Freyung-Grafenau. Der Tod ist ein ständiger Begleiter – und doch auch wieder nicht. Denn den Gedanken an die eigene Sterblichkeit verdrängen wir am liebsten. Damit geht auch das „Nicht-sehen-wollen“ und die Auslagerung von Tod und Sterben aus unserer Gesellschaft einher. Der Hospizverein im Landkreis Freyung-Grafenau e.V. geht einen anderen Weg.

„Wir wollen dazu beitragen, dass Tod und Sterben als Teil des Lebens ihren normalen Platz einnehmen und nicht verdrängt werden müssen“, sagt Silvia Wagner-Meier, die hauptamtliche Koordinatorin des Hospizvereins. Seit zwölf Jahren begleitet dieser Schwerstkranke, Sterbende und deren Angehörige. Was der Verein macht, warum das so wichtig ist – und wieso man sich bereits in jungen Jahren über eine Patientenverfügung Gedanken machen sollte, darüber spricht Wagner-Meier.
„Der Hospizverein will ein würdevolles Sterben zu Hause ermöglichen“
Frau Wagner-Meier, warum wurde der Hospizverein gegründet?
Wir wollen, dass Menschen in ihrer letzten Lebensphase ein begleitetes Abschiednehmen ermöglicht wird. Ihnen soll ein würdevolles, individuelles und möglichst schmerzfreies Sterben zu Hause oder in einer vertrauten Umgebung ermöglicht werden. Wir wollen die Würde des Sterbenden bewahren helfen. Wir besuchen Schwerstkranke und ihre Angehörigen und nehmen uns Zeit für Gespräche. Wir stellen ehrenamtliche Begleiter an deren Seite, die sich Zeit nehmen, dem Kranken und den Angehörigen beizustehen, wenn Unterstützung gebraucht wird. Dazu ergänzen wir die Fürsorge der Angehörigen und wollen sie dadurch entlasten. Wir arbeiten unabhängig von Konfession und Weltanschauung – und sind dennoch den Grundsätzen der christlichen Nächstenliebe verpflichtet.

Neben der Arbeit mit den Kranken ist es uns auch ein Anliegen, den Hospizgedanken in die Öffentlichkeit zu tragen und ein Bewusstsein für begleitetes Sterben zu fördern. Außerdem sind wir Partner der Palliativstation im Krankenhaus Waldkirchen und arbeiten mit allen Pflegediensten, Altenheimen, Kliniken und niedergelassenen Ärzten im Landkreis zusammen.
Wer kann die Hilfe des Hospizvereins in Anspruch nehmen?
Der Hospizverein ist für alle Bürger aus Freyung-Grafenau und Umgebung da. Er ist Teil des sozialen Netzes. Unsere Hilfe steht jedem offen und ist kostenfrei. Wir unterliegen selbstverständlich der Schweigepflicht. Ansprechpartnerin bin ich – als hauptamtliche Koordinatorin.
Wer kann denn Hospizbegleiter werden?
Jeder, der seine Fähigkeiten bei der Begleitung Schwerstkranker auf deren letztem Lebensweg ehrenamtlich schulen will, kann sich zum Hospizbegleiter ausbilden lassen. Die Sterbebegleiter kommen aus den unterschiedlichsten Lebens- und Arbeitsbereichen und bringen Engagement und Lebenserfahrung mit – unabhängig von Alter, Beruf und Geschlecht.
„Das Sterben verlagert sich auf Altenheime und Krankenhäuser“
Wie wichtig ist ein Hospizverein?
Aufgrund des gesellschaftlichen Wandels ist es oft nicht mehr möglich, zu Hause bis zuletzt würdevoll zu leben. Das Sterben verlagert sich immer mehr auf Alten- und Pflegeheime sowie auf Krankenhäuser. Hinzu kommt, dass viele Sterbende keine Angehörigen mehr haben, die sich ausreichend Zeit nehmen können, um dem Kranken beizustehen. Deshalb besuchen wir Schwerstkranke, nehmen uns Zeit für Gespräche, hören ihnen zu. Wir sind ein gemeinnütziger Verein, der alles fördert, was Menschen ein möglichst schmerzfreies Sterben im persönlichen Umfeld ermöglicht. Wir sind aber auch Ratgeber bei der Suche nach kompetenter Hilfe bezüglich Pflege, Versorgung, Seelsorge und Trauerbegleitung.
Was glauben Sie: Will die heutige Gesellschaft mit dem Sterben nichts mehr zu tun haben?
Wir wollen die Tatsache, dass Sterben ein Teil des Lebens ist, mehr in das Bewusstsein der Menschen rücken und zu einer Enttabuisierung beitragen. Wir wollen Mut machen, den Tod als wesentlichen Teil des Lebens anzunehmen. Unsere, in einer längeren Ausbildung erworbenen Fertigkeiten im angstfreien Umgang mit der letzten Phase des Lebens, wollen wir auch an andere weitergeben. Durch die Öffentlichkeitsarbeit in Form von Info-Veranstaltungen und Zusammenarbeit mit verschiedenen Schulen wollen wir erreichen, dass der Tod nicht verdrängt werden muss.
„Auch in jungen Jahren ist man vor Krankheit oder Unfällen nicht gefeit“
Beratung in Sachen Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung. Was legt man denn damit fest?

In einer Patientenverfügung halten Sie schriftlich Ihren Willen und Ihre Behandlungswünsche sowie diagnostische und therapeutische Maßnahmen fest für den Fall, dass Sie diese nicht mehr selbst äußern können.
Die Vorsorgevollmacht ist notwendig, wenn man seinen Willen nicht mehr äußern kann. Denn auch nächste Angehörige dürfen einen Menschen nur dann vertreten, wenn sie durch eine Vorsorgevollmacht dazu berechtigt wurden. Der Bevollmächtigte muss die Vorstellungen und den Willen des Vollmachtgebers kennen. Mit der Ausstellung einer Vollmacht wird auch einem gerichtlichen Betreuungsverfahren vorgebeugt.
Für den Fall, dass eine gesetzliche Betreuung angeordnet wird, hat man durch die Betreuungsverfügung die Möglichkeit, eine oder mehrere Personen als Betreuer vorzuschlagen. Das Betreuungsgericht wird diese Vorschläge dann berücksichtigen.
Wenn man jung ist, denkt man an so etwas nicht – wie wichtig ist es trotzdem, dass man sich auch schon in jungen Jahren mit diesem Thema auseinandersetzt?
Es ist wichtig, weil man auch in jungen Jahren vor Krankheit, Unfällen oder einer möglichen Notsituation nicht gefeit ist. Deshalb sollte man sich frühzeitig mit aufkommenden Ängsten, Hoffnungen, Wünschen und Erwartungen befassen. Um der Ratlosigkeit vorzubeugen, sollten sich auch junge Menschen mit dieser Thematik befassen und eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht erstellen.
„Prognosen über das Sterben werden nie hundertprozentig sein können“
Zu welchen Problemen kann es kommen, wenn dies nicht geklärt ist?
Wenn keine Patientenverfügung erstellt wurde, ist es für die Behandelnden und die Angehörigen beziehungsweise die Vertrauenspersonen sehr schwer, den mutmaßlichen Willen des Betroffenen nachzuvollziehen. Überforderung, Rat- und Hilflosigkeit sind die Folge.
Der Palliativmediziner Matthias Thöns will Leben nicht um jeden Preis verlängern:
Der selbstbestimmte Wille: Kann jemand wirklich schon vorher sagen, was er im Falle seines bevorstehenden Todes möchte?
Natürlich ist es sehr schwer, sich in diese Situation hineinzudenken. In gesunden und unbeschwerten Tagen fällt es womöglich leichter, sich mit dem Thema zu beschäftigen, seine Wünsche schriftlich festzuhalten und einen gewissen Rahmen hierfür zu schaffen. Selbstverständlich ist es aber jederzeit möglich, seine Verfügungen abzuändern oder sie insgesamt zu widerrufen.
Kann man medizinisch immer hundertprozentig sagen: Jetzt bringt alles nichts mehr, wir schalten die Geräte ab oder geben keine Medikamente mehr?
Einschätzungen und Prognosen über Leben und Sterben werden niemals hundertprozentig sein können. Es kann immer Wendungen geben, die nicht vorhersehbar sind.
Frau Silvia Wagner-Meier, vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Dike Attenbrunner
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–> Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des Hospizvereins Freyung-Grafenau e.V.
Diese Leute sind Gold wert, erst wenn man mal in der Lage war und ein Familienmitglied betroffen ist, weiß man erst was diese Menschen leisten….Höchste Anerkennung!!