Übersee. Die Bulldog-Tour nach Malmö zum Eurovision-Song-Contest (ESC) haben die Burschen von LaBrassBanda knapp verpasst. Was wurde nicht alles diskutiert? Von Schiebung durch die Jury-Mitglieder war im Februar gar die Rede. Und schnell sind nach dem blamablem Abschneiden unserer blonden Disco-Queen Cascada Stimmen laut geworden, dass das mit LaBrassBanda nicht so in die Hosen gegangen wäre … und in die Lederhosen schon gar nicht! Denn so a Lederwix, wie sie die Buam von der oberbayerischen Blechbläser-Combo bei ihren Auftritten gerne tragen, hält auch einiges aus. Muss sie auch, denn: Eine LaBrassBanda-Live-Performance bedeudet Bavarian Power, Energy & Heat – und das alles natürlich barfuß!
Am 14. Juni ist nun ihr drittes Studio-Album „Europa“ (Sony Music) erschienen: Es ist die ehrliche Danksagung an jene Länder, durch die sie schon vor ihrem Durchbruch im Jahr 2008 getourt sind. Außerhalb Bayerns feierten „die Bandas“ ihre ersten Erfolge – mittlerweile sind sie so bekannt, dass sie schon mal mehr als 10.000 Anhänger in die Münchner Olympiahalle locken …
Der Sound auf „Europa“ ist nun klarer, mehr elektronisch orientiert und mit einigen Effektexperimenten gewürzt. Die Vielfalt an außergewöhnlichen Songs fernab des Mainstreams macht das Album zum Highlight dieses Sommers. Im Interview mit Hog’n-Redakteur Jason Ditshej spricht Posaunist Manuel Winbeck über die Niederlage beim ESC-Vorentscheid, warum es den Jungs in Sibirien besonders gut gefällt – und warum sie lieber mit den „Ärzten“ auf Tour gehen als im Musikantenstadl aufzutreten …
„Der ESC war nach dem Ausscheiden für uns kein Thema mehr“
Der Eurovision Song Contest ist vorbei. Deutschland landete mit Cascada weit abgeschlagen auf dem blamablen 21. Platz. Seid Ihr heute froh, dass Ihr Euch beim Vorentscheid im Februar nicht qualifizieren konntet?
Ich selbst hab den ESC ja nur am Rande mitbekommen, weil ich seit 17. Mai in Russland mit meiner anderen Band, Monobo Son, auf Tour war – und an dem Abend ein Konzert in Nowgorod gespielt habe (lacht). Dort hat man sich eher für das russische Abschneiden interessiert. Für uns alle war das auch ehrlich gesagt kein Thema mehr, wir hatten schon im Februar damit abgeschlossen …
Euer neues Album heißt „Europa“. Ist das Eure Antwort auf die verpasste Teilnahme am ESC?
Der Titel ist schon seit letztem Sommer festgestanden. Für uns war es immer schon interessant nach draußen in die weite Welt zu kommen. Auf unserer ersten Tour, 2007, haben wir Konzerte in London, Bosnien, Kroatien und Italien gespielt. Es ist immer sehr spannend in Gegenden aufzutreten, wo Dich kaum einer versteht.
Und trotzdem schafft es die Musik, dass man eine gute Zeit miteinander erlebt. Den Songs haben wir anfangs Ländernamen wie ‚Schweden‘, ‚Frankreich‘ oder ‚Russland‘ gegeben, die eher eine Art Arbeitstitel waren. Bei einigen Liedern hat sich dann doch ein anderer Name herauskristallisiert.
Der europäische Gedanke hat es heute nicht leicht. Die Europakritiker melden sich immer häufiger zu Wort. Wollt Ihr mit dem Album einen politischen Beitrag zur Völkerverständigung leisten?
Wir sind eine Musikband, politische Gedankengänge vermitteln wir eher nicht. Ich glaube, dass das eher im Kopf der Leute passiert. Bei uns spielt sich das mehr auf zwischenmenschlicher Ebene ab. Jeder Mensch sollte sich selbst seine Gedanken machen und sich nicht einfach etwas vorsetzen lassen. Er soll abwägen können, was gut und schlecht ist. Dann kann auch ein Dialog stattfinden.
„Die bayerische Mentalität erlebt man auch in Sibirien – ganz klar!“
Eure aktuelle Single heißt „Holland“. Was ist das charakteristische dieses Songs?
In Holland gibt’s ja eine sehr präsente Balkan-Szene. Sehr bekannt ist etwa die Amsterdam Klezmer Band. Auch Weltmusik ist in den Niederlanden sehr populär. Unser Song hat gewisse Anlehnungen an deren Stil. Und nachdem Stefan den Song am Computer komponiert hatte, hat er das Werk dann einfach mit dem Arbeitstitel ‚Holland‘ abgespeichert (lacht).
Das Songwriting läuft also bei Euch nicht in Form einer Jamsession wie bei Rockmusikern ab?
Nein, ganz und gar nicht. Die Songs werden anfangs mit der Software Cubase komponiert. Stefan schreibt die Musik alleine und erstellt dann eine Vorproduktion. Im Overdub-Verfahren schichtet er Stimme für Stimme zusammen. Nach diesen Sessions kommen dann erst die Musiker dazu.
Teil-„Nackert“ traten die Bandas beim ESC-Vorentscheid auf: Barfuß – wie immer …
Welches Eurer besungenen Länder entspricht denn am ehesten der bayerischen Gemütlichkeit?
Ganz klar Sibirien (lacht)! Bei unserer letzten Tour sind wir etwa eine Woche durch das weite Land gereist. Zum Schluss spielten wir dann noch in Moskau – da hatten wir das herzliche Sibirien viel gemütlicher in Erinnerung, als die extrem laute Riesenmetropole. Die Leute in Sibirien sind viel distanzierter, wenn man sie auf der Straße trifft. Und das ist bei uns in Bayern ja auch so. Aber wenn Du dann mit ihnen zusammenkommst, sind sie sehr freundlich und hilfsbereit.
„Wir sind alle ein bisschen schizophren – gemütlich, aber ehrgeizig“
Mit den letzten Platten seid Ihr beim eher „familiären“ Plattenlabel „Trikont“ unter Vertrag gewesen. Jetzt seid Ihr zu Sony Music gewechselt. Bedeutet das mehr Druck, mehr Stress?
Stressfrei war es nie. Geackert haben wir auch bei den letzten Platten (lacht). Wir sind alle ein bisschen schizophren: Im Grunde zwar gemütliche Typen – aber in dem, was wir machen, sehr ehrgeizig. Damals haben wir uns in den Kopf gesetzt, dass wir das Projekt LaBrassBanda durchziehen – egal was kommt.
Wir sind auch heute noch Fans von Trikont, einem familiären Betrieb mit etwa fünf Leuten. Aber die Aufmerksamkeit auf uns ist mittlerweile größer geworden, da braucht man auch eine andere Infrastruktur. Mit Sony haben wir jetzt einen guten Partner gefunden.
Mit Sony hat sich Euer Sound auch ein klein bisschen verändert: etwa Soundeffekte, die man von Euch gar nicht gewohnt war. Wollt Ihr Euch damit für ein größeres Publikum öffnen?
Als Musiker ist man immer auf der Suche nach etwas Neuem. Wir haben noch viel mehr rumexperimentiert – was auf dem Album gar nicht zu hören ist. An den elektronischen Tricks hatten wir einfach unseren Spaß gefunden. Man hört aber auch Einfälle, die wir schon beim ersten Album verwendet hatten. Zu uns passt einfach der erdige, trockene und ehrliche Bläsersound – ohne viel Hall – am Besten. Ich glaube nicht, dass wir uns für das Mainstream-Publikum angebiedert haben.
Auf Eurer bevorstehenden Tour wollt Ihr Euch mit zusätzlichen Bläsern verstärken …
Zwei Trompeter werden uns ergänzen und es gibt auch Percussion. Es war eine Wahnsinnserfahrung, die Konzerte in den vergangenen Jahren zu fünft zu spielen. Es ist auch so eingeschworen, dass wir Fünf die Band sind. Früher hatten wir jede Stimme genau einmal besetzt. Dabei haben wir versucht, über unsere Energie das Lied so fett wie möglich zu machen.
Durch die Zusatzmusiker sind wir jetzt viel stärker besetzt, wodurch der volle Sound von Anfang an präsent ist. Jetzt muss das Ganze gut arrangiert werden, damit es nicht undifferenziert und langweilig klingt. Dadurch wird es auch spannender und musikalisch vielschichtiger.
Spielt da auch der Hintergedanke mit, dass in Zukunft mal ein Musiker ersetzt werden kann?
(lacht) Man weiß ja nie, was passiert. Jeder von uns hat neben LaBrassBanda noch andere musikalische Bands und Jobs. Natürlich könnte es passieren, dass sich einer mal ein Jahr intensiver auf sein eigenes Projekt konzentrieren möchte. Aber der Gedanke an die zusätzlichen Bläser ist wirklich nur deshalb entstanden, weil wir den CD-Sound auch so dicht und komplett auf der Bühne realisieren wollen.
„Bela B kam zu uns in die Kabine, weil’s ihm sehr gefallen hat“
Bei Eurer nächsten Tour spielt Ihr einige Male als Support-Act für „die Ärzte„. Wie kam es dazu?
2010 haben wir auf dem Taubertal Festival gespielt, bei dem auch Bela B im Line-Up war. Nach unserem Konzert ist er zu uns die Kabine gekommen, weil’s ihm sehr gefallen hat. Dabei haben wir locker geplaudert. Die Ärzte spielen heuer ja ihre großen ‚Ärztivals‚ und haben dazu recht viele Vorbands eingeladen. Ihnen war es wichtig, dass auf der Bühne gute Musik passiert. So kommt ein schönes Komplettpaket für die Fans zusammen.
Live rauchen die Köpfe – so wie hier beim Auftritt im Cirkus Krone in München:
„Musikantenstadl? Nein danke! Da muss man schön und lieb aussehen“
Der Titel „Beste Band der Welt“ wär doch auch mal was für Euch?
(lacht) Solche Titel sollen lieber andere vergeben. Das ist nicht unsere Art. Wir spielen lieber – und was dabei raus kommt, sehen die Leute dann selber.
Stimmt es, dass Ihr eine Anfrage bekommen habt, im Musikantenstadl aufzutreten?
(verlegen) Kann schon sein, dass da mal jemand angerufen hat. Wir haben beim ESC ja auch nur deswegen auftreten können, weil man uns erlaubt hat, komplett live zu spielen. Das gehört bei unseren Auftritten einfach dazu. Wir wollen schwitzen bis die roten Köpfe rauchen! Dann können wir Vollgas geben und unsere Energie verbreiten! Im Musikantenstadl muss man dagegen schön und lieb aussehen. Für die Leute, die das mögen, ist das sicherlich ein gutes Format. Aber wir passen da einfach nicht so recht rein … (lacht)
Vielen Dank Manuel für das interessante Gespräch. Und viel Erfolg mit dem neuen Album und der anstehenden Tour!
Interview: Jason Ditshej
Ein Banda-Sound, der Maßstäbe setzt
LaBrassBanda haben ihrem alten Platenlabel „Trikont“ viel zu verdanken. Wer hätte je einen Cent darauf gewettet, dass man mit bayerischer Blasmusik kommerziellen Erfolg erzielen kann – sogar in ganz Europa? Die fünf Burschen haben den familiären und behutsamen Umgang des Traditionslabels sehr geschätzt. Doch nach den Auftritten in der Münchener Olympiahalle und beim ESC-Vorentscheid schien die Zeit reif, einen neuen Weg einzuschlagen. Der Wechsel zu Sony Music öffnet nicht nur größere und kommerzielle Perspektiven, auch die Produktion selbst klingt jetzt noch runder.
Die Oberbayern präsentieren mit „Europa“ ihr bis dato bestes Studioalbum. Man kann es kaum noch besser machen. Der trockene, erdige Bläsersound ist nach wie vor das prägende Wiedererkennungsmerkmal. Doch die Mischung aus cleanem Bass, dem elektronischen Schlagwerk, bisher ungewohnten Effektspielereien und Sounds, dem Einsatz von Vocoder und zusätzlicher Percussion hat einen neuen, fetten Banda-Sound kreiert, der für die nächsten Platten Maßstäbe setzt.
Im Grunde genommen könnte man die Rezension jetzt beenden. Wer LaBrassBanda kennt, der weiß, dass man sie live erleben muss. Auf ihren Konzerten explodiert die schier unglaubliche Energie ihrer Songs in einer regelrechten „Resonanzkatastrophe“. Dass es bei der Live-Präsentation der anspruchsvoll arrangierten „Europa“-Songs zusätzlicher Musiker bedarf, stört die Band nicht. Im Gegenteil! Sie wollen ihren Fans immer den besten Sound liefern. Aber sie wollen auch die Party mit dem Publikum. Sie wollen selber schwitzen. Erstaunlich, das Transpirieren funktioniert – sogar beim bloßen Anhören dieser hypnotisierenden CD.
Schwitzen garantiert bei Schweden-Techno oder Holland-Ska
Eine Brass-Platte braucht nicht unbedingt einen begnadeten Solo-Sänger. Trotzdem spürt man bei den coolen Background-Vocals, dass Stefan Dettl und Manuel Winbeck den bayerischen Soul im Blut haben. Was „Europa“ ganz besonders auszeichnet, ist seine Vielfalt an Musikgenren. Da gibt’s „Schweden-Techno“ oder „Holland-Ska„zu hören. Bei „Griechenland“ wird man an den Happy Sound von James Last erinnert: Hellas nochmal, wer denkt da noch an die Schuldenkrise? Bei der House-Nummer „Frankreich“ verneigen sich die Bandas vor Daft Punk. Während man beim getragenen, orchestralen „Russland“ die Weiten des Landes inhalieren darf.
Beim funkigen 70er-Jahre-„Western“ würde man am liebsten einen Abstecher über den großen Teich machen und Europa verlassen: Herbie Hancock and the Headhunters lassen grüßen! Da ist dann „Z’spat dro“ der typische Banda-Ska wie man ihn kennt. Aber auch richtige Ohrwürmer wie der Balkan-Salsa „Jaqueline“ oder das jazzige „Vogerl“ finden sich auf der Platte. Der poppige Eurovision-Song „Nackert“ und der wunderschön und nachdenkliche Song übern „Opa“, der nicht mehr lange zu leben hat, sind schließlich richtige Rundungs-Schmankerl auf der CD.
Der Fußball hat Bayern in diesem Jahr schon glücklich gemacht. Glücklicher geht’s nur noch mit dem neuen Longplayer von LaBrassBanda. Da kann der Sommer zu einer richtigen Hitzewelle werden. Nicht nur in Bayern – in ganz „Europa“.
Jason Ditshej
…und der neue Percussionist kommt auch noch ausm Woid :)