Freyung. Seit 2005 kann man sich in der Kreisstadt am Schlosssteig 1 zu allen Themen der Europäischen Union informieren. Nachdem das Europe-Direct-Programm bereits zweimal bewilligt wurde, darf die Euregio die EU-Informationsstelle auch im nächsten Förderungszeitraum als Träger weiterführen. Was Europe Direct eigentlich alles macht, wer das Informationsangebot in Anspruch nehmen kann und warum die EU nicht nur etwas ist, was in Brüssel passiert, darüber sprechen die beiden Mitarbeiterinnen Vendula Maihorn und Lucie Dreher im Hog’n-Interview.

Im Informationsraum von Europe Direct steht auch ein Computer für interessierte Bürger bereit. Lucie Dreher (links) und Vendula Maihorn zeigen die Homepage der Organisation. Fotos: da Hog’n
Europe Direct ist der direkte Draht zwischen Brüssel und der Region
Frau Maihorn, Frau Dreher, was verbirgt sich hinter Europe Direct?
Lucie Dreher: Die Hauptaufgabe besteht darin, den Bürgern die EU näher zu bringen. Wir sind dabei nicht nur für Freyung, sondern regional für ganz Niederbayern zuständig.
Vendula Maihorn: In Deutschland gibt es 55 solcher Einrichtungen, in Bayern sind es insgesamt sieben. Das Europe-Direct-Netzwerk ist eine der wichtigsten Organisationen für Brüssel – und der direkte Draht zwischen den Regionen und den dortigen Politikern.
Was machen Sie denn, um die Aufgaben der EU bekannt zu machen?

„Klar, die EU ist kein übermächtiges Organ, sondern von den Mitgliedern der EU-Länder abhängig. Aber sie hat schon viele wichtige Errungenschaften erreicht.“
Maihorn: Wir sind sehr viel unterwegs und organisieren zahlreiche Veranstaltungen. Wir sind zum Beispiel oft an Schulen. Seit das Thema EU in die Lehrpläne aufgenommen wurde, wollen die Schulen oft gemeinsame Europa-Veranstaltungen mit uns durchführen. Am Gymnasium in Waldkirchen haben wir beispielsweise vor kurzem die Sitzung eines Europarates simuliert. Die Schüler haben sich im Rahmen dieses Rollenspiels damit beschäftigt, dass immer wieder Flüchtlinge auf italienischen Inseln landen – und wie sie dieses Problem bewältigen würden.
Dreher: Zu aktuellen EU-Themen, wie die Euro-Krise, halten wir außerdem regelmäßig Vorträge. Dann treffen wir uns mit anderen Europe-Direct-Einrichtungen und tauschen uns aus. Und die Bürger können natürlich zu uns ins Büro kommen.
Wer kann Ihr Büro denn alles aufsuchen?
Maihorn: Im Prinzip alle Bürger, sofern sie Fragen zur Europäischen Union haben.
Für viele ist die Vermittlung an die richtigen Stellen eine große Hilfe
Und was sind das für Fragen?
Maihorn: Zum Beispiel, was man beachten muss, wenn man in einem EU-Land studieren oder arbeiten möchte. Oder welche politischen Themen gerade in Brüssel diskutiert beziehungsweise beschlossen werden. Wir sind aber auch die erste Anlaufstelle, wenn es um EU-Rechte geht.
Dreher: Wir recherchieren jedoch nicht nur auf Anfrage, sondern leiten Wünsche oder Beschwerden auch an die richtigen Stellen weiter. Gerade diese Vermittlung ist für viele eine große Hilfe.
Maihorn: Und viele wollen Informationsmaterial. Das stellen wir den Bürgern kostenlos zur Verfügung. Ein Vater hat zum Beispiel für seine Tochter um Info-Broschüren zum Thema Ein– und Auswanderung in Europa gebeten, weil diese darüber in der Schule ein Referat hält.
Und wofür sind Sie nicht zuständig?
Maihorn: (lacht) Vor ein paar Tagen hat zum Beispiel ein Herr angerufen, der sich geärgert hat, weil das mit seinem Rentenbescheid alles solange dauern würde. Aber da sind die nationalen Ansprechpartner die richtigen. Es wäre natürlich etwas anderes, wenn er zuvor in einem anderen Land gearbeitet hätte – und dort jetzt seine Rente beantragen möchte. Dann hätten wir ihm den Kontakt zur zuständigen Behörde vermittelt.
Interessant für Kommunen: 2014 gibt es regionale Förderprogramme
2014 steht bei den Europe-Direct-Einrichtungen ganz im Zeichen der EU-Förderungen. Für wen ist das besonders interessant?

Vendula Maihorn (links) und Lucie Dreher: „Für viele ist und bleibt das Thema EU ein weit entferntes. Das ist für viele etwas, das in Brüssel passiert.“
Maihorn: Vor allen Dingen für die Kommunen, weil es von 2014 bis 2020 neue Programme für die regionale Entwicklung geben wird.
Dreher: Wir haben dafür eigens am 8. Juli eine Referentin nach Bad Birnbach eingeladen, die versucht, den Gemeinden Lösungsansätze in der regionalen Gestaltung zu bieten. Andrea Gehler, Leiterin des Europabüros der bayerischen Kommunen in Brüssel, wird an dem Abend unter anderem praktische Tipps zur Antragsstellung geben.
Warum ist es so wichtig, dass die Kommunen jetzt schon wissen, was sie 2014 beantragen können?
Dreher: Man weiß zwar noch nicht ganz genau, wie die Förderprogramme genau zusammengesetzt sein werden. Dennoch ist es für die Planungssicherheit einer Kommune besser, wenn sie schon 2013 weiß, welche Förderungen möglicherweise für sie in Frage kommen könnten.
Haben Sie den Eindruck, dass die Bürger wissen, was die EU eigentlich so macht?
Maihorn: Wir sind immer wieder überrascht, wie viel die Schüler bereits wissen. Aber das liegt natürlich auch daran, dass sie meistens vorab über das Thema informiert werden. Trotzdem: Für viele ist und bleibt das Thema Europa ein weit entferntes. Das ist für viele etwas, das in Brüssel passiert.

Heuer im November veranstaltet Europe Direct zum ersten Mal einen fünftägigen Ausflug nach Brüssel. Im Bild: Das EU-Parlament. Foto: rakoellner / pixelio.de
Dreher: Dabei gibt es viele Dinge, die nur durch die EU möglich gemacht wurden – und heute von den Bürgern als selbstverständlich wahrgenommen werden. Die EU-Währung oder die Tatsache, dass wir die Grenze jetzt einfach so überschreiten können, zum Beispiel. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass Europa nicht sehr geschätzt wird. In den Medien haben die nationalen Themen meistens Vorrang – und die europäischen Themen tauchen oftmals im Zusammenhang mit negativen Schlagzeilen auf. Klar, die EU ist kein übermächtiges Organ, sondern von den Mitgliedern der EU-Länder abhängig. Und natürlich ist die Euro-Krise präsent und muss kritisch diskutiert werden – aber man könnte hie und da auch über die positiven Errungenschaften berichten.
Und wie kann man den Bürgern diese positiven Errungenschaften vermitteln?
Maihorn: Wir veranstalten heuer im November zum ersten Mal eine fünftägige Reise nach Brüssel, zu der sich jeder Bürger anmelden kann. Dort besprechen wir Themen, die für unsere Region interessant sind und führen Gespräche mit EU-Abgeordneten.
Europe Direct zeigt: Job Sharing kann funktionieren!
Ein anderes Thema: Sie beide teilen sich eine Vollzeitstelle – und beweisen: Job sharing funktioniert. Wie schaut das im beruflichen Alltag aus?
Maihorn: Ich habe vor zwei Jahren eine Tochter bekommen und dann ein Jahr Elternzeit genommen. Danach wollte ich nicht wieder in die 40-Stunden-Woche zurückkehren. Ich habe dann erst einmal mit 20 Stunden angefangen – und arbeite jetzt 30 Stunden die Woche. Meine Kollegin arbeitet neun Stunden für Europe Direct, die restliche Zeit ist sie bei unserer Trägerorganisation Euregio beschäftigt. Das funktioniert ganz prima – und ich habe dadurch genügend Zeit für meine Tochter.
Sie kommen beide nicht aus Deutschland, sondern aus Tschechien. Wie sind Sie eigentlich bei der Euregio beziehungsweise bei Europe Direct gelandet?
Maihorn: Wir kommen beide aus Budweis, richtig. Ich habe in Linz ‚Internationale Wirtschaftswissenschaften‘ studiert und dann noch ein Jahr ‚Europäisches Management‘ in Frankreich. Dafür musste ich auch ein Praktikum absolvieren – vor knapp zehn Jahren bei der Euregio. Damals war es gar nicht so einfach eine Arbeitserlaubnis zu bekommen.
Dreher: Ich bin vor fünf Jahren nach Passau gekommen und habe dort ‚European Studies‚ studiert. Ich habe dann im Rahmen meines Studiums bei Frau Maihorn ein Praktikum gemacht und wurde 2010 als Elternzeitvertretung für sie eingestellt.
Frau Maihorn, Frau Dreher, vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Dike Attenbrunner
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