„Die Entwicklung von neuen Produkten ist so wichtig wie nie zuvor“
Und wie ist das bei den Firmen? Kommen immer mehr Betriebe bewusst auf den Technologie Campus zu?
Ja, richtig.
Woran liegt das?
Weil unsere Mitarbeiter sehr oft draußen bei den Firmen unterwegs sind – und durch die bisherigen Kooperationen bei den Unternehmen fachlich anerkannt werden. Außerdem sind wir ständig auf der Suche nach neuen Partnern, Ideen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit.
Welche Vorteile bietet der Technologie Campus gegenüber externen Instituten? Gibt es Aufträge, die man so bislang nicht in der Region bearbeiten konnte?
Bevor der Technologie Campus gegründet wurde, gab es in der Tat viele Firmen, die vor allem auf der Suche nach geeigneten Partnern für Entwicklungsaufgaben waren. Weil sie das fachlich selber nicht leisten können oder ihnen dafür einfach die Zeit fehlt. Dabei ist die Entwicklung von neuen oder verbesserten Produkten so wichtig wie nie zuvor, damit die Betriebe der Konkurrenz standhalten können. Früher mussten sie sich nach Entwicklungsbüros in den Ballungsräumen umsehen. Weil wir aber vor Ort sind, ist das ganz klar eine Lücke, die wir schließen.
„Wir sind kein Konkurrent für die Betriebe in der Region“
Stichwort „Entwicklung“: Innovative Produkte sind ausschlaggebend für die Existenz eines Betriebs. Eine „Innovation“ fällt aber meistens nicht einfach so vom Himmel … Kann der Technologie Campus auch den Innovationsfindungsprozess unterstützen?
Dafür haben wir zwei Innovationsmanager hier am TC, die bestimmte Methoden verwenden, mit denen man am Innovationspotenzial arbeiten kann. In erster Linie geht es darum möglichst viele Ideen überhaupt erst einmal zuzulassen – und solche Freiräume nicht als ‚unproduktiv‘ abzustempeln. Innovationsprozesse sind aber nicht nur für die hiesigen Firmen, sondern auch für uns Wissenschaftler unerlässlich, wenn wir langfristig überleben wollen.
Und wie ist das mit der Konkurrenzsituation? Ist der Campus ein Konkurrent für manche Firmen in der Region, die das Gleiche anbieten?
Nein. Wir geben keine Förderungen an die Firmen weiter und verlangen marktübliche Preise. Alles andere wäre auch gar nicht möglich, schließlich werden unsere Finanzen regelmäßig staatlich überprüft. Wir haben aber auch ganz andere Zielsetzungen als eine Firma. Zum einen geht es uns darum, neue Forschungsgebiete aufzubauen und dafür die nötigen Gelder reinzuholen, die diese Arbeit decken. Zum anderen sind wir nicht auf eine Gewinnmaximierung aus, sondern wollen unsere Projekte sicherstellen. Das ist alles andere als eine Marktverzerrung. Es geht in erster Linie darum, dass wir mit der Hochschule eine gewisse Infrastruktur in die Region bringen.
Eine große Nachfrage besteht auch an der Schnittstelle zu den Schulen. Gerade die Nachwuchsarbeit zu fördern, indem man den Kindern frühzeitig zeigt, welche interessanten Berufe die Ingenieur- und Naturwissenschaften bieten, ist eine sehr wichtige Aufgabe. Allerdings muss man leider festhalten, dass uns die nötigen finanziellen Mittel fehlen, um hier wirklich flächendeckend und effektiv Informationspolitik betreiben zu können. Wir können nicht täglich eine Schulklasse nach der anderen durch den Campus führen – oder mit ihnen an Projekten arbeiten. Das ist schade.
Ingenieur- und Naturwissenschaften nach wie vor männerdominiert
Gerade im Hinblick auf die Tatsache, dass naturwissenschaftliche Berufe nach wie vor männerdominiert sind, wäre etwas Werbung nicht schlecht, oder? Oder holen die Frauen auf?
Ich unterrichte an der Hochschule Deggendorf gerade Drittsemester in Informatik – und da sitzen 45 männliche Studenten drin …
Woran liegt das?
Ich glaube, das liegt vor allen Dingen an bestimmten Stereotypen, die produziert werden. Wenn man in die Schulen geht, hört man von den Schülern meist die ewig gleichen Berufswünsche wie Lehramt, Medizin oder BWL. Das liegt ganz einfach daran, dass die Schüler meinen, von diesen Berufsfeldern eine konkrete Vorstellung zu haben. Deshalb ist es wichtig, dass man sich an den Schulen bewusst mit verschiedenen Berufsbildern auseinandersetzt.
Die meisten Leute können nämlich viel mehr als ihnen bewusst ist. Das war bei mir nicht anders: Wenn es nach meinen Interessen gegangen wäre, hätte ich Geschichte oder Archäologie studiert. Glücklicherweise haben sie mich während der Bundeswehrzeit darauf aufmerksam gemacht, dass meine Stärken bei den Naturwissenschaften liegen. Ich verstehe das nicht, da wird immer ein Riesenheckmeck um den Sprung von der Grundschule auf das Gymnasium gemacht – aber nach dem Abschluss an den weiterführenden Schulen werden die Schüler dann anscheinend alleine gelassen. Es gibt keine Auseinandersetzung mit Berufsbildern.
Die Berufsorientierung an den Schulen ist zwischenzeitlich sehr gut. Die Schulen können da aber sicherlich nicht mehr leisten. Das muss ein Thema in den Familien sein und auch die Schüler selbst müssen hier mehr leisten und sich selbst informieren. Und was ich auch nicht mehr hören kann: dass der Beruf eine Art Berufung sein muss. Aus einer Berufung kann man ja schließlich auch ein Hobby machen. Nicht jeder muss Berufsmusiker werden, nur weil er gerne ein Instrument spielt. Die Schüler haben viele Talente und die meisten sind vielseitiger, als sie sich selbst zutrauen. Sie müssen aber kritischer prüfen, welche Berufsbilder dazu passen und was dahintersteckt. Praktika, Tage der offenen Tür oder Gespräche im Bekanntenkreis der Eltern können da schon viel helfen.
Das Gründerzentrum bietet fachlichen Austausch
Stichwort „Gründerzentrum“: ein erfolgreiches Beispiel dafür ist die Firma Technagon. Wie kann der Technologie Campus Start-Ups behilflich sein? Was müssen die Unternehmen dafür finanziell leisten?
Wir stellen Räume und Infrastruktur zur Verfügung, dafür bezahlen die Firmen Miete. Das sind aber sehr flexible Mietverträge, damit die Unternehmen auch ganz unproblematisch wieder ausziehen können, wenn ihnen der Platz zu wenig wird. Allerdings sollten sie schon zu unseren Themengebieten passen. Denn das ist natürlich neben der Infrastruktur der entscheidende Vorteil, den wir hier anbieten: dass man sich ganz leicht mit den Kollegen fachlich austauschen kann.
Wie viele Ausgründungen hat es in den letzten vier Jahren gegeben? Würde man sich hier mehr Zulauf wünschen?
Neben Technagon hat es unter anderem noch eine Solar-Firma und die Ausgründung von „Geodaten-Flug“ gegeben. Wir sind eigentlich recht zufrieden damit, weil langsam aber sicher die ersten Projekte in operative Unternehmen umgesetzt werden.
Steht der Technologie Campus oft zwischen den Stühlen? Immerhin muss er, wie beispielsweise beim Projekt E-Wald, den Anforderungen von Hochschule, Betrieben und kommunalen Wünschen gerecht werden, oder?
Bei E-Wald wurde kürzlich nach vielen Diskussionen eine gemeinsame Lösung erreicht – und natürlich sieht man daran, wie lange es in diesem Fall bis zu einer Einigung gedauert hat, dass es sehr vielfältige Anforderungen, Wünsche und Hoffnungen gibt, die zum Teil ganz einfach nicht realisierbar sind. Die Frage nach Studenten in Freyung war so ein Fall. Ein Studium wie an der Hochschule Deggendorf wird es in Freyung mit Sicherheit nie geben. Das ist nicht sinnvoll und nicht leistbar. Ich sehe die eigentliche Herausforderung aber vielmehr darin, welchen Beitrag wir für die Region leisten können – und nicht in einem ‚zwischen den Stühlen stehen‘.
Der Konkurrenzkampf um Ingenieure und Informatiker ist hart
Und wie sieht dieser Beitrag aus?
Ein Beitrag ist der, dass 70 Prozent unserer Mitarbeiter aus dem Landkreis Freyung-Grafenau oder dem Nachbarlandkreis stammen. Wir bieten den Leuten damit die Möglichkeit, auch in hochtechnologischen Berufen in die Heimat zurückkehren zu können.
Was glauben Sie: Wollen die Leute denn überhaupt zurück in den Bayerischen Wald?
Ja, ich glaube schon, dass der Trend dahingeht. Wir bekommen monatlich mindestens eine Initiativbewerbung.
Woran liegt das?
Die Lebensverhältnisse in den Ballungsräumen werden immer unattraktiver. Die Mieten steigen kontinuierlich, man braucht in München trotz öffentlicher Verkehrsmittel meist genauso lange wie auf dem Land – und spätestens dann, wenn man eine Familie gründet, weiß man es zu schätzen, wenn man sich einen Garten leisten kann.
Trotzdem: Der Konkurrenzkampf um die Ingenieure und Informatiker dürfte recht hoch sein. Können es die mittelständischen Betriebe bei uns überhaupt mit vergleichbaren Gehältern, wie sie von den Big Playern gezahlt werden, aufnehmen?
Der Konkurrenzkampf ist schon hart, das stimmt. Die Firmen werben die Studenten bereits in den ersten Semestern an. Aber ich habe auch schon auf der Jobbörse in Deggendorf erlebt, dass ein Mittelständler alle Besucher an seinen Stand lockte und den großen DAX-Unternehmen die Show stahl, weil er realitätsnah und mit viel Begeisterung schilderte, was Ingenieure bei ihm machen und wo sie mitwirken können.
Herr Dorner, vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Dike Attenbrunner