Freyung. Das Freyunger Stadtbild hat sich in den letzten Jahren verändert. Das Veicht-Haus wurde aufwendig saniert, der Huber-Komplex abgerissen, der Kirchenplatz neu gestaltet. In der Kreisstadt herrscht Aufbruchstimmung. Jedoch nicht überall. Zwei Freyunger Traditions-Geschäfte am Stadtplatz, der Obst- und Gemüseladen Holländer sowie das Schreibwaren-Geschäft Jüngling, schließen zum 28. Februar ihre Pforten – für immer. In der allgemeinen Euphorie rund um das StadtplatzCenter, das neue Verkehrskonzept, Technologiecampus und Co. sind die Geschäftsauflösungen dieser Freyunger Urgesteine irgendwie untergegangen. Mit ihnen verschwindet auch ein Stück Identität und Tradition – Läden, die eine Kleinstadt wie Freyung jahrzehntelang geprägt haben.
„Es ist bedauerlich, dass viele Leute jetzt erst auf die Geschäftsauflösungen aufmerksam werden – kurz vor dem Ende“, sagt Silvia Jüngling enttäuscht. Die 68-Jährige steht in ihrem Laden am Stadtplatz, die Regale sind größtenteils schon leer. Nur noch einige Zeitschriften und Bücher sind darin zu sehen.
65 Jahre haben die Jünglings den Laden am Stadtplatz betrieben
Die großen „Räumungsverkauf„- und „Total„-Schildchen hängen schon seit längerem im Schaufenster. Das Ende des Schreibwarenladens – keine einfache Sache für die Freyungerin. „Ich kenne seit meinem zweiten Lebensjahr nichts anderes“, erinnert sie sich. 1947 hat ihr Vater Herbert Jüngling das Geschäft übernommen. Damals noch unter dem Namen „Müller“ – so hieß der vorherige Besitzer. Anfangs gab es neben Schreibwaren auch Spielwaren, Kosmetik-Artikel – und sogar eine Friseur-Ecke. In den Hochzeiten der Jünglings tummelten sich im Laden bis zu fünf Angestellte und drei Lehrlinge.
Doch diese Zeiten sind längst vorbei – mittlerweile ist Silvia Jüngling, die den Laden seit 1991 betreibt, auf sich allein gestellt. Nur die „treue Seele“ Gertrud Kloiber, seit 43 Jahren bei den Jünglings angestellt, unterstützt sie ab und zu. Die Onlineshops und die Discounter in der Umgebung haben dem kleinen Schreibwarenladen ordentlich zugesetzt. „Geschäftlich gesehen hätte ich den Laden schon länger schließen müssen. Aber das hier war ja praktisch meine Heimat, ich bin im Haus geboren und aufgewachsen“, erzählt sie, während sie hinter ihrem Tresen steht.
Dort wurde sie für viele Menschen aus der Region zur wichtigen Ansprechpartnerin – nicht nur in Sachen Füller, Löschpapier und Hefte, sondern auch in der ein oder anderen privaten Angelegenheit. Selbstredend, dass sie sich von den Stammkunden nur schweren Herzens verabschieden konnte. „Einer, der sich jeden Tag die Zeitung geholt hat, hat sogar geweint“, sagt die 68-jährige Ladenbesitzerin traurig.
Aufschwung in Freyung? „Mir fehlt der Glaube daran“
Während sie sich nach 54 Jahren von der Freyunger Geschäftswelt wehmütig verabschiedet, wächst nicht weit entfernt das neue StadplatzCenter mit Mega-Discounter und Cineplex-Kino Tag für Tag heran – die Zukunft der Kreisstadt. „Ich wünsche allen Beteiligten viel Glück, bin aber vom Konzept nicht sehr überzeugt“, gibt sich Silvia Jüngling ob des Freyunger Aufschwungs pessimistisch. „Seitdem es das Textil-Geschäft Huber nicht mehr gibt, geht in Freyung nicht mehr viel – das war einfach ein Magnet.“ Ähnlich sieht es Gisela Holländer, die gleich nebenan ihren Obst- und Gemüseladen betreibt und ebenfalls zum 28. Februar schließt: „Irgendwie fehlt mir der Glaube an das Ganze.“
Die Freyungerin bedient gerade eine ihrer Stammkundschaften. Die Obst- und Gemüsefächer sind leer, nur noch ein paar Äpfel haben sich in die einst so reichlich gefüllten Körbe verirrt. Christine (75) und Max (73) Eder kaufen seit Jahrzehnten bei den Holländers ein. „Uns wird der Laden narrisch fehlen. Irgendwie sind die anderen Geschäfte so kalt. Irgendwie verschwindet in Freyung alles, was schön ist“, sind sich die beiden einig.
Seit 1948 besteht der Obst- und Gemüseladen am Stadtplatz. Damals eröffneten ihn Sophie und Hans Holländer, die Schwiegereltern von Gisela Holländer. „Da war es aber mehr ein Tante-Emma-Laden“, erzählt die 68-Jährige in ihrer gewohnt freundlichen Art. 1968 übernahm sie dann gemeinsam mit ihrem Mann Helmut (78) den Laden.
„Ich bin da nicht so. Wenn etwas vorbei ist, ist es vorbei“
„Zan Hollända geh“ wurde in Freyung zum Synonym für gute Ware – aber auch für ein nettes Gespräch zwischendurch. Wichtig war dem Geschäfts-Ehepaar nämlich immer, frisches Obst und Gemüse im Sortiment zu haben – und dass sich ihre Kunden wohl fühlen. „Dass wir mit den Preisen in Supermärkten nicht konkurrieren können, war uns immer klar.“ Mit ein Grund für die Geschäftsauflösung. Zwar fällt Gisela Holländer der Abschied von den Kunden schwer, dennoch sagt sie: „Ich bin da nicht so. Wenn etwas vorbei ist, ist es vorbei.“
Beide Freyunger Geschäftsfrauen schließen nun ihre Läden, weil niemand da ist, der sie übernehmen möchte. Das Gebäude am Stadtplatz 19 wird nun umgebaut. Wo sich einst die Freyunger ihre Tomaten und Bananen, ihre Zeitschriften und Zeitungen oder ihre Stifte und Schulhefte gekauft haben, wird bald ein Reisebüro Einzug halten.
Helmut Weigerstorfer
wehmut überkommt mich, wenn ich das lese. beim jüngling hab i mei erste bravo kauft, beim holländer hast immer an apfel kriagt wennst eikauft hast. da holländer helmut war eine institution in freyung. schade, das dieses traditionsgeschäft dem neuen stadtgedanken weichen muss, und das ohne entsprechend gewürdigt zu werden. das sollte dem sonst so engagierten bürgermeister zu denken geben. diese menschen haben fryung immer bereichert. bernd wagner