„Singa“ heißt das zweite Album von Karin Rabhansl, seit „Mogst schmusn, mia wad’s wurscht“ hat sich einiges getan bei der jungen Trautmannsdorferin, denn: Die Rabhansl gibt’s jetzt mit Band. Außerdem hat sie beim Label F.A.M.E. Recordings, wo namhafte Künstler wie Willy Astor, Schandmaul oder Schmidbauer & Kälberer unter Vertrag stehen, ihren ersten Plattendeal unterschrieben. Es dürfen also zurecht hohe Erwartungen an die neue Platte der Mundart-Popperin gestellt werden. Durch mehrere Auftritte mit LaBrassBanda, Stefan Dettl, Keller Steff und den übrigen Verdächtigen der Neuen Boarischen Welle konnte sie zuletzt eine beachtliche Fangemeinde für sich begeistern.
Einer ihrer bekanntesten Hits: „Arbeitsamt„. Und weil die 26-Jährige kein Blatt vor den Mund nimmt, nennt sie auch konkret die jeweiligen Anlaufstellen im Landkreis Freyung-Grafenau, bei denen sie nie Gehör gefunden hat. „Musiker san asozial““singt sie. Kein Plädoyer also für die Jugend, einen künstlerischen Beruf zu ergreifen.
In welche Sprachecke soll sich der Rabhansl-Zug in Bewegung setzen?
Das Arbeitsamt ist zwar mit drauf auf der aktuellen Scheibe – und doch hat sie es erfolgreich hinter sich gelassen: Mit „Singa“ will Karin Rabhansl nun ein „Pop“-Album im weitesten Sinne präsentieren. Dabei werden alle möglichen Facetten des Rock und Folk sowie sämtliche klassischen Elemente bayerischer Mundart-Liedermacher wie Fredl Fesl oder Hans Söllner abgestreift. Sie will keinen „stilistischen Gemischtwarenladen“ aufziehen. Die Konzentration auf bayerische Lieder soll im Vordergrund stehen, heißt es. Dennoch singt die sympathische Wahl-Nürnbergerin jeden zweiten Song auf Hochdeutsch. Eine nicht ganz nachvollziehbare Tatsache, die sie von bereits etablierten Künstlern des Mundart-Rocks wie Claudia Koreck unterscheidet. Konsequent ist das nicht. Aber vielleicht wissen die Produzenten noch nicht so recht, in welche Sprachecke sich der Rabhansl-Zug in Bewegung setzen soll.
Vielleicht liegt dieser Boarisch-Hochdeutsch-Mix aber auch daran, dass die drei Bandmitglieder aus dem Frankenland stammen: Chris Kilgenstein (Gitarre), Sebastian Braun (Bass) und Matthias Bäuerlein (Schlagzeug) erfreuen mit erfrischendem, soliden und gut gelauntem Zusammenspiel. Auch die ruhigen und eher melancholischen Stücke auf der Scheibe sind gelungen arrangiert und fesseln durch interessante und spannende Akkordfolgen.
Recht lebenslustig und fröhlich geht’s auch gleich beim Opener zur Sache. Fast schon kindisch-naiv und etwas albern mutet der dadaistische Refrain an: „I dad de, dad de, dad de gern wieder seng, weil i dua de, dua de, dua de gern meng.“ Hm … Eigentlich ein schöner Ohrwurm, der die grammatikalischen Schwierigkeiten einiger niederbayerischer Kneipenbesucher etwas verhornalbert. Vorsicht: Bei zu häufigem Hören könnte sich das etwas penetrante „dad-de-dua-de“ ins Gehirn einbrennen! Aua …
Karin Rabhansl erzählt vom Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt
Mit verzerrten, schnörkellosen Gitarren und einer Blues-Harp wünscht sich Rabhansl dann so „cool“ wie der Punker zu sein, den sie hinter der Bühne getroffen hat. Hier kratzt der Song textlich nicht ganz die Kurve – und wirkt ein bisschen „zusammengeschustert“.
Ein richtiger Gänsehaut-Kribbler dagegen: „Ohne mich“. Mit trabendem Beat sowie klaren und vordergründigen Gitarren baut sich dieser sehr persönliche Song bis zum Höhepunkt auf – und dann rockt’s auch hier. Karin erzählt vom Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt. Fremdsein, von zu Hause weg und allein ist sie. Man spürt förmlich, wie sie in dem Song aufgeht. Ein wunderschön poetischer Text. Durch ihre warme Stimme und ihre vokalen Fähigkeiten, eine einzige Silbe über mehrere Töne zu jonglieren, gelingt dies beeindruckend. Ihr improvisierender Gesang zündet aus einem einfach gestrickten Drei-Akkord-Song ein emotionales Gefühlsfeuerwerk. Viel ruhiger wiegt sie einen dann mit dem akustischen Schlummerlied „Schlof ei“ in den Schlaf – inklusive Traumgarantie!
Aber auch Nachdenkliches und Trauriges findet sich auf „Singa“ wieder: Beim mutigen „Wunderwerk“ erzählt sie von einem jungen Mann, dessen Leben durch seine Alkoholsucht zerstört wurde. Leider vermisst man dabei, wie man dem armen Kranken helfen könnte. Aber vielleicht beschreibt der Song auch gerade die Ohnmacht, wie Abhängige immer rasanter in den Teufelskreis hineinrutschen. Auch hier gibt’s Punktabzüge für den rhythmisch nicht ganz gelungenen Text.
Gefahr des Mainstream-Rock ist da – oder will man das sogar?
„Schlimma geht’s imma“ hat die simple Botschaft, dass wir alle „in oana Sach“ gleich sind. Egal wie oder wer – denk dir nichts! Das Leben soll doch Spaß machen. Dem Rocker auf der Scheibe fehlt es ein bisschen an Melodiösität und eingängiger Hookline. Das hat das fröhlich-leichte „Schau da d’Welt a“ dafür umso mehr. Da möchte man doch am besten sofort die Koffer packen und in die Ferne ziehen – und das gleich für längere Zeit. Musikalisch grooved der Song auch in Richtung Südsee. Mathias Kellners Bartion-Chor verleiht dem Sonnentanz auch noch eine herbe afrikanische Note.
Mit dem Titelsong am Ende des Albums blickt Karin dann nochmals mit leiser Gitarre und wehmütiger Stimme in Dankbarkeit auf ihre verstorbene Tante zurück. Ohne sie würde sie heute nicht „singa“.
Als „Mundart-Pop“ bezeichnen Karin Rabhansl und Band den Stil ihrer neuen CD. Genau davon möchte man mehr drauf haben. Denn mit der Hälfte auf Hochdeutsch gesungenen Liedern besteht sonst die Gefahr in den allzu mainstream-tauglichen Rock einer Christina Stürmer abzudriften. Oder will man das vielleicht sogar? Dennoch ist das Album gelungen und „a runde Sach“, wie der gemeine Niederbayer sagt. Es lebt von der Stimme der Freyung-Grafenauerin, der man einfach gerne zuhört. Ihre Töne schweben leicht und geschwungen daher – wie eine Seifenblase. Einfach schön.
Jason Ditshej