Freyung/Waldkirchen. Ein oranger VW-Bus, vollgeladen mit technischen Gerätschaften, davor eine Gruppe von Schülern, die nacheinander durch ein Messgerät auf die Laufbahn des Freyunger Stadions am Oberfeld schauen. Über Funkgerät gibt eine der Gymnasiasten Anweisungen an die zweite Gruppe, die auf der Tartanbahn Messpunkte fixiert. Sinn und Zweck dieses Rollentausches: Die Arbeit des Vermessungsamtes und die Geodäsie, die Wissenschaft der Vermessung, kennen und verstehen zu lernen. Dazu wurde jüngst das Freyunger Stadion von Schülern des örtlichen Gymnasiums, mit Unterstützung der Vermessungsamtmitarbeiter der Kreisstadt, auf die Länge überprüft. Das Messergebnis: fehlerfrei.
„Gerät schickt unsichtbare Lichtstrahlen zum Spiegel und zurück“
„Könnte ja sein, dass ihr im Sportunterricht immer zu viel laufen müsst – das finden wir heute raus“, scherzt Vermessungsingenieur Alois Irlesberger. Er und seine Kollegen wollten den Neunt- und Zehntklässlern des Gymnasiums ihre Arbeit und die Geodäsie näher bringen. Dazu wurde gemeinsam von der Bayerischen Vermessungsverwaltung, dem Ingenieurverband Geoinformation und Vermessung Bayern, der TUM, den Hoschulen München und Würzburg, dem Deutschen Verein für Vermessungswesen und dem Verband deutscher Vermessungsingenieure eine geodätische Aktionswoche veranstaltet.
Die Wisschenschaft der Vermessung und ihre Leistung sollen mit diesem Projekt für die Gesellschaft sichtbar gemacht werden – und das möglichst praktisch. Bevor die Vermessung jedoch in medias res gehen konnte, präsentierten Irlesberger und sein Kollege Ludwig Königseder die Thoerie – und stellten die Messgeräte im Mehrzweckraum der Schule vor. Mithilfe des sogenannten Tachymeters kann man Winkel und Strecken zum dazugehörigen Spiegel messen: „Das Gerät schickt unsichtbare Lichtstrahlen zum ein bis zwei Kilometer entfernten Spiegel – und wieder zurück. Mit der Zeit, wie lange der Lichtstrahl für diese Strecke braucht, kann man die Strecke messen.“ Ermittelt werde das Ganze in Gon, einer Maßeinheit die mit der üblichen Gradangabe für Winkel vergleichbar ist.
„Wollen zeigen, wie spannend und abwechslungsreich unsere Arbeit ist“
Die Mathematiklehrer Andreas Jehl und Stefan Christoph unterstützten dieses Projekt, denn: Es sei wichtig zu zeigen, dass man die Theorie auch in der Praxis sehr gut anwenden könne. Ein weiterer Grund für die Veranstaltung sei laut Erhart Weis, ebenfalls Mitarbeiter des Freyunger Vermessungsamtes, die Jugend für diesen Beruf zu begeistern. Zurzeit würde es nur wenige geben, die sich für einen Studiengang der Geodäsie entscheiden: „Wir wollen heute vorallem das Interesse der Schüler für ein solches Studium wecken und zeigen wie spannend und abwechslungsreich unsere Arbeit ist.“
Neugierig schauten die insgesamt elf Schüler dann Ludwig Königseder beim Aufbau des Tachymeters über die Schulter. Schritt für Schritt erklärte er dabei was es zu beachten gilt. Die Gymnasiasten waren vor allem am Ablauf eines Arbeitstages im Vermessungsamt interessiert. Ihre Fragen beantworteten die beiden Vermessungsprofis gern – bevor es an die Arbeit ging:
„Vermessen können wir nicht ganzjährig. Von Oktober bis März werden im Innendienst Karten aktualisiert und die nächste Saison geplant. Das ist natürlich immer vom Schneefall abhängig. Ab April sind wir dann im Außendienst tätig und vermessen Grundstücke, Straßen, setzen neue Grenzsteine und erfassen alles koordinatenmäßig“, erklärte Irlesberger.
Mit Hitze, Kälte und Mathematik sollte man nicht auf Kriegsfuß stehen
Begeistert schilderte er, dass sich sein Job in den vergangenen Jahren durch Neuerungen in der Technik um ein Vielfaches gewandelt und gleichzeitig erleichtert hat. Mit Hitze, Kälte und Mathematik sollte man allerdings nicht auf Kriegsfuß stehen, gestand er mit einem Schmunzeln.
Nachdem der Tachymeter ausgerichtet und der Spiegel am anderen Ende des Rasens positioniert worden war, konnte es endlich losgehen. Mit einem Hilfsblatt erklärte Irlesberger, dass nun 22 Punkte (verteilt auf die Laufbahn-Runde) gemessen und diese Koordinaten dann nacheinander erfasst werden, um abschließend die gesamte Strecke berechnen zu können.
Gesagt, getan. Sechs Schüler blieben bei Irlesberger am Tachymeter, der Rest klapperte mit Königseder die 22 Punkte auf der Tartanbahn nacheinander ab – und verschob den Spiegel nach fachmännischer Anleitung. Die Kommunikation zwischen den beiden Gruppen musste dabei über Funk erfolgen. Wenn ein Punkt erfolgreich vom Tachymeter erfasst und gespeichert worden war, konnten Königseder und seine Helfer zum nächsten gehen. Nach einer Stunde waren schließlich alle 22 Koordinaten festgehalten und die Beamten konnten die endgültige Strecke berechnen.
Um zwei Zentimeter zu lange Tartanbahn – aber immer noch in der Norm
Im Laufe des Vormittags wurde den Gymnasiasten außerdem die Möglichkeit gegeben, den Bayern Atlas kennenzulernen. Im Mehrzweckraum der Schule erklärten Erhart Weis und
Erwin Knott die Besonderheiten für Schüler, die an dieser Alternative zu Google-Maps interessiert waren. Laut Weis informiert der Atlas etwa detailliert über Luftbilder, die nicht älter als drei Jahre alt sind. Das Besondere daran: Auch Grundstücksgrenzen und historische Karten bis in das Jahr 1816 sind vorhanden.
Abschließend wurden die Ergebnisse der Messung präsentiert. Die Schüler haben keine Fehler gemacht und konnten sich mit der Technik sofort gut anfreunden. Die Tartanbahn ist laut Messung 400 Meter und zwei Zentimeter lang – völlig in der Norm also, denn: Nach den Vorgaben des Deutschen Leichtathletik Verbandes dürfte eine Runde bis zu vier Zentimeter überschreiten.
Daniela Jungwirth