Aussterbendes Handwerk? Das hat nicht immer mit Handwerksmuseum und Bayerwald zu tun. Vielmehr: Ein Mehrgenerationenhaus des Rock mit Heimleiter Dave Grohl? Hell, Yeah!
Jeden zusammentrommeln, der dort unsterbliche Musik geschaffen hat
Selbst wer sich schon länger dem gepflegten Rock gewidmet hat, wird wohl auf den ersten Zuruf mit dem Namen „Sound City“ nicht viel anfangen können. Das ändert sich schlagartig, wenn man nur mal folgende Namen in den Raum wirft: Foo Fighters, Fleetwood Mac, Nine Inch Nails, Paul McCartney, Queens of the Stone Age, Stone Sour, Cheap Trick, Rage Against the Machine, Nirvana. Und das war nur der Anfang …
Schon klingeln Anhängern der Stromgitarrenmusik aller Altersgruppen die Ohren – was haben diese Legenden gemeinsam? Kurioserweise ein abgewracktes Studio in Los Angeles, das mittlerweile der Schließung nicht mehr entkommen konnte. „Sound City“ war unter Insidern berühmt für seine gute Akustik (die Wände wurden angeblich aus diesem Grund seit Jahren nicht mehr gestrichen), vor allem aber für seinen massiven Drum-Sound.
Dave Grohl, Tausendsassa des Rock (Nirvana, Foo Fighters) und wohl sympathischster, ewig-junger Strahlemann aller Zeiten, nutzt seine zahlreichen Freundschaften, um sich einen Traum zu erfüllen: als Abschiedsgeschenk an das liebgewonnene Studio einfach mal jeden zusammentrommeln, der dort unsterbliche Musik geschaffen hat. Dazu schnappte sich Dave das schön altmodische Mischpult der Marke „Neve“ aus dem Bestand des aufgelösten Studios – und lud die Kollegen in sein Heimstudio ein. Der Soundtrack zum preisgekrönten Dokumentarfilm (unbedingt ansehen!) erfüllt erfreulicherweise nicht das übliche „Wir-spielen-einfach-mal-abgedroschene-Cover-oder-alte-Hits-neu-ein-Das-macht-schließlich-am-wenigsten-Aufwand-und-verkauft-auch-viele-Platten“-Schema.
Altmodische Technik und altehrwürdiges Handwerk = grandiose Musik
Nein, Dave und Co. zeigen, dass man mit altmodischer Technik und altehrwürigem Handwerk (analog von Anfang bis Schluss, ohne großes Schnippeln am Mac) grandiose Musik schaffen kann. Dabei ist die oft publizierte Reunion der verbliebenen Nirvana-Mitglieder Grohl, Novoselic und Smear mit Paul McCartney nicht mal der Höhepunkt – insbesondere das spannende Zusammenspiel der Generationen (famos: Stevie Nicks / Fleetwood Mac bei “You Can’t Fix This”, kraftvoll: Rick Springfield bei „The man that never was„) überzeugt.
Schwächen sind kaum auszumachen, höchstens bei der Punk-Rock-Nummer „Your Wife is Calling“ würde man sich vielleicht Lemmy von Motorhead statt dem etwas schrulligen Lee Ving wünschen. Schwerpunkt ist das Zusammenspiel der jahrelangen Kumpanen Grohl, Homme (Queens of the Stone Age) und Reznor (Nine Inch Nails). Der Abschlusssong “Mantra” vereint diese drei unbestrittenen Größen des Alternative-Rock in einem fast achtminütigen Rock-Monument, das sich niemand entgehen lassen sollte. Knackige Rhythmus-Abteilungen (Rage against the Machine’s Groove lebt bei “Time Slowing Down”) und der auch in ruhigen Moment überzeugende Corey Taylor (Slipknot, Stone Sour) runden das Bild ab.
Danke Dave, dass deine Leidenschaft fürs alte Handwerk uns einen so großen Wurf beschert hat – Pflichtkauf, nicht nur für Freunde der Schnupftabakmacher im Landkreis Freyung-Grafenau!
Josef Massinger