Eggenfelden. Fräulein Weiler geht gern ins Theater. Im Theater an der Rott hat sie diesmal einen außergewöhnlichen Abend erlebt: Ein Tanzprojekt der ganz besonderen Art: Freiwillige Laien, echte Profis, schöner Austro-Pop, eingesungen vom Intendanten Karl M. Sibelius – das ist „Weil i di mag„. Und das ging Fräulein Weiler ganz schön ans Herz …

Die Menschen zusammenbringen. Ich hab’s gespürt, dass sie nicht nur mal eben miteinander tanzen. Die mögen sich wirklich. Fotos: Rupert Rieger
Was hat Karl M. Sibelius da nun wieder angestellt? Die Leute wollte er zusammenbringen, wie aus der Suche nach Freiwilligen vor einigen Monaten und den Vorankündigungen herauszulesen war. Die Menschen zusammenbringen – Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Hautfarbe, Behinderung, Herkunft: alles egal. Und herausgekommen ist dabei ein Abend, bei dem ich nur sagen kann: Ziel erreicht! Sibelius hat die Menschen zusammengebracht. Ich hab’s gespürt, dass sie nicht nur mal eben miteinander tanzen. Die mögen sich. Das Gefühl kam direkt zu mir, schwang sich empor auf den Balkon, von wo aus ich alles gut überblicken konnte.
Und was ist der beste Gefühlsverstärker? Musik. Man kennt sie, die Lieder. Und sie sind doch ganz anders: neu arrangiert und gesungen von Karl M. Sibelius selbst. Er sitzt am Mischpult vor der Bühne, regelt die Lautstärke und singt sogar ein bisschen mit. Begleiten Sie mich nochmal einmal durch diesen Abend …
- A MENSCH MÖCHT I BLEIB’N, Wolfgang Ambros
Die Bühne ist schwarz. Nichts ist da. Hinten öffnet sich die Türe, Licht scheint herein. Der erste Mensch betritt die Bühne. Ein alter Mann mit Hosenträgern. Ihm folgt eine Frau mit dunklem Kurzhaarschnitt. Es werden mehr, mehr… mehr. Alle kommen sie nach vorn, zeigen sich, stellen sich auf. Da sind sie. Über hundert freiwillige Tänzer aus ihrer Heimat.
- MANCHMAL DENK I NO AN DI, Rainhard Fendrich
Sie lösen sich aus der Starre, beginnen zu gehen, erst nur ein paar, dann alle, das Tempo steigert sich mit der Musik, um im nächsten Augenblick wieder zum Standbild zu werden. Was machen sie nur? Sie sind auf der Suche … bis sie den anderen finden.
- DU, DU, DU, Andre Heller
Ein Paartanz ist es, aber keiner, den man kennt. Sie sehen sich in die Augen, weichen Annäherungsversuchen aus, bis sie dann doch vertrauensvoll den Kopf in die Hand des anderen legen, sich durchs Haar streicheln lassen und ekstatisch zucken, wie von kleinen Stromstößen gepeitscht.
- FEUER, Kurt Ostbahn
Das Zucken geht weiter. Die Scheinwerfer tauchen die Tänzer in rotes Licht – Feuer, Kurt Ostbahns sympathisches Cover von Bruce Springsteens „Fire“. Sexy ist das auch oder vor allem? auf Österreichisch. Die Bewegungen werden immer ausladender, bis alle orgiastisch springen und schreien. Lustschreie? Freudenschreie? Alles miteinander.
- JEANNY, Falco
Die Frauen verschwinden, die Männer bleiben. Das Licht ist gedämpft. Wie Elfen wirbeln die drei Mädchen herum, die Jeannys. Sie schmiegen sich an die Männer, die breitbeinig dastehen, nicht reagieren. Das Verführerische schlägt um in Bedrohung, als sich die Männer nähern, die Jeannys umzingeln, bis sie kreischen und vom starken Geschlecht von der Bühne geschleift werden.
- KOPF IN SAND, Arik Brauer
Da sind sie wieder, die Frauen. Sie haben nichts gesehen. Sie spüren, hören, sehen, riechen nichts, wie die drei Affen höchstpersönlich, schauen nach links und rechts, bedecken ihre Augen und Ohren. Das Lied schnackelt rhythmisch, die Männer wetzen durch die Reihen, lustig ist das anzuschauen, ich wippe mit, der ernste Text versteckt sich hinter der fröhlichen Melodie.
- MORGEN, EAV
Jetzt wird gesoffen. „Der Sodbrand ist enorm.“ Die Männer feiern Party. „Die Hypophyse spielt das Lied vom Tod.“ Und da torkelt sie herein, die großartige Solistin, schnappt sich den Hut eines Kerls und die Flasche – Protest – und tanzt geschmeidig betrunken über die Bühne. Hinten saufen die Männer und schauen der Betrunkenen anzüglich und angewidert zu.
- RUAF MI NED AN, Georg Danzer
Was jetzt kommt – ich weiß, Sie warten eh schon drauf – schafft es, mir die Tränen hervorzukitzeln. Ein Kerl in Lederhose hat verspielt, er geht fix und fertig an den Bühnenrand. Sie hat einen neuen, mit dem sie einen so herrlich ergänzenden Liebestanz tanzt. Im Walzertakt, mit ihren hübschen glänzenden Haaren und dem ebenso glänzenden Seidenhemdchen, er nur mit weißer Hose. Diese Wehmut, diese Sehnsucht, diese freudige Einigkeit berühren mein Herz aufs Äußerste, vor allem dann, als der Gesang verstummt und da nur noch Rhythmus ist.
- MACHO, MACHO, Rainhard Fendrich
Kaum habe ich mir die letzten Rührungstränchen aus dem Gesicht gewischt, kommen schon beinahe neue hinzu – Lachtränchen allerdings. Und ich denke mir wieder – ja, so ist das Leben, auf geht’s, her damit mit der ganzen Gefühlspalette, immer und immer wieder. Glück und Leid und Herzschmerz und Freud. Die Machos! Die Laienmänner in all ihrer Vielfalt. Alt und jung, schwarz und weiß, Sixpackbauch und Fasslbauch. Duellieren sich vollends sympathisch, mit sich selbst und den Profis, voller Selbstbewusstsein. Da, der Südländer mit den Zöpfen neben dem Mittvierziger mit Klapperl und kurzer Hose. Köstlich! Zwei Breakdancer geben eine Einlage, bei der die Augen kaum mitkommen. Stille. Ein lautes Stampfen. Der Spanier. Scharrt mit dem Fuß wie ein wilder Stier und klöppelt einen heftigen Flamenco aufs Parkett, schaut sich immer wieder nach den Machos um, nur um sich zu vergewissern, dass er der Größte ist. Er dampft ab und die Machos gehen lässig nach vorn, posen sexy weiter und sind sich gewiss: Sie sind begehrenswert – und liebenswert. Ein jeder so, wie er ist.
- HERBERT, Ludwig Hirsch
Einer im Anzug bleibt, steht mit dem Rücken zum Publikum. Die anderen verziehen sich nach hinten. Noch einer kommt hinzu. Nackter Oberkörper, enge lila Boxershorts, Lippenstift, sonst nichts. Die anderen schneiden ihn, wenden sich ab. Er lässt sich nicht beirren und tanzt seinen Ausdruckstanz, bewegt sich auf den Mann zu, küsst ihn wild und wütend und trotzig. Der Gesang verstummt, Bässe dröhnen und die beiden beginnen einen wütenden Tanz, bis der Mann im Anzug am Boden liegt, schmerzhaft getroffen und die anderen dem lila Höschen nachrennen, um ihn zu kriegen.
- DU ENTSCHULDIGE, I KENN DI, Peter Cornelius
Und da schlagen Wut und Hass in Liebe und Verzauberung um. Ein alter Mann begegnet einer alten Frau. Ein junger Mann begegnet einer jungen Frau. Kennen sie sich nicht? Doch… Wie freuen sie sich da! Das alte Paar beginnt sich langsamen zu wiegen, das junge Paar wirbelt lebendig und freudvoll drauflos. Push it! Im Hintergrund viele Paare, die synchron einen herrlichen Herzenstanz aufführen. Da ist Liebe, da ist Leben, da ist Zärtlichkeit, da ist Berührung, die so tief geht, wie wir uns es doch alle wünschen.
- GROßVATER, STS
Die Liebe bleibt. Der alte Mann auch. Er ist der Großvater, wandert an den hinteren Bühnenrand. Die Jugend erobert die Bühne, ist so dermaßen vital, so voller Leben, noch so viel vor, noch so viel Zeit. Die Zeit mit dem ersten Freund, dem Großvater, ist aber vorbei, der kann nicht mal eben runterkommen auf einen schnellen Kaffee. Die Mädels springen und spinnen, die Breakdancer schleudern ihre Beine, rotieren auf Schultern und Köpfen. Sie halten inne, schauen zum Großvater, sind traurig, vermissen ihn, gehen langsam nach hinten und führen ihn hinaus.
- FÜR IMMER JUNG, Andre Heller
Forever young? Ja, das geht nicht, gell. Jetzt kommen wieder alle, alle auf die Bühne, sie füllt sich mit Menschen, die sich freundlich begegnen. Die jetzt einzeln nach vorne kommen und wie eine Fürbitte aufsagen, warum sie dabei sind. Weil sie sich trauen, weil sie die Einsamkeit nach dem Tod des Mannes überwinden wollen, weil sie den Leuten Freude bereiten wollen, weil sie neue Menschen kennenlernen wollen, weil sie nicht nur auf der Couch pflacken wollen.
- LONELY BOY, Hans Krankl
Nach dieser ganz persönlichen Vorstellungsrunde hüpft dieser lonely boy auf die Bühne und er wirkt so drollig, dass es trotz der Komik fast ein wenig traurig ist, wie seine Kontaktversuche scheitern. Immer wieder versucht er‘s, fordert zum Tanz auf, schleift eine Frau am Fuß über die Bühne, schnappt sich eine Rollstuhlfahrerin – aber „koana mog mi“. Bis dann doch alle schnippend zu „Hey ya“ hinter ihm herstapfen.
- SAMUREI, EAV
Im Handumdrehen hat sich die Schar neu formiert. Die Frauen reihen sich auf und beginnen lockere Tai-Chi-Übungen, während sich die Männer in der Mitte paschagleich auf dem Boden liegend versammeln, um eine Geisha zu bewundern und sie schließlich auf Händen tragen.
- KOMM, ZIEH DICH AUS, Georg Danzer
Was nun passiert, ist eine Überraschung. Und ein optischer Genuss. Die Menschen wandern umher, scheinen zu schwitzen. Langsam beginnen sie sich auszuziehen. „Ich will dich nackt sehn…“ Die Scheinwerfer tauchen sie langsam in Schwarzlicht, lassen die weiße Unterwäsche blau leuchten. Sie tanzen umher, schwingen die Kleidung herum und haben sichtlich Freude.
- MENSCHEN SAMMA ALLE, Josef Hader
Das Licht geht an, sie erstarren. Schonungslos sehe ich ihre Haut, ihre Gesichter, die Nicht-Perfektion, auch schöne Figuren, flache Bäuche, blaue Flecken, Menschen einfach. Der Text ist unglaublich komisch, manchen entwischt ein Lächeln, sie schauen ins Publikum, schauen mich an und ich mag sie. Da gehört was dazu. Sie ziehen sich langsam an, gehen zusammen und umarmen sich im Kreis. Sie alle miteinander.
„Weil i di mag“ nehm‘ ich wieder mal mit nach Hause – es klingt nach
Es ist die Menge an Leuten, die Eindruck schinden, die ein großes Gefühl transportieren. Es ist die Musik, die dieses Gefühl verstärkt. Es sind die professionellen Tänzer, die mit ihrer Geschmeidigkeit, ihrem Ausdruck, dieses besondere Stück rund machen. „Weil i di mag“ nehm‘ ich wieder mal mit nach Hause. Für eine Melodie allein kann ich mich nicht entscheiden. Hauptsache, es klingt nach. Und das tut es.
Wollen auch Sie das Weil-i-di-mag-Gefühl spüren? Dann machen Sie mit, schreiben Sie eine E-Mail mit Ihrem Namen und Ihrer Telefonnummer an info@hogn.de und gewinnen Sie mit ein wenig Glück 2×2 Karten für Samstag, den 1. Juni, 19.30 Uhr am Theater an der Rott.
Ihr Fräulein Weiler