Straubing/Regensburg. Rage against the Machine meets Spider Murphy Gang – so könnte man den Stil der Straubinger Spaßrocker von „Kreisverkehrt“ bezeichnen. Die vier Bandmitglieder haben einiges gemeinsam: Sie sind alle 24 Jahre alt und stammen ursprünglich aus Straubing. Sänger Philipp Zellmer, Gitarrist Thomas Obermeier sowie Bassist Simon „Slap“ Ziegler hat es mittlerweile wegen Studium und Ausbildung nach Regensburg verschlagen, während Schlagzeuger Roman Hanner in Hunderdorf wohnt. Mit ihrem durchgeknallten Video zu „Da Maibam“ haben sie jüngst auch überregional für Aufmerksamkeit gesorgt. Genauso wie sie in der Tabakfabrik Passau beim Nachwuchswettbewerb Smokey Joe Music Award die Jury mit ihren Live-Qualitäten überzeugten. Das Resultat: ein hervorragender zweiter Platz.
Auch Hog’n-Musikredakteur Jason Ditshej ist von den amüsanten Videos des Quartetts begeistert. Hier trifft technisch guter Crossover auf teils humorvolle, teils nachdenkliche Texte. Eine interessante Mischung, die das Potenzial besitzt, sich in der regionalen Szene durchzusetzen. Die Musik von Kreisverkehrt ist nicht nur tanzbar und funky – man versteht auch nebenbei noch, was sie singen. Dass die vier Straubinger dabei immer authentisch bleiben und sich nicht verbiegen lassen, macht die Newcomer aus dem Gäuboden umso sympathischer. Im Interview mit Jason Ditshej erzählen Philipp und Thomas, welche schöpferische Kraft der Ort Pfelling für sie besitzt, wie man verrückte Textzeilen erfindet, ob sie schüchtern sind – und warum sie keinen Stilberater brauchen …
Die Idee zu Kreisverkehrt entstand in einem Straubinger Biergarten
Jungs: Euren Stil könnte man als spaßigen Crossover bezeichnen. Welche Musik hat Euch beeinflusst?
Philipp: Kein Mensch hat exakt denselben Musikgeschmack wie ein anderer! Simon kommt beispielweise mehr aus der Metal-Richtung. Thomas hat eine Ausbildung als Jazz-Gitarrist hinter sich und ist demnach in diesem Genre ambitionierter. Gerade diese Vielfalt und die Schnittmenge aus Funk und Rock bewirken, dass wir uns beim Songwriting auch schnell einig werden. Ich würde sagen, dass uns Bands wie die Red Hot Chili Peppers, Rage Against The Machine, Jan Delay und Krautschädl beeinflusst haben.
Habt Ihr vorher schon musikalische Erfahrungen in anderen Bands gemacht?
Philipp: Ich persönlich habe meine ersten Gehversuche in einer Funk-Ska–Reggae-Band gemacht. Simon hat Mitgliedschaften in gefühlt 10.000 Formationen auf dem Buckel (lacht). Thomas und Roman spielen seit fast zehn Jahren gemeinsam in einer Coverband.
Thomas: Wir sind auch heute noch in anderen Bands tätig. Jeder hat einfach Lust auf verschiedene Projekte. Doch wir wissen alle was wir an Kreisverkehrt haben – und kommen deshalb immer wieder gerne zusammen. Zumindest gibt es uns schon sehr lange (lacht).
Wie habt Ihr Euch schließlich bei Kreisverkehrt zusammengefunden?
Philipp: Ich kann mich noch ziemlich genau daran erinnern: Es hat bereits eine Formation mit Tom, Slap und Roman existiert. Irgendwann saß ich mit Thomas bei verregnetem Wetter in einem Straubinger Biergarten und ich sagte: ‚Kann doch nicht sein, dass wir beide miteinander in keiner Band spielen!‘ Anstatt eine neue zu gründen, schlug Thomas vor, dass ich mich als Sänger den drei anschließen könne. Wir haben’s ausprobiert – und es blieb dabei (grinst).
„Man kann mit uns bis in die Orientierungslosigkeit abtanzen“
Wo habt Ihr denn Euren Proberaum?
Philipp: Wir proben bei Thomas zu Hause im wunderschönen Pfelling – zwischen Donau und Weinberg. Es hat immer schönes Wetter, wenn wir proben! (lacht)
Thomas: Dieser Ort hat für die Band etwas sehr beruhigendes, aus dem wir sehr viel Kraft schöpfen. Das hat viel damit zu tun, weshalb Kreisverkehrt so klingt wie’s klingt …. Nein, ich glaube es liegt einfach daran, dass es hier immer Kaffee und Kuchen gibt (lacht).
Wie seid Ihr eigentlich auf den Bandnamen „Kreisverkehrt“ gekommen?
Philipp: Bei einem gemeinsamen Jam im Proberaum kam ein sehr interessanter Sound zustande. Hart, aber doch tanzbar. Man könnte sagen, es entstand ein ziemlich energischer, vielleicht sogar chaotischer Discosound, bei dem man sich bis in die Orientierungslosigkeit tanzen kann. Irgendwann kam beim Texten dann die Zeile ‚Tanzen im Kreis verkehrt‘ dazu. Und die war gleich so gut, dass sie nicht in den Song übernommen wurde (lacht)!
Aber viel wichtiger war, dass wir an das Wortspiel Kreisverkehr anknüpfen wollten. Wir haben uns zunächst für den Bandnamen ‚Kreisverkehrt‘ entschieden, bis uns was Besseres einfallen sollte. Kurz darauf hatten wir aber schon ein Logo im Kopf, das dem bekannten Kreisverkehr-Schild ähnelt. Und da uns der Name mit der Zeit dann doch ganz gut gefallen hat, haben wir ihn bis heute behalten. Den gleichnamigen Song spielen wir übrigens immer noch gerne!
Wie läuft bei Euch das Songwriting ab?
Philipp: Die Entstehung unserer Songs ist vielfältig. Ihren Ursprung haben sie aber meistens im Proberaum. Um einen neuen Song zu schreiben, brauchen wir zuerst ein Thema, worum es in dem Song gehen soll. Dann werden die Instrumente in die Hand genommen und solange ausprobiert und gespielt, bis wir schließlich brauchbares Material finden.
Es klappt aber auch gerne mal umgekehrt: Zur Musik wird das Thema festgelegt. Steht dann ein Themen-Musik-Gerüst, folgt die Textarbeit. Die meisten Texte sind von Roman und mir. Zu viert texten geht aber auch! Dabei kommen manchmal verrückte Geistesblitze raus wie ‚Weihnachten, Ostern, Hoazad‘, FC Bayern‘ (lacht).
Thomas: Wir werden jetzt auch zunehmend anspruchsvoller: An einem Song haben wir kürzlich etwa fünf Bandproben lang gearbeitet. Meistens sind wir uns auch einig darüber, was bereits gut ist und was wir noch ändern müssen. Es gibt erstaunlich wenig Streitereien.
In „Da Maibam is mei Bam“ versuchen sie sich erstmals in Mundart
Euer kürzlich erschienener Song „Da Maibam“ ist auf Boarisch – die anderen auf Deutsch. Ist das ein einmaliger Stilbruch? Oder gibt’s künftig mehr Dialekt von Euch zu hören?
Philipp: ‚Da Maibam‘ war eigentlich nur als Experiment gedacht. Weil er beim Publikum aber so gut angekommen ist, tüfteln wir momentan an weiteren Mundart-Nummern. Ob wir in Zukunft nur noch Boarisch singen, ist nicht sicher.
Thomas: Wir sehen das nicht so eng. Ausprobieren, Vielfältigkeit und Spaß sind eigentlich die Punkte, die wir alle an Kreisverkehrt schätzen. Musikalisch sind bei uns auch schon ein paar Ausreißer dabei gewesen – und nun sind eben auch die Texte dran.
Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, so einen lustigen Text wie beim „Maibam“ zu schreiben?
Philipp: Der Text ist im Herbst oder Winter entstanden. Es bestand also kein aktueller Anlass dazu, wie man vielleicht vermuten könnte. Jedenfalls hatten wir relativ bald das Wortspiel ‚Da Maibam is mei Bam‘ in unseren Köpfen. So war es naheliegend, der ganzen Story einen eher witzigen Touch zu geben. Wir haben uns dazu entschlossen, das Brauchtum des Maibaumaufstellens – und speziell das damit verbunde Maibaumbewachen – extrem auf die Spitze zu treiben. Die Figuren der Story wollten wir als überreagierende Anti-Helden darstellen, die die ganze Angelegenheit viel zu ernst nehmen. Vielleicht ist ja da schon ein Hauch Sozialkritik erkennbar (lacht).
Die Anti-Helden im Video auf der Suche nach dem Maibam: „Unser dicker, langer is weg – oleck!“
Euer Maibaum-Video hat sich ja schnell verbreitet …
Philipp: Es ist immer häufiger zu beobachten, dass Bands das Internet nutzen, um Musikvideos zu präsentieren. Nicht selten erreichen sie dadurch einen beträchtlichen Bekanntheitsgrad. Youtube ist in Kombination mit sozialen Netzwerken eine gute Möglichkeit, seine Musik unter die Leute zu bringen. Natürlich bietet der ohnehin schon witzige Text viele Anhaltspunkte, die Musik zu visualisieren. Und so hatten wir nach kurzer Zeit schon das komplette Skript zum Video aufgesetzt. Das hat uns selbst überrascht, dass wir so kreativ sein können (schmunzelt).
Und wie war der Dreh selbst? Im Frühjahr im Nikolauskostüm rumzulaufen muss ja peinlich sein?
Philipp: Naja, die Zuschauer hielten sich ja in Grenzen (lacht). Insofern war das Kostüm dann fast schon eine Wohltat, weil’s gar nicht so warm war an dem Tag. Der Dreh selbst hat uns allen wahnsinnig viel Spaß gemacht! Es war schön zu sehen, wie die Ideen auf dem Papier Stück für Stück realisiert worden sind. Die Tatsache, dass wir alles in Eigenregie gedreht und zusammengeschnitten haben, macht uns dann doch ein bisschen stolz (lacht).
„Wir gehen so auf die Bühne, als würden wir in den Biergarten gehen“
Bei Eurem Stück ‚Äh Entschuldigung‘ geht’s um die Angst eine wunderschöne Frau anzusprechen. Seid Ihr privat auch so schüchtern?
Philipp: Jeder ist doch ein bisschen schüchtern. Wobei man sagen muss, dass der Weg ja gewissermaßen das Ziel ist. Insofern macht es die Figur in dem Song richtig die Frau überhaupt anzusprechen. Was man dabei sagt, ist doch sekundär (lacht).
Sind Eure Texte ausschließlich witziger Natur – oder versucht Ihr auch sozialkritisch zu sein?
Philipp: In ‚Wunderbare Welt‘ hinterfragen wir den Sinn unserer Wohlstandsgesellschaft. Wir wollen die Leute zum Nachdenken anregen, in welcher Umgebung sie leben und bewusst ihre Wahrnehmung auf diejenigen Dinge lenken, die ihnen als selbstverständlich erscheinen. Im Fokus der Kreisverkehrt-Texte steht aber – abgesehen von Motiven wie Liebe oder auch Fernweh – häufig eine Portion Witz. Meistens äußert sich das im Scheitern der handelnden Personen. Hoffentlich lässt das nicht auf autobiographische Züge schließen … (lacht)
Auffällig ist, dass keiner von Euch den typischen Rockstar-Style pflegt: keine langen Haare, keine Tattoos – zumindest sehe ich keine -, keine Rocker-Klamotten. Ihr seid eher die „braven“, sympathischen Chorknaben … Braucht Ihr keinen Stilberater?
Philipp: Alle bis auf Roman haben tatsächlich mal in Chören gesungen. Ist das vielleicht der Grund, warum Roman ein Tattoo hat und ein Lippen-Piercing trägt? Jason, da hast Du nicht genau hingesehn … (alle lachen) Aber im Prinzip hast Du schon recht! Wir tragen stylingtechnisch nicht dick auf. Wir gehen so auf die Bühne, als würden wir abends in den Biergarten gehen. Alles andere passt auch nicht zu uns. Aber mal abwarten: Wer weiß, ob wir in einem Jahr nicht in Kreisverkehrt-Uniformen auf der Bühne stehen (lacht).
„Es kann gut sein, dass 2014 unser Jahr werden wird“
Ihr habt beim Smokey Joe Music Award 2013 teilgenommen und ganz knapp den ersten Platz verpasst. Wurmt Euch das?
Philipp: Nein, überhaupt nicht! Der Smokey Joe-Contest in Passau ist eine super Einrichtung und eine Möglichkeit für junge Bands, ihre Musik einem größerem Publikum zu präsentieren. Hinzukommen das wertvolle Feedback der Juroren und der gegenseitige Austausch mit anderen Bands. Durch die Freundschaften fällt es leichter gemeinsame Auftritte zu organisieren.
Anmach-Tipps von Kreisverkehrt: „Äh Entschuldigung … Wo geht’s hier zur Toilette?“
Der Contest war auch wichtig für die Weiterentwicklung von Kreisverkehrt in punkto Bühnenpräsenz: Die Gewinner „Ninjas ate my Parents“ haben uns mit ihrer mitreißenden Show und ihrer Energie auf der Bühne ziemlich beeindruckt. Wir haben uns zu Herzen genommen, in Zukunft noch mehr aufs Publikum zuzugehen. Man lernt also nie aus!
Was dürfen wir von Euch in naher Zukunft erwarten?
Philipp: Ganz oben auf unserer To-Do-Liste steht tatsächlich die Aufnahme einer CD. Wir haben schon viele Male Songs aufgenommen, waren aber nie recht zufrieden damit. Die Qualität vom „Maibam“ ist der Maßstab für die zukünftigen Produktionen. Bevor wir allerdings mit den Aufnehmen beginnen, werden wir wahrscheinlich noch zwei oder drei Nummern schreiben. Sobald wir dann das Album in Händen halten, wollen wir eine kleine Tour durch Bayern und Österreich starten. Es kann also gut sein, dass 2014 unser Jahr wird …
Vielen Dank Philipp und Thomas, dass Ihr Euch Zeit genommen habt. Und viel Erfolg bei Euren anstehenden Auftritten und der CD-Produktion!
Interview: Jason Ditshej