dauernd abzulenken. Man grübelt aber immer wieder nach, wie lange man noch laufen muss, wann endlich das Ziel kommt und ob die Füße das durchhalten.“ Wegen des steilen Geländes musste der Waidler manchmal gehen, immer wieder kam er an Verpflegungsstationen vorbei, aß Salami, Käse und Kuchen. „Das musste sein, ansonsten wäre bald Feierabend gewesen“, spielt der Soldat auf viele Läufer an, die während des Trails zusammengebrochen sind. „Die Sanis waren schnell zur Stelle und haben geholfen.“
„Ich war extrem froh und gleichzeitig körperlich am Ende“
Der Trail ist aber nicht nur von Schmerzen geprägt – Alfred Kretschmer erlebte auch Momente, die er nie vergessen wird. Weil am selben Tag in den Bergen die Sonnenwende gefeiert wurde, leuchteten von den Gipfeln die Johannifeuer. Auch das Bergpanorama begeisterte den für den WSV Otterskirchen startenden Läufer. „Beeindruckend war die Ziel-Lichterkette, die man vom letzten Gipfel aus gesehen hat.“
Nach 19 Stunden, 1 Minute und 11 Sekunden hatte es der „Running Man ausm Woid“ dann geschafft – um 2 Uhr morgens hatte er das erreicht, wofür er monatelang trainiert hat. „Ich war extrem froh und gleichzeitig körperlich am Ende, bin dann erst mal zu den Sanitätern und hab mir meine Blutblasen aufstechen lassen.“ Eigentlich wäre nach dem Ultratrail Erholung angesagt gewesen – nicht jedoch für Alfred Kretschmer. Nach zwei Red Bull und einem starken Kaffee fuhr er gleich zurück in seine Heimat – und wurde von seiner Frau mit den Worten „Das war dein letzter Lauf“ begrüßt. Für ihn ist aber noch lange nicht Schluss. Voller Ehrgeiz sagt er: „Irgendwann möchte ich den New-York-Marathon laufen …“
Helmut Weigerstorfer
Servus,
Da Dr. Esser Urologe in grafenau is vei do a glaffa – glaub in etwa gleiche Zeit,