Hohenlinden/München. Viele Fußballfans schwärmen noch heute von der Bayern-Mannschaft der 70er-Jahre. Mit der Achse Sepp Maier/Franz Beckenbauer/Gerd Müller waren die Roten damals die beste Mannschaft Europas. Auch die deutsche Nationalmannschaft profitierte von dieser „Goldenen Generation“ – der EM-Titel 1972 und der Sieg bei der Heim-Weltmeisterschaft 1974 waren die logische Konsequenz. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ spricht der ehemalige Weltklasse-Torwart Sepp Maier über die damalige Zeit, über sein bitteres Karriere-Ende und über seine bayerische Heimat. Wie schon zu seiner aktiven Laufbahn überzeugt der 69-Jährige aus Hohenlinden (Lkr. Ebersberg) dabei mit viel Witz, Bodenständigkeit und Ehrlichkeit.
„Die Verdienstmöglichkeiten sind jetzt reizvoller als damals“
Herr Maier, wie geht es Ihrem „prämierten“ Hund Batzenhofer?
Den gibt es leider nicht mehr, wir mussten ihn im November einschläfern lassen (traurig). Vorerst wird es auch keinen Nachfolger geben.
Apropos Tiere: Früher hatten Bundesliga-Kicker Spitznamen wie „Bulle“ oder, wie Sie, „Katze von Anzing“. Heute heißen sie „Super-Mario“ oder „Aleinikov“. War früher alles besser in der Fußball-Welt?
Es war sicher eine schöne Zeit damals – ob sie wirklich besser war, sei aber mal dahingestellt. Die Verdienstmöglichkeiten sind beispielsweise jetzt reizvoller als zu meiner Zeit. Aber das bringt die Entwicklung des Sports einfach mit sich.
Was würden die Medien heute schreiben, wenn ein Torwart während einer Partie einer Ente hinterherspringt, die im Stadion gelandet ist?
Da würde heute sicher mehr Theater gemacht werden als bei mir damals (lacht).
Kommt der Spaß in der heutigen Fußball-Welt zu kurz?
Mittlerweile steckt hinter dem Fußball ein Milliarden-Geschäft. Da ist es fast selbstverständlich, dass da mehr Ernsthaftigkeit gefragt ist.
Sind Sie noch ab und zu im Stadion anzutreffen?
Nein, eigentlich nicht mehr. Ich bin ja 50 Jahre im Stadion gewesen – das brauche ich jetzt nicht mehr. Allerdings verfolge ich nach wie vor im Fernsehen das Sportgeschehen, vor allem natürlich den FC Bayern.
„Bei den Bayern läuft es momentan einfach“
Die Entwicklung der Roten ist ja erfreulich.
Ich weiß nicht, ob die anderen so schwach sind oder die Bayern so stark (lacht). Nein, im Ernst. Bei den Münchenern läuft es momentan einfach. Wenn man Deutscher Meister werden möchte, braucht man einen Lauf und Glück – das haben sie.
Könnten sich die Bayern heute überhaupt den damaligen Weltklasse-Torwart Sepp Maier leisten?
Ich wüsste ja gar nicht, was ich verlangen müsste (lacht).
Keeper wurden Sie ja relativ spät, vorher waren Sie Mittelstürmer. Hätte es auch als Torjäger mit der Profi-Karriere geklappt?
Da war ich schon ganz gut (stolz). In den Schüler-Mannschaften war ich ein großes Sturm-Talent. Irgendwann hat mich dann einer ins Tor gestellt. Aber es ist schon richtig gelaufen so…
Nicht nur für seine Paraden bekannt – Sepp Maier war auch für Späße immer zu haben
Wie sind Sie denn eigentlich Torwart geworden?
Unser etatmäßiger Torhüter Ludwig Göschl beim TSV Haar hatte sich an der Hand verletzt – dann haben sie mich einfach zwischen die Pfosten gestellt. Schon vorher bin ich im Training manchmal zur Gaudi im Kasten gestanden – und habe immer super gehalten. Ich war ja früher auch Turner und daher sehr gelenkig, das ist mir im Tor zugute gekommen. Im Pokalspiel gegen die zweite Jugend des FC Bayern habe ich dann eine starke Leistung gezeigt.
Der Anfang Ihrer Karriere quasi.
(lacht) Ja, so kann man es sagen. Wir haben zwar 10:2 verloren, dennoch hat der Bayern-Coach bei unserem Trainer wegen mir angefragt. Ein anderer Lehrling bei den Wanderer-Werken, wo ich damals als Maschinenschlosser gearbeitet habe, hat mich dann überredet mit 15 zu den Bayern zu wechseln.
„Unglücklich verlief mein Karriere-Ende – mit dem Autounfall“
Haben Sie von da an gleich mit Franz Beckenbauer, Gerd Müller & Co. zusammen gespielt?
Der Franz ist ja ein Jahr jünger als ich, der ist später dazugekommen. Der Gerd hat gar nicht in der Bayern-Jugend gespielt, der ist erst mit 18 Jahren nach München gegangen.
Weltmeister, Europameister, Europapokal der Landesmeister, Deutscher Meister, Deutscher Pokalsieger, Weltpokalsieger – Sie haben so ziemlich alle Titel gewonnen, die man gewinnen kann. Sind Sie zufrieden mit Ihrer Karriere?
Wenn ich zurückblicke, gibt es eigentlich nichts, was gefehlt hat (lacht). Etwas unglücklich verlief mein Karriere-Ende – mit dem blöden Autounfall. Eigentlich wollte ich noch die EM 1980 und die WM 1982 spielen …
Wie ist der Unfall an jenem 14. Juli 1979 geschehen?
Bei Aquaplaning bin ich ins Schleudern gekommen und in einen anderen Mercedes gekracht. Ich war ein bisschen zu schnell unterwegs – oder Petrus hat es ein bisschen zu stark regnen lassen (lacht). Damals war ich schwer verletzt, ich hatte einen Lungenriss und einige andere innere Verletzungen. Aber das haben die Ärzte wieder gut hinbekommen …
Trotz des unglücklichen Karriere-Endes haben Sie Ihren Humor niemals verloren.
Ja, ich hab jeden Tag einen paar Späße gemacht (lacht). Aber die Zeiten haben sich geändert. Bei den ganzen Komik-Sachen heute im Fernsehen kann ich gar nicht mehr lachen. Früher machten wir immer situationsbezogene Witze, sowas darf nicht gekünstelt sein – Emil Steinberger kann das recht gut.
„Wir haben das Glück, in Bayern wohnen zu dürfen“
Sie haben immer Dialekt gesprochen, Weißbier getrunken und geschnupft. Woher kommt der Patriotismus?
Das hat man einfach (schmunzelt). Wir haben das Glück in Bayern wohnen zu dürfen – ich kenne kein schöneres Land. Wenn man so viel unterwegs war wie ich, ist man immer wieder froh, in seiner Heimat zu sein. Wenn ich mit Preiß’n rede, reiße ich mich dann aber schon zusammen (lacht).
Welche Verbindungen haben Sie noch zu ihrer niederbayerischen Heimat Metten?
Mein Cousin wohnt noch dort, meine Tante ist erst kürzlich gestorben. Meine Mutter Maria Wimbauer hatte dort sieben Geschwister – und in Niederbayern wird ja die Familie groß geschrieben. Mit meinem Bruder bin ich in meiner Kindheit oft zur Oma gefahren, das war immer lustig.
Themawechsel: Schon während ihrer Karriere haben Sie immer wieder an den Torwarthandschuhen getüftelt. Wie kam es dazu?
Man darf im Leben nie auf irgendwas sitzenbleiben. Im Gegenteil. Man soll immer wieder was Neues kreieren und ausprobieren. Früher hat man noch ohne Torwarthandschuhe gespielt, später – vor allem wenn es nass war – hat man Wollhandschuhe getragen. Das war aber nicht das Beste (lacht). Wenn wir in England gespielt haben, hab ich mir in Sportgeschäften Torwarthandschuhe gekauft – an denen habe ich ein bisschen rumprobiert (lacht).
„Anfangs haben alle den Kopf geschüttelt – später nicht mehr“
Kreativ waren Sie auch immer schon als Torwart-Trainer.
Ein Torwart-Training darf nie langweilig sein. Ich hab mir Gedanken gemacht, wie man es abwechslungsreicher Gestalten kann. Anfangs haben alle den Kopf geschüttelt, wenn sie meine neuen Übungen gesehen haben – später waren alle begeistert (lacht).
Was braucht ein Keeper, um ein herausragender Torwart zu werden?
Eine gute Mannschaft (lacht). Man muss national und international glänzen können – auch viele Spiele gewinnen und Endspiele erreichen.
Muss ein Torhüter wirklich den berühmten „Vogel“ haben?
Verrückt sind sie alle (schmunzelt). Ja, ein guter Torwart muss einen Schuss haben. Die Torhüter sind meistens innerhalb der Mannschaft eine kleine Truppe, die auch gesondert trainiert – irgendwie sind wir Eigenbrödler.
Unvergessen – Sepp Maier spielte im Kult-Film „Wenn Ludwigs ins Manöver zieht“ mit
Wollten Sie nach ihrer aktiven Karriere gleich Trainer werden?
Als Jean-Marie Pfaff zu den Bayern gewechselt ist, hat er mich gefragt, ob ich ihn trainieren möchte. Anfangs bin ich immer sporadisch nach München gefahren, wenn mich der Pfaff angerufen hat. 1987 bin ich auch noch unter Franz Beckerbauer Nationaltorwart-Trainer geworden.
Wette mit Bierhoff: „Zuerst sägt’s mich ab, dann den Kahn!“
Unter Jürgen Klinsmann endete Ihre DFB-Zeit. Warum eigentlich?
Wir waren uns im Torwart-Zweikampf Kahn/Lehmann nicht einig. Wenn man die Wahrheit sagt, eckt man meistens an. Ein Jahr vor der WM wollten sie unbedingt Lehmann ins Tor drücken, obwohl Jens nie die Klasse von Kahn hatte. Bierhoff, Klinsmann und Lehmann hatten auch alle drei den gleichen Manager – da tut man sich dann sehr schwer (überlegt). Bei einem Länderspiel in Teheran habe ich zu Bierhoff gesagt: ‚Zuerst sägt’s mich ab, dann den Kahn!‘. Bierhoff hat dann nur gelacht. Ich wollte um 100.000 Euro wetten, dass es so kommt – er nicht …
Ein unehrenhaftes Ende beim DFB.
Nein, nein. Für mich war es nicht unehrenhaft, höchstens für Klinsmann und Bierhoff. Sie sind ja bei der Heim-WM nur Dritter geworden – das ist kein Erfolg. Wir waren kein Sommermärchen, wir waren Weltmeister.
2008 hörten Sie dann auch beim FC Bayern München auf.
Ja, da war ich schon 64 Jahre alt – und irgendwann muss man einfach aufhören. Das war alles mit Uli Hoeneß abgesprochen: Ich habe gemeinsam mit Oliver Kahn meine Karriere beendet.
Seitdem sind Sie nur noch auf dem Tennisplatz aktiv. Ihre neue Leidenschaft?
Früher war Tennis neben Fußball die Nummer zwei. Nach meiner aktiven Karriere war ich dann richtig gierig darauf. Ich war immerhin viermal Deutscher Meister der Jung-Senioren mit dem TC Hasenbergl (stolz).
„Die sollen lieber an die frische Luft!“
Der „TC Sepp Maier“ ist also die logische Konsequenz?
Dieser Verein ist hauptsächlich für Jugendspieler gegründet worden, die dort gefördert werden.
Wie beurteilen Sie die Situation des Tennissports‘?
Die Sportart ist auf dem absteigenden Ast, das merkt man an den Buchungen der Tennisplätze. Im Winter läuft es gut, im Sommer ist es eine Katastrophe. Keine Ahnung, wo die Leute da sind. Ich glaube, die Jungen wollen sich nicht mehr schinden. Die meisten wollen nur Computer und des ganze Graffe … die sollen lieber an die frische Luft gehen (mit Nachdruck).
Herr Maier, vielen Dank für das kurzweilige Gespräch – und weiterhin alles Gute.
Interview: Helmut Weigerstorfer
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Das verbindet Torwart-Legende Sepp Maier mit folgenden Namen …
- Zlatko „Cik“ Tschaikowsky
Unser kleiner Cik war ein super Trainer, er war einer von uns – praktisch der zwölfte Spieler.
- Frank Beckenbauer
Die Lichtgestalt hat sehr viel vollbracht. Der Franz sagt zwar immer: ‚Nein, das mach ich nicht‘ – irgendwie macht er es aber dann doch. Und sehr erfolgreich.
- Tim Wiese
Ich hatte ihn schon in der U19-Auswahl beim DFB. Seitdem weiß ich, dass er ein super Torwart ist. Er hat aber aus seinem Talent zu wenig gemacht. Für mich ist er ein Spinner.
- Manuel Neuer
Manuel wird – ja er wird – ein Weltklasse-Torwart werden. Ein talentierter, guter Mann, der aber erst einmal internationale Titel holen muss.
- Pep Guardiola
Unser neuer Trainer (lacht). Ein sehr angenehmer Typ. In Bayern braucht man einen Sympathie-Träger, keinen wie van Gaal, der zum Lachen in den Keller geht.
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